Der Antichrist


 Die beiden nachgelassenen Schriften Nietzsches,

 

 „Der Antichrist.  Fluch auf das Christentum“ sowie

    Ecce homo.  Wie man wird, was man ist“,

 

    hängen zeitlich und damit auch thematisch und seelisch in seinem letzten „Schaffensjahr“ und sogar dessen letzten Monaten 1888 entstanden, extrem eng aneinander.


 Von Nietzsche selbst blieben die beiden seinerzeit als grenzwertig anstößig empfundenen Schriften wegen seinem Anfang des Jahres 1889 erfolgten „geistigen Zusammenbruch“ etliche Jahre lang  unveröffentlicht, - was ihre spätere Rezeption dann so beeinflusste, dass sie dem inzwischen von vielerlei Legenden umrankten, bekannt und weil verrückt, auch berühmt und zu einem angesehenen „Philosophen“  gewordenen - oder auch nur als solcher akzeptierter! - Nietzsche nichts Nachteiliges mehr „anhaben“ konnte. - Auch wenn ein kritischer Blick auf den Inhalt seiner labyrinthischen Schriften dem nicht folgen konnte und kann, denn das Publikum war, durch die skrupellos in die Welt gesetzte und geschickt verwaltete Propaganda der „liebevoll sich sorgenden“ Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche,  festgelegt auf ihre Version einer geschwisterlich-ehrfürchtig gehüteten „Wahrheit“ über ihren Bruder - und geneigt, den zutiefst unkritisch geglaubten Lobes- und Bewunderungs-Hymnen über den ja eigentlich nur durch zu viel Genialität „geistig“ aus dem Gleis geworfenen Bruder mehr zu trauen und zu glauben, als dem eigenen, aber von den einmaligen, nie zuvor zur Kenntnis gelangten Ereignissen, Themen und Urteilen vollkommen überrumpelten und plattgewalzten gesunden Menschen-Verstand.


 Hielt sich das „Ecce homo“ als Versuch einer gigantisch-ungehörigeren, eigentlich nicht erlaubten und reichlich dreisten Selbstdarstellung noch in einem relativ akzeptablen „Rahmen“, so schoss der bedeutend ungehörigere, nur noch Kritik übende „Antichrist“, als die Ablehnung und Verfluchung eines  Gegenbildes zu Nietzsche, weit über das Ziel eines zu erwartenden Anstands hinaus, denn in diesem wurde nichts und niemand nur dargestellt, sondern mit allen Mitteln bekämpft, in den  Boden gestampftverflucht und nach Strich und Faden entwertet!

 Obgleich Nietzsche doch 1882 schon beschlossen hatte, nur noch ein Ja-Sagender sein zu wollen.

   Es ging ihm darin aber um die gewaltsame Eroberung eines Freiraumes für seine eigene, sich mächtig bedrängt fühlende Existenz, die er aber - verpackt in ein „neues Gewand“! -  in überkommenen Größenverhältnissen und in ersehntem Maßstab installierte, um sich selbst als den  Mittelpunkt  eines  zukünftig  gelten sollenden Alls zu präsentieren. 

               

 So erwähnt diese wildgewordene Kampf-Schrift auf 88 Seiten

 33 mal die „Moral“,

 32 mal die „Macht“,

 24 mal das vernichtende Wort „Decadenz“ oder „Decadent“,

 16 mal „man muss“ und auch 

 16 mal das Wort „Kultur“,

neben vielen sonst noch schmähend benutzten Kraftausdrücken.


 Statt auf vernünftige Weise erfüllt zu sein von seinem Recht, begründend Neues verkünden zu dürfen, hätte Nietzsche hier mit Fug und Recht das Christentum „an sich“, als ihm nicht mehr genügend, einfach links liegen lassen können.  Dieser einfachste Weg aber war ihm nicht möglich, weil er zu diesem in überschäumender Konkurrenz nichts wirklich Neues, sondern nur Umwertung zu bieten hatte.  Er hatte praktisch nichts als nur eine Gegnerschaft durchzusetzen!  Das Neue gegen das Alte!  Da sich - unter anderem Vokabular versteht sich! - das eine dem anderen im Kern nur entsetzlich, das heißt im Grunde bis zum Verwechseln und zum Verzweifeln ähnlich sah.


 Schon das „Vorwort“ des „Antichrist“ gibt sich anspruchsvoll, stellt Forderungen und setzt allgemeingültig gemeinte Grenzen der Bewertung wenn es darin heißt:

 Dies Buch gehört den Wenigsten [elitär nur denen, die von irgendeiner geheimen, ungenannt gebliebenen bzw. gar nicht existenten Institution „Auserwählten“, die jedoch von Nietzsches Vorlieben nicht unabhängig zu denken sind!]. Vielleicht lebt selbst noch Keiner von ihnen.  Es mögen die sein, welche [inskünftig und im Schlepptau seines schon so unendlich weit gekommenen Vorausgeeiltseins!] meinen Zarathustra [so] verstehn [wie Nietzsche auf idealste Weise wollte, dass er, weit außerhalb der realen Möglichkeiten, zu verstehen sei oder verstanden würde]:

  wie dürfte ich mich [in  seiner Höhe und Genialität!] mit denen verwechseln, für welche heute schon Ohren wachsen?  [das wäre, weiß Gott, nicht superlativ genug gewesen, um Nietzsches zu Superlativem geradezu verpflichteten Ansprüchen zu genügen!] - Erst das Übermorgen gehört mir [und wäre von ihm zu bestimmen!].  Einige werden  [so wie Er! - erst] posthu<m> geboren.  Die Bedingungen, unter denen man mich versteht und dann mit Nothwendigkeit versteht [dies in Hinsicht auf Das größte Schwergewicht“ lt. seinem 341. Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“! - sowie als übliches Maß der Geringschätzung und Verachtung für alles um ihn her!] - ich kenne sie [die von ihm geforderten oder überhaupt zu fordernden “Bedingungen“!] nur zu genau.  Man muss rechtschaffen sein in geistigen Dingen [worin sich wegen der Subjektivität der Begriffe so rein gefühlsmäßig der Heilige nicht vom gemeinen Verbrecher zu unterscheiden braucht?]  Bis zur Härte, um auch nur meinen Ernst, meine [verständnisvoll lächelnd auch über Leichen, über diejenigen „die an ihm zu Grunde zu gehen haben“ hinwegschreitende] Leidenschaft auszuhalten.   Man muss geübt sein, auf Bergen zu leben [und auch ausreichend enthemmt  genug sein, sich auf derart preisgünstig billige Weise so haushoch überlegen fühlen zu können!] - das erbärmliche Zeitgeschwätz von Politik und Völker-Selbstsucht unter sich zu sehn [weit unter sich, - indem man sich - egal wo man ist! - erhaben, erhoben, oben fühlt; - nur darauf kam es ihm als einem „Wert an sich“ letztlich an, denn es ging auch hier immer nur um GefühleGefühltes, nicht kritisch Durchdachtes!].  Man muss [und das gab einen Blick frei auf seine Anhänger so gut wie auf seine Seelenlage!] gleichgültig geworden sein, man muss nie fragen, ob die Wahrheit nützt, ob sie Einem [zum?] Verhängniss wird . . .  Eine Vorliebe der Stärke für Fragen, zu denen Niemand heute den Muth hat [und zu denen Nietzsche zumeist gar nicht die „Berechtigung“ und noch weniger die  Fähigkeiten hatte!];  der Muth zum Verbotenen [Exaltierten, Verblüffenden, Mundtot machenden];  die Vorherbestimmung zum Labyrinth [dessen geheime Gänge nur man selber kennt, um sich vor den für „die Anderen“ gut angelegten Irrgängen nicht fürchten zu müssen?].  Eine Erfahrung aus sieben Einsamkeiten  [da er diese aus seinen Sonderlings-Situationen heraus bestens zu kennen glaubte!].  Neue Ohren für neue Musik.  Neue Augen für das Fernste. [Und weil niemand so einsam gewesen ist, wie Er:]  Ein neues Gewissen [und für dieses - ohne „die Anderen“ eine „neue Moral“! -] für bisher stumm gebliebene Wahrheiten.  Und [als einen weiteren an sich gerissenen Superlativ:]  der Wille zur Ökonomie grossen Stils:  seine Kraft, seine Begeisterung beisammen behalten . . .  Die Ehrfurcht vor sich [als eine bereits ins Blut gedrungene Bereitschaft, sich selbst anzubeten?!];  die Liebe zu sich;  die unbedingte Freiheit gegen sich . . .   [All das ohne „die Anderen“ auch nur im Geringsten auf seiner „Rechnung“ haben zu müssen, - das war nämlich die begehrliche Voraussetzung für diese Art sogenannter „Denkvorgänge“, die sich im wild Gefühlten erschöpften und daran auch ergötzten!]
      Wohlan!  Das allein sind meine Leser  [O weh!]  meine rechten Leser 6.167, meine  [ihm von wem aber eigentlich so zurecht-sortierten?] vorherbestimmten Leser [so weit war hier die Enthemmung  seiner kaum noch vorhandenen „Denkfähigkeit“ kurz vor dem nicht weiter belastbaren „Sich-Äußern“ gediehen!]:  was liegt am  Rest? - Der Rest [also alle, außer ihm!] ist bloss die Menschheit. - Man muss der Menschheit [diesem kläglichen Rest gegenüber seiner Herrlichkeit, dem sich unendlich überschätzenden Einzelnen!] überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der Seele, - durch Verachtung . . .  Friedrich Nietzsche

 Der inzwischen über so gut wie alles und alle hoch und höchlichst Erhabene, Entrückte, schon so gut wie völlig Verrückte, der eine Form der Idealisierung seiner selbst über das Mittel einer Verleugnung „der Anderen“ gefunden zu haben glaubte, was letztlich aber nur die unabdingbare Voraussetzung und zugleich auch das Ziel all seines kruden, in sich unstimmigen Philosophierens gewesen ist.

Danach war klar, dass nicht mehr viel Überraschendes kommen konnte.  Unter der Nummer 13, für viele eine Unglückszahl, steht ein normal-langer Aphorismus, der mit den Worten beginnt:

 Unterschätzen wir dies nicht:  wir selbst, wir freien Geister [dabei war gerade Er in sich selbst und in den Denkbahnen Emersons so sehr, so heillos, so endgültig und unveränderbar, unentwirrbar gefangenangekettet, verklebt, verschlungen, beschränkt und angeschmiert, wie selten einer! -  Auch mit und in seinen selbstgemachten Illusionen!  Wir] sind bereits eine „Umwerthung aller Werthe“, eine leibhafte Kriegs- und Siegs-Erklärung an alle alten Begriffe von „wahr“ und „unwahr“  [so wunsch- und siegestrunken, dass ihnen die Realität einer Niederlage aus Mangel an eben dieser Vorstellung vollkommen aus dem Sinn geraten war!].  Die werthvollsten Einsichten werden am spätesten gefunden;   aber die werthvollsten Einsichten sind die [von  jedermann mit einigermaßen Verstand nachvollziehbaren und deshalb gelten könnenden oder sogar müssendenMethoden.  Alle Methoden, alle Voraussetzungen unsrer jetzigen Wissenschaftlichkeit [als mindester Kenntnisstand?] haben Jahrtausende lang die tiefste Verachtung [der neunmalklugen und phantasierenden Besserwisser? - und dies unabhängig von den Erfahrungen, die inzwischen  gemacht worden sind?] gegen sich gehabt, auf sie hin war man aus dem Verkehre mit „honnetten“ [rechtschaffenen] Menschen ausgeschlossen, - man galt als „Feind Gottes“, als Verächter der Wahrheit, als „Besessener“.

 Als wissenschaftlicher Charakter war man [ohne überzeugend begründen  zu können?]   Tschandala  [gehörte zur untersten, entrechtetsten Klasse - in Nietzsches Lebenswirklichkeit aber galt das nur, wenn man auf Teufel komm raus etwas sein wollte, was der Wirklichkeit nicht entsprach, weil da Anspruch und Leistung einander nicht (mehr? - nämlich dem  Wissensstand seiner Zeit!) entsprachen!] . . .  Wir haben das ganze Pathos der Menschheit [als wirklich wissenschaftlich Denkende?] gegen uns gehabt - ihren Begriff von dem, was Wahrheit sein soll, was der Dienst der Wahrheit sein soll:  jedes „du sollst“ war bisher gegen uns [und sollte von nun an - zu seinen Gunsten nur? - umgewertet und] gerichtet [sein, ohne sonst wesentlich zu nennende Änderungen!?] . . . Unsre Objekte, unsre Praktiken, unsre stille vorsichtige misstrauische Art - Alles schien ihr  [damit sollte die Verhältnisse innerhalb von Nietzsches Lebenswelt gemeint sein?  Mitg dieser unwissenschaftlichen Realität um ihn her?] Vollkommen unwürdig und verächtlich [aber so ist es doch nur ihm, dem zutiefst Unwissenschaftlichen selber gegangen!].


 - Zuletzt dürfte man, mit einiger Billigkeit, sich fragen, ob es nicht eigentlich ein ästhetischer Geschmack war, was die Menschheit in so langer Blindheit gehalten hat [weil es „ihr“ nicht anders erklärt worden war und, dem Stand der gemachten allgemeinen Erfahrungen nach, nicht werden konnte! - Auf eine  ihm  und  seinem beschränkten Verstand nicht gemäße Weise!]:  sie verlangte von der Wahrheit einen pittoresken [nämlich ewig unveränderlichen!] Effekt, sie verlangte insgleichen vom Erkennenden, dass er stark auf die Sinne wirke [bei Nietzsche lag's vor allem, ohne viel darum zu wissen, auf seinem Gefühl!].  Unsre [in jeder Beziehung maßlose!] Bescheidenheit gieng ihr am längsten wider den Geschmack . . . Oh wie sie das erriethen, diese Truthähne [als die größten aller Truthühner hinieden? - die]  Gottes  [Geschöpfe waren?]  - - 

So Nietzsche als der Ober-Truthahn seiner selbst!  Es „passiert“ nichts, es wird nichts Wesentliches mitgeteilt in den weiteren, bis zur Nr. 62 zählenden Abschnitten.  Aber da, unter der Nummer 62, in der Zusammenfassung, haute er noch einmal wild auf die Pauke und schrieb:

 - Hiermit bin ich am Schluss und spreche mein [allein gelten sollendes!] Urtheil [gegen all „die Anderen“, gegen die er glaubte, mit seinen Überzeugtheiten absolut und auf ewig Recht haben zu  können !].  Ich verurtheile  das Christenthum, ich erhebe gegen die christliche Kirche die [superlativst] furchtbarste aller Anklagen, die je ein Ankläger [der auch hier nur eine Häufung von Superlativen zur Demonstration des Maßes seiner Eifersucht!] in den Mund genommen hat.  Sie ist mir [als seine ganz persönlichst-racheträchtige Meinung - denn etwas anderes ist ihm in seiner letztlich doch wahrgenommenen machtlosen Situation nicht übrig geblieben! - Und so pöbelte er, in allem unübertrefflich, drauf los:] die höchste aller denkbaren Corruptionen, sie hat den Willen zur letzten auch nur möglichen Corruption gehabt.  Die christliche Kirche liess Nichts mit ihrer Verderbniss unberührt, sie hat aus jedem Werth einen [nun von ihm wieder umzuwertenden] Unwerth, aus jeder Wahrheit eine Lüge, aus jeder Rechtschaffenheit eine Seelen-Niedertracht gemacht [womit Nietzsche dem Christentum genau genommen nur seine eigens beabsichtigten Aktivitäten unterstellte und zum Vorwurf machte!].  Man wage es noch [nieder mit jedwedem „Sowohl-als-auch“!], mir von ihren „humanitären“ Segnungen zu reden!  Irgend einen Nothstand abschaffen gieng wider ihre tiefste Nützlichkeit, - sie lebte von Nothständen, sie schuf  Nothstände, um sich zu verewigen [genau das aber war es doch, was auch Nietzsche mit seinem für kommende Ewigkeiten dauern sollendem  Regime erreichen wollte:  Notzustände zu behaupten um seine nicht und durch nichts in Frage zu stellende Gültigkeit für eine neue Ewigkeit, während welcher auf  seinen  Namen fortan „die höchsten Gelübde getan“  21.5.84  werden sollten, aufzustellen!  Es war reine Opposition, die selber nichts Neues zu bieten hatte!]  -  Der Wurm der Sünde zum Beispiel: mit diesem Nothstande hat erst die Kirche die Menschheit bereichert [als ob nicht auch vor aller Christlichkeit schon gesteinigt wurde, wer Grenzen übertrat]! - Die „Gleichheit der Seelen vor Gott“,  diese Falschheit, dieser  Vorwand  für die rancunes [die heimlichen Feindschaften] aller Niedriggesinnten [weil ihm in betonter Weise ein Dorn im Auge war, mit irgend jemandem gleich sein zu sollen! - Und so tobte und fluchte er fort, bis in zu den noch immer nicht differenzieren könnenden Sätzen:]  gegen das Leben selbst  . . .  Diese ewige Anklage des Christenthums will ich an alle Wände schreiben, wo es nur Wände giebt, - ich habe Buchstaben, um auch Blinde sehend zu machen [da traute er sich in seinem unbedachten Übereifer sehr viel zu, aber es war leicht, so etwas hinzuschreiben!] . . .  Ich heisse das Christenthum [denn dieses war der Todfeind, der seinem für  ebenbürtig  erachteten eigenen „Erfolg“ bis zur wutschnaubenden Aussichtslosigkeit im Wege stand] den Einen grossen Fluch, die Eine grosse innerlichste Verdorbenheit, den Einen grossen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist, - ich heisse es den Einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit . . .  Und man rechnet die Zeit [diesen höchsten, äußersten, rundweg  superlativsten  Ausdruck der „ewig“ währenden Bedeutsamkeit!] nach dem dies[es]  nefastus  [neutrum, diese Gesamtheit des von den Göttern Verbotenen, die Gottlosigkeit, dieser Frevel, dieses Unrecht], mit dem dies Verhängniss anhob, - nach dem ersten Tag des Christenthums! - Warum nicht lieber nach seinem letzten? - Nach Heute [nach dem endlich doch anbrechen sollenden Äon nietzschescher Gültigkeiten für alle und jeden ewiglich!] - Umwerthung aller Werthe! . . . 6.253


 Und zugleich sollte diese Art „Heute“, seiner Meinung nach, das Datum sein, ab dem die neue Zeitrechnung „nach Nietzsche, - als dem messianischen Umwerter aller Werte“ beginnen sollte!

Das aber war nicht  genug, er haute im Taumel seiner Gefühle von Allmacht und Allwissenheit beseelt zu sein, noch einen drauf, ein „7 Sätze“ umfassendes

      Gesetz wieder das Christentum“,

      so wie es einstmals Martin Luther (1483-1546) an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg hätte nageln können?
      Gegeben am Tage des Heils, am ersten Tage des Jahres Eins (- am 30. September 1888 der falschen [nämlich seine Wahrheiten nicht gebührend würdigenden!]  Zeitrechnung) 6.254  [für die nächstkommenden Jahrtausende!]

Todkrieg [wozu aber Krieg, also Gewalt, in einer „Angelegenheit der geistigen Überzeugungen“?] gegen das Laster:   das Laster ist das Christenthum.
Erster Satz. - Lasterhaft ist jede Art Widernatur.  Die lasterhafteste Art Mensch ist der Priester [wie und weil der messianisch funktionieren wollende Religionsstifter Nietzsche, der Umwerter bestehender Werte, in blutleerer Konkurrenz selber einer gewesen ist!]:  er lehrt die Widernatur [welche bei Nietzsche die elementare, massive und superlative „Außer-Acht-Lassung der Anderen“ war!].

 Gegen den Priester [gegen solche also] hat man nicht Gründe, man hat das Zuchthaus [moderner gesprochen das Konzentrationslager, die massenhaft organisierte und „legalisierte“  Auslöschung anders Urteilender und Denkender!?]  .
Zweiter Satz . - Jede Theilnahme an einem Gottesdienste [an einem Manifest ohne sicher begründbare Verankerungen in weltlich-wissenschaftlicher Realität!] ist ein Attentat auf die öffentliche [geistig-selbstkritische] Sittlichkeit.

[Und ab da rissen Einzelinteressen Nietzsche vom bis dahin noch unparteiisch scheinenden Sockel:]

   Man soll härter gegen Protestanten als gegen Katholiken sein, härter gegen liberale Protestanten als gegen strenggläubige.  Das Verbrecherische im Christ-sein nimmt in dem Maasse zu, als man sich der Wissenschaft nähert [denn dieser galt ebenso Nietzsches Hass, weil er mit seinen hohlen Phrasen nichts gut und sicher begründen konnte und somit keine ausreichenden Argumente besaß, die gegen sie etwas ausrichten konnten!].  Der Verbrecher der Verbrecher [der Schlimmste also von allen!] ist folglich der  Philosoph  [worin Nietzsche sich und sein Wüten mit Sicherheit nicht hatte eingeschlossen sehen wollen.  Aber es unterlief ihm halt so, im Eifer seines rasend kläffenden Gefechts!].


Dritter Satz . - Die fluchwürdige Stätte, auf der das Christenthum seine Basilisken-Eier [benannt nach einem orientalischen schlangenartigen Fabeltier mit tödlichem Blick] gebrütet hat [die Institution Kirche], soll dem Erdboden gleich gemacht werden und als verruchte Stelle [Stätte?] der Erde der Schrecken aller Nachwelt sein.  Man soll giftige Schlangen auf ihr züchten [dies allerdings zu wessen Nutzen und künftig sinngebenden Zugewinn, der besser wäre, als das gründlichste ewigliche Vergessen?]  .


Vierter Satz. - Die Predigt der Keuschheit ist eine öffentliche Aufreizung zur Widernatur.  Jede Verachtung des geschlechtlichen Lebens, jede Verunreinigung desselben durch den Begriff „unrein“ ist die eigentliche Sünde wider den heiligen Geist des Lebens. [Was aber machte das aus, besonders gegenüber seiner Ungeheuerlichkeit einer „Überwindung des Menschen“ zu einem unbewiesenen und was in besonderem Maß leisten könnenden „Übermenschen“?  4.14]


Fünfter Satz. - Mit einem Priester an Einem Tisch essen stößt aus:  man excommunicirt sich damit aus der rechtschaffnen Gesellschaft.  Der Priester ist unser Tschandala [ein als Selbstverständlichkeit übernommener verächtlich machender Begriff für missliebig geringgeschätzte Menschen aus der indischen Sanskrit-Literatur] - man soll ihn verfehmen, aushungern, [ächten und] in jede Art Wüste treiben [was absolut biblischen Strafnormen entsprach, - letztlich weil ihm nichts Zeitgemäß-Besseres, moderneres aus seiner eigenen Lebens-Wirklichkeit einfallen wollte, zu welchen schließlich auch von ihm tüchtig genutzten Bahnverbindungen als Selbstverständlichkeiten gehörten und ihm, ohne sich über diese als neuest erst verfügbaren Reiseerleichterungen zu wundern, weil sie ihm außerordentlich gefallen hatten und nutzten!].

 Dabei kam es vor allen nur an, wen man auf diese Weise zum Tschandala erklärte und von diesen Ausgestoßenen und Verfolgten an zurückbleibenden Werten am meisten und nutzbringend zu erwarten hatte, denn gemeinhin ist der Neid die stärkste Triebkraft, Ungeheuerliches zu vollbringen!


Sechster Satz. - Man soll die „heilige“ Geschichte mit dem Namen nennen, den sie verdient, als verfluchte  Geschichte; [denn in ihr steckte nichts, was, ausser ihn zur Weißglut zu bringen, für ihn nützlich zu machen war!] man soll die Worte „Gott“, „Heiland“, „Erlöser“, „Heiliger“ zu Schimpfworten, zu Verbrecher-Abzeichen benutzen [womit Nietzsche allerdings unversehens im Trivialsten zu seinem Thema steckengeblieben war, in Unwichtigem, in eher menschlichen Irrungen und Wirrungen, denn es hätten in der nietzscheschen Zukunfts-Vision weit schlimmere Vergehen aufgeführt werden müssen.] .


Siebenter Satz . - Der Rest folgt daraus.           
Der Antichrist [als seine für diesen Fall gewählte Unterschrift, - war ihm bei sonstigen Veröffentlichungsplanungen doch auch immer sehr daran gelegen, seinen Namen zur deutlichen Zurkenntnisnahme unter alles zu setzen obgleich es doch stets um eigene Notizen in seinem persönlichen Notizbuch gegangen war!]

 

Darf sich jemand, der als Philosoph gelten will im Alleingang einen dermaßenen totalitär gewaltbereiten Schwachsinn leisten?  Von nietzscheanischer Seite wird dies im günstigsten Fall als bereits erkrankt, als bereits „geistig“ verirrt eingestuft, womit Nietzsches Wahnsinn umgewertet wäre in eine allerdings gnadenvoll alles andere rettende Bagatelle.

 

 Aber auch das war Friedrich Nietzsche, zu dem hier nur zu sagen bleibt, dass er mit all seiner ihm nicht zur Verfügung stehenden Macht undifferenzierte Umwertungen um seiner selbst willen und nur „nach seinem Geschmack“ forderte, denn er brachte nichts Neues, sondern eben nur Umwertungen des ihm bekannten und missfallenden Alten, weil ihm, unkreativ wie er war, nichts echt Besseres einfallen wollte!  Denn er hatte doch - eigentlich! - nur noch ja sagen wollen, aber aus Mangel an eigenen positiven Einfällen war ihm nichts anderes möglich, als gegen etwas zu sein.  Das konnte er wenigstens benennen! - Sei's drum.

 Wichtig ist nur, auch über all diese Seiten von Nietzsche in ausreichender Weise informiert zu sein, um ihm gegenüber eine stimmige, mit seiner Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringende, ausreichend eigenständige Stellung erobern zu können!


 Bei den in die Texte eingefügten kleinen Zahlen handelt es sich um Herkunfts-Nachweise der Zitate:
  Angegeben sind jeweils Band- und Seitennummern der letztgültig „Kritischen Studienausgabe“ (KSA) von Giorgio Colli und Mazzino Montinari.
 

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