Der Wille zur Macht

„Der „Wille zur Macht“

und weshalb dieser für Nietzsche unerlässlich war.


Der Anfang und das Ende eines ausreichend-tiefgehenderen Nietzsche-Verständnisses liegt darin, Nietzsche streng chronologisch zu nehmen, zu erleben und auch zu„deuten“, d.h. ihn in seinem ursprünglichen und jeweils momentan-gegenwärtigen „Sein“ - und auf dieses beschränkt! - im Nachvollzug seines Erlebens also! - für „voll“ und ernst zu nehmen; - als einen Patienten, denn nichts lief da in einem „normal“ zu nennenden Rahmen ab.


Da bei ihm alles ausschließlich nur auf ihn selber, d.h. auf seine jeweilige und stets maßlos, weil immer superlativst betriebene Gefühlswelt bezogen und zugeschnitten war, hat von seinen Äußerungen nichts über etwas ausgedehntere Zeit- und Bedeutungs-Räume hinweg Bestand.


Das bedeutet, dass keiner seiner zu einem bestimmten Zeitpunkt, der immer von einem sehr speziellen Gefühlzustand getragen war, sich im fortschreitenden Fluss seiner sich unkontrolliert im Rahmen seiner zunehmend egozentrischer werdenden Auslassungen für eine andere Zeit seines Existierens und angeblichen „Denkens“ als für ihn noch ohne weiteres als vollends gültig angesehen werden kann!

Mit dem Wandel seiner Gefühle und entsprechend deren Verlauf zu sehr eigenen philosophisch scheinenden Gültigkeiten zu gelangen, verfielen jeweils auch seine Ansichten der Welt und seine Aussagen über diese, - womöglich bis in ihr Gegenteil.


Der „Wille zur Macht“ war und ist für Nietzsches Ruhm eine fundamentale Größe, welche - im Zuge der ihm eigenen Enthemmung! - ihr Zentrum, ihren Höhepunkt und damit ihr „Ziel“ in einer ihn vollkommen vom Schlitten reißenden Vision im Sommer des Jahres 1881, in Sils-Maria hatte - aber auch zuvor schon, allerdings in weitgehend verdeckterer Deutlichkeit, in ihm angelegt war.


Sein „Wille zur Macht“ ist in all seinen brieflichen und sich etwas notierenden und erhalten gebliebenen Äußerungen früh schon erkennbar und daran seine stete Neigung eigene Besonderheit, Größe und gar „Genialität“ herauszukehren:

So zum Beispiel, wenn er bereits anlässlich seiner ersten Veröffentlichung, 1872, der

Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“, seinem ehemaligen Professor und Förderer - als sei dies das Selbstverständlichste der Welt! - mitzuteilen wagte, dass an den darin vorgebrachten, von Nietzsches damaliger Wagner- und Schopenhauer-Begeisterung blindlings getragenen Thesen und Folgerungen „Ihnen“, damit war sein früherer Lehrer gemeint - was völlig falsch vorausgesetzt war und nur verrät, wie blindlings-tief in Nietzsche der eingeborene weltverbessernde Messias steckte! - dass diesem Lehrer nämlich aus Nietzsches Schrift nun, - aber warum nur?] irgend etwas Hoffnungsvolles in Ihrem [also in dessen!] Leben begegnet sei [begegnet sein sollte, weil dies - in vollkommen un-selbst-kritischem Ausmaß! - Nietzsches eigenen Hoffnungen waren - auf deren Erfüllung Er, alles bestimmen wollend, angelegt hatte!], so möchte es dieses [ausgerechnet Nietzsches!] Buch sein, hoffnungsvoll für unsere Alterthumswissenschaft [Nietzsches damals im Vordergrund stehendes philologisches Studien- und Berufsfeld und deshalb von ihm so universell verstanden!], hoffnungsvoll für das deutsche Wesen, [mindestens! - und dann folgte, aus dem heiterem Himmel in Nietzsches enormen Selbstverständnis heruntergedonnert, die hoffnungsvoll und optimistisch in Rechnung gestellte Vermutung - die man sich jedoch nachschmeckend auf der Zunge zergehen lassen sollte! - um das Ausmaß ihrer Ungeheuerlichkeit zu begreifen!  Es heißt da, auch zu einem übertriebenen Respekt einem Lehrer gegenüber in einem haarsträubenden Missverhältnis stehend:] wenn auch eine Anzahl Individuen daran [etwa wenn sie es wagen würden, mit ihm nicht gleicher Meinung gewesen zu sein oder sich um diese nicht weiter scheren zu wollen, sondern auf andere, gar abweichende Wahrheiten schwören wollten!?] zu Grunde gehen sollte. 30.1.72

Das war von Nietzsche „geistig“, „seelisch“, „psychisch“ ganz platt und einfach, eigentlich in fast terrorbereiter Absicht, tatsächlich auch rücksichtslos „körperlich“ gemeint und passte bündig zur Art und Weise, wie Nietzsche diesen Brief begonnen hatte. Er schrieb einleitend nämlich:

Verehrtester Herr Geheimrath, Sie werden mir mein Erstaunen nicht verargen, dass ich von Ihnen auch kein Wörtchen über mein jüngst erschienenes Buch zu hören bekomme, und hoffentlich auch meine Offenheit nicht, mit der ich Ihnen dies Erstaunen ausdrücke.  Denn dieses Buch ist doch etwas von der Art eines Manifestes [eine öffentliche Erklärung, eine Rechtfertigung, ein zielsetzender Aufruf, - welchem - so von Nietzsche gefühlt? - unbedingt und von allen! - Folge zu leisten wäre?] und fordert doch am wenigsten [so wagte er seinen ehemaligen Professor zu maßregeln!] zum Schweigen auf.  Vielleicht wundern Sie Sich, wenn ich Ihnen sage, welchen Eindruck ich etwa bei Ihnen, mein verehrter Lehrer, voraussetzte: Ich dachte, wenn Ihnen etwas Hoffnungsvolles in Ihrem Leben begegnet sei, so möchte es dieses Buch sein“ usw.

Derlei früh schon erreichte Einschätzungen und Bedeutsamkeiten seines Tuns und seiner Überzeugtheiten als das Maß, nach dem sich alle und alles zu richten hätten, war Nietzsche von Anfang an eigen.  Sie gehörten gewissermaßen zu dem seelischen „Bausatz“ mit dem er „angetreten“ war, in dieser Welt zu wirken.  Als sein Ansatz in Sachen Selbstverständnis, der ihn im Enthemmungsverlauf seines Lebens zu Gefühlshöhen führen sollte, die ihn am Ende seines Tuns und Lassens, oder auch „Schaffens“, davon überzeugt sein ließen, wie er es in subjektiver Selbstverständlichkeit am Ende kund tat, dass er im Moment, wo ihm dann absolut nicht mehr zu helfen war, schrieb, er wäre sehr viel lieber Basler Professor als Gott;  aber [und das war in betonter Demut entschuldigend angeführt!] ich habe es nicht gewagt [da kehrte er eine heroisch gemeinte Zurückhaltung hervor! - Aber warum, fragt man sich doch, bei einem, der sonst so viel anderes ohne dabei mit der Wimper zu zucken gewagt und gefordert hatte!] meinen Privat-Egoismus so weit zu treiben, um seinetwegen die [ihm tatsächlich, vor allem von den logischen Begründungen her, so schwer gefallene und letztlich ja auch mislungene] Schaffung einer Welt [nach ausgerechnet nur seinen höchst-persönlichsten größenwahnsinnigen Maßen!] zu unterlassen. 6.1.89

So viel zu seiner am Ende schließlich erreichten Selbst-Einschätzung als allerdings angeblich „historisch unbezweifelbarem Fakt“!

Sein so aller-persönlichster Größenwahn beruhte nämlich nicht einfachheitshalber auf einer voreilig angenommenen falschen, wenn zufälligerweise auch naheliegenden aber ordinären, damals gar nichts Besonderes aufweisenden und darstellenden, gleichsam zeitüblichen, aber unbewiesenen Vermutung, die eben, weil sie seinerzeit als ein unschuldiger Angriff von außen gedeutet, dankbar aufgenommen und so auch verteidigt werden konnte:  Als Folge einer geistig unschuldigen syphilitischen Infektion, die bei Nietzsche im Laufe der Jahre allerdings überraschender- und unglücklicherweise in seinem von Geburt her angeblich rein und edel angelegten Körper jedoch unüblich und in so gut wie jeder Beziehung derart atypisch verlief, dass ausgerechnet diese Version auf lange Sicht die Falschheit und Vergeblichkeit dieser Herkunfts-Erklärung seines schließlich nicht wegzuleugnenden Wahnsinnig-geworden-seins nahelegte.  Nietzsches Größenwahn war auf nichts Materielles, auf nichts außerhalb seiner unmittelbaren Existenz Gelegenes gerichtet, sondern allein auf den Kern, den Inhalt und die bloß chimärische „Welt-Bedeutung“ seines ewig bewundernswert bleiben wollen- und sollenden spektakulären Seins.


In seinen Notizen - zu denen die Chronologie der betreffenden Ereignisse um ihn her jederzeit im Vordergrund der Betrachtungen zu stehen hat! - begann der Prozess seiner Enthemmung oder seine lange und gleichmäßig „erfolgreich“ verlaufende Reise in den Wahnsinn hinein! - welchem schließlich auch sein „Wille“ in seinem unerbittlichem Drängen nach „Macht“, unterlag! - spätestens in der Zeit „Sommer 1872 bis Anfang 1873“, als Nietzsche knapp 30 Jahre alt war und sich notierte:

Die Schönheit tritt bei dem wählerischen Erkenntnißtrieb wieder als Macht hervor. Höchst merkwürdig, daß Schopenhauer [Arthur, 1788-1860, ein „Philosoph und Welterklärer“, von dem der jugendliche Nietzsche bis zur Besinnungslosigkeit begeistert war,] schön schreibt! [so, wie und auch weil es Nietzsche gefiel, denn bei ihm hatte er die „Wahrheit“ gefunden, dass Idealität veredelt und Realität verhunzt!  Daraus ergab sich dann seine total-kämpferisch-lustvoll betriebene Verneinung alles Bestehenden, das durch ihn erst auf seine - allein wahre Bestimmung zurück! - umgewertet werden sollte.  Diese „Aufgabe“ hatte ihn fasziniert, durch Jahre hindurch angetrieben und ihn im Sommer 1872 bis Anfang 1873 irgendwann feststellen lassen:]

Sein Leben hat auch mehr Stil als das der Universitätslehrer - aber verkümmerte Umgebungen! 7.423


Was Nietzsche da anführte waren lauter ästhetizistische Argumente!  Weil es keine stichaltigeren gab und Schopenhauer mit seiner Wahrheit dazumal noch nicht sonderlich erfolgreich war, so dass er sich seinerzeit nicht sofort und selbstverständlichst durchsetzen konnte, sondern als philosophischer Welterklärer umstritten blieb? - So dass seine Anerkennung erst im Lauf der Jahre bis 1869 ca., als Nietzsche ihn erstmals zur Kenntnis bekam und er überhaupt, nach und nach mehr und mehr „in wenig hinterfragten Umlauf“ geriet.


Damit hatte Nietzsche die ihm eingeborene, rein ästhetizistische Neigung, das zu adeln und zu bevorzugen was ihm rein gefühlsmäßig lag, entgegenkam und beeindruckte, kultiviert.  Fortan wurde das von ihm zu einem allgemeinen Bewertungskriterium von Bedeutung erhoben. Er hat das Einnehmen dieses Standpunktes nie in Zweifel gezogen, sondern für sich und für alle, die seiner Natur nachstrebten, sich und seine Meinung fortwährend als jeweils absolut allgemeingültig sein müssendes Gesetz betrachtet und danach geurteilt und gehandelt!


Einige Jahre darauf, im September 1876, annähernd 32-jährig, notierte Nietzsche sich - und dabei ist zu bedenken, dass er sich, sein Sein und sein Tun, in allem, was er von sich gab, auf unverhältnismäßig überzogene Weise als Beispielgebend zu rechtfertigen suchte:

Ohne Productivität [d.h. so, wie er das mit seinen Absichten, die Welt auf den einzig richtigen Pfad der Erkenntnis zu führen, hielt und diese belehren wollte] ist das Leben unwürdig und unerträglich: gesetzt aber, ihr [damit waren „die Anderen“ gemeint, die es außer und neben ihm eben sonst noch - aber warum überhaupt? - dennoch so gab!] hattet keine Productivität oder nur eine schwache, dann denkt [gefälligst?] über Befreiung vom Leben nach [in Befehlsform gewissermaßen:  Bringt euch, ihr Nutzlosen, (alle gefälligst!) um!], worunter ich nicht sowohl die Selbsttödtung, als jene immer völligere Befreiung von den Trugbildern des Lebens verstehe [nämlich von den Trugbildern, die nicht die seinen waren! - mit deren widersprüchlicher Fülle Er sich eigentlich selber auseinanderzusetzen gehabt haben müsste! Auf diese Weise schob er sein Problem, das er nicht klar genug durchschaut hatte, nur „den Anderen“ zu!] - bis ihr zuletzt wie ein überreifer Apfel [als überfällig und nutzlos zu erachten!] vom Baume fallt.  Ist der Freigeist [für den Er sich hielt, ohne auch im Entferntesten nur zu ahnen, wie eisern eng und fest sein „Geist“ umschlungen war von Emersons Fesseln, in deren Einfluss er so unbemerkt wie unabänderlich geraten war!] auf der Höhe [seiner selbst?] angelangt [wovon er, so weit es ihn betraf, überzeugt zu sein schien!], so sind alle Motive des Willens an ihm nicht mehr wirksam, selbst wenn sein Wille noch anbeissen möchte:  er kann es nicht mehr, denn er hat alle Zähne [wegen der fehlenden Argumente alle Kraft des Zubeißens?] verloren. 8.316


Eine solche Notiz bezeugt, sachlich auf nichts als ihn selber bezogen, nur, wie er sich als Schaffender verstehen wollte und sich dazu verführen ließ, sich dem Leben gegenüber, als ein verdienstvoll Schaffender zu beweisen, was bedeutete, für seine beanspruchte Sonderstellung im Leben immer neu sich mit und in seinen Meinungen rechtfertigende Schriften fabrizieren zu müssen, um diese in jeweils größter, gehetzter Eile zu veröffentlichen.  Immer ging es um seine Meinung als Gesetzmäßigkeit für die ganze Welt, woran zu erkennen ist, wie sehr er davon ausging, dass die Freunde und all „die Anderen“ sich gefälligst mit dem zu beschäftigen und das so zu akzeptieren hätten, was und wie es ihm momentan wichtig und richtig schien!  Es war gewissermaßen sein „Amt“ geworden, zu bestimmen, was anerkannt werden müsste!


Aus der Zeit von Ende 1876 bis Sommer 1877 - genauer war das wohl vom Schriftbild her nicht einzuordnen! - stammt Nietzsches vielsagend erstmalige Frage der und zur „Macht“ im engeren Zusammenhang mit seiner eigenen Person:

Das Hauptelement des Ehrgeizes ist, zum Gefühl seiner Macht zu kommen [das war, eindeutig aus Nietzsches persönlichster Situation und Gefühlswelt heraus betrachtet, nicht wirkliche Macht sondern ein Wunsch, ein Gefühl für diese und eine unstillbare Sehnsucht nach dieser!  Denn tatsächlich ging es bei Nietzsche immer nur um Gefühle, Gefühltes! - Um nichts Substantielles über diese Gefühle hinaus!].

Die Freude an der Macht [ein Gefühl dafür!] ist nicht darauf zurückzuführen, dass wir uns freuen, in der Meinung anderer bewundert dazustehen.  Lob und Tadel, Liebe und Hass sind gleich für den Ehrsüchtigen, welcher Macht [um seines eigenen Lebensgefühles wegen!] will.  Furcht (negativ) und Wille zur Macht (positiv) erklären [damit sollte - von ihm! - festzusetzen gewesen sein, was nicht nur für ihn gelten sollte!] unsere starke Rücksicht auf die Meinungen der Menschen. Lust an der Macht. - Die Lust an der Macht erklärt sich aus der hundertfältig erfahrenen Unlust der Abhängigkeit, der Ohnmacht.  Ist diese Erfahrung nicht da, so fehlt auch die Lust. 8.425

So ergab sich das aus seinen Gefühlen, ohne über die gegebenen „Gültigkeiten über ihn selber hinaus“ groß nachdenken zu müssen!

Weitere Aussagen zum Thema Macht lauteten in Nietzsches Verständnis im Sommer 1880 dann:

Von außen her sich seine Macht beweisen lassen, an die man selbst nicht glaubt - also durch Furcht [und Terror?] in der Unterordnung unter das Urtheil der Anderen - ein Umweg eitler Menschen. 9.149  Das war oder wäre also nichts für ihn!

Die große Leidenschaft der M<acht> (Napoleon Cäsar [deren beider Macht allerdings sehr abrupt zu einem Ende kam, weil sie vor allem totalitär auf Gewaltanwendung beruhte!]) man muß dabei eitler erscheinen als man ist, es wollen, um das Gefühl der Macht bei den Werkzeugen (Nationen)  zu befriedigen.  Für mich und mein Volk Macht und nicht nur das Gefühl in uns, sondern die Macht sichtbar außer uns.  Weil eine solche Macht das stärkste und erhebendste Gefühl befriedigt, geht die Geschichte hier ihren großen Gang [dessen Zentrum darzustellen Nietzsches dringlichste, nicht nur vorübergehende, sondern zudem auch noch nach Ewigkeit lüsterne Sehnsucht war!]: die Eroberer sind wirklich die Hauptsache, die inneren Vorgänge der Völker, ihre [belanglosen?] Nothdurftfragen sind Nebensache d.h. werden immer so empfunden:  die Völker wollen lieber Wein als Brod. 9.149

Lieber den Rausch als sättigendes Brot? - Auf wie lange? - Mit Sicherheit wohl nur bis der Magen knurrt, wenn kein Brot mehr verfügbar wäre!


Die Macht der Wissenschaft baut jetzt ein Gefühl [?!?] der Macht auf, wie es Menschen noch nicht gehabt haben [womit Nietzsche

a) seine Vorstellung von Wissenschaft bewies und

b) sein Verständnis von Bedarf und Gebrauch von Macht belegte!].

Alles durch sich selber. - Was ist dann die Gefahr?  Welches wäre die größte Vermessenheit, vorausgesetzt daß die Wissenschaft eben Wissenschaft bleibt? 9.149 [Als das, was er sich dazu, mit „passenden“ Argumenten versehen, über die Welt ausgedacht hatte!  Was Nietzsche hier, im Hintergrund, umtrieb und ihn unsicher umherschweifen ließ, war seine Unfähigkeit, die „Macht“ an etwas „festzumachen“, was außerhalb seiner selbst gegeben/vorhanden gewesen wäre! - Bei ihm bezog sich alles nur auf ihn und seine Gefühle, deshalb fehlte seinem Urteilen der Ankerpunkt, der auch für „die Anderen“ als verbindlich anzunehmen war und deshalb glaubte er auch ausgerechnet ihm wäre „alles erlaubt 11.88.

Es gibt kein Wort von Nietzsche aus dem hervorginge, dass auch „den Anderen“ alles so erlaubt sein könnte, so, auf gleiche Weise wie ihm!


Dabei war er geneigt, dazu wahrzunehmen:

Die Asketen [mit dauerhaft eingehaltenen Lebensregeln] erlangen ein ungeheures Gefühl [?!? - wieder nur?] von Macht;  die Stoiker [Menschen mit ganzheitlich ausgerichteter Weltanschauung, - Anhänger einer der wirkungsmächtigsten „Philosophien“ der abendländischen Geschichte, nämlich sich als Individuum zu begreifen und seinen Platz in der „Weltordnung“ zu erkennen und auszufüllen!] ebenfalls, weil sie sich immer siegreich, unerschüttert zeigen müssen.   Die Epikureer nicht [Anhänger einer der bis ins 2. nachchristliche Jahrhundert hinein einflussreichsten philosophischen Lehren, die empfiehlt, das Leben zu genießen]; sie finden das Glück nicht im Gefühl der Macht über sich, sondern der Furchtlosigkeit in Hinsicht auf Götter und Natur [was einer Art „Macht“ über eben diese entspräche!];  ihr Glück ist negativ (wie nach E<pikur> die Lust sein soll)  Gegen die Gefühle der Macht ist das Nachgeben gegen angenehme Empfindungen fast neutral und schwach.  Ihnen fehlte deren Herrschaft über die Natur und das daraus strömende Gefühl der Macht.  Die Erkenntniß war damals noch nicht aufbauend, sondern sie lehrte sich einordnen und still genießen. 9.151

Was alles ja auf sehr weit veralteten „Tugenden“ und Kategorien beruhte und auch zu Nietzsches Zeit durchaus nicht „modern“ begründet zu nennen war!

Man schuf die Götter, nicht nur aus Furcht [und vor allem nicht im „leeren geistigen Raum“, sondern weil bei ihnen die Macht über alles bis dahin weitgehend Unerklärte im Leben zu vermuten war!] sondern wenn das Gefühl der Macht phantastisch wurde und sich selber in Personen [in Personalisierungen!] entlud. 9.152

Die großen Fürsten und Eroberer sprechen die pathetische Sprache der Tugend, zum Zeichen, daß diese vermöge des Gefühls von Macht, welches sie giebt, unter den Menschen anerkannt ist.  Die Unehrlichkeit jeder Politik liegt darin, daß die großen Worte, welche jeder im Munde führen muß, um sich als im Besitz der M<acht> zu kennzeichnen, nicht sich mit den wahren Zuständen und Motiven decken können. 9.160

Denn ganz so ging es ihm - von Nietzsche unerkannt! - selber doch auch!  Diese Notizen sprechen alle von Nietzsches, in höchst eigener Position erlebten, durchlebten „Problemen“!


Ebenso in in seinen Notizen:

Ich sehe vom Interesse und von der Eitelkeit des Einzelnen und der Völker ab:  aber das Bedürfniß, Macht in sich zu fühlen [vorbildhaft frei und unabhängig, nur auf sich selbst gestellt und gefühlt!?], verschwenderische aufopfernde hoffende trauende phantastische Empfindungen daraus quellen zu lassen - das treibt die große Politik als gewaltigstes Wasser [entsprechend der ihm bekannten Wasserkraft der heimischen Mühlen, die bereits anfingen unmodern zu werden!].  Man handelt da gegen sein Interesse, gegen seine Eitelkeit (denn man hat vielleicht Sklavendienste [innerhalb der bekannten und gültigen Regeln?] zu thun, damit die Nation das Gefühl der Macht haben könne, oder sein Leben, sein Vermögen seine Ehre in Gefahr zu bringen) (Tugend) 9.161


Unverändert auch in diesem Beispiel:

Soll man denn in der Welt leben, als habe man die Gebote einer höheren [ihm übergeordneten?] Geisterwelt hier durchzuführen und nichts anderes zu thun [nichts ihm absolut Eigenes - in selbstverständlich vertretbaren Maßen, nämlich ohne sich gleich mit dem Umlauf der Sterne an der concaven Sphäre des Himmels EE.113 in heftigster und erbittertst auszufechtenden Konkurrenz zu befinden]?  Dies könnte geschehen aus Interesse oder aus Eitelkeit oder aus einem Gefühl der Macht (aus der Überzeugung, man gehöre zu dieser Geisterwelt [gemeint war hier jeweils wohl eher „Geisteswelt“, der Nietzsche sich „denkend“ zugehörig fühlte, aber immer nur fühlen musste, da er in Wirklichkeit keine Macht bedaß!] und führe seine eigenen [immer nur auf eigenen starken Gefühlen beruhenden] Bedürfnisse durch)  Wenn man aber nicht mehr glaubt [an den abgelegten Glauben der Väter]?  Dann leitet uns unser Interesse, unsere Eitelkeit, unser Gefühl der Macht direkt im Handeln, nicht mehr indirekt.  Denn alle älteren Moralen, so heilig sie empfunden werden mögen, sind aus niederer Erkenntniß entsprungen, sie dürfen [wie auch nach seinen bedürftigen Erkenntnissen - da Er - ohne „die Anderen“ in seine Wertungen einzubeziehen! - neue Prinzipien entdeckt zu haben meinte und sich zusätzlich weigerte, „die Anderen“ als ihm gleichwertig anzuerkennen! - deshalb durften und solltrn sie] nicht mehr herrschen. 9.164   Womit von Nietzsche zugegeben war, wie sehr seine Macht-Vorstellung nur auf einer Gültigkeit ohne „diese Anderen“ beruhte!  Es gab sie nirgends bei ihm.  Sie kamen einfach nicht vor!  Um dann von sich zu berichten, wie sehr das alles bei ihm abhing von seinen mit Genuss auszukostenden Gefühlen:

Ich kenne jene schwellende Brust, jenes Herablächeln auf die Dinge [die er in ganz und nur auf sich selbst bezogenem Sinn „verstanden“ hatte.  Und dieses „Herablächeln“ galt sicher auch den „anderen Menschen“! - Wem sonst?], jenen heißen Strom, den stolzen Tritt des Fußes [im Verfolgen eigener Ideale!], jenes glühende verachtende und hoffende Auge - 9.170


Und was für ihn zu so viel heroischer Eigenständigkeit noch gehörte:

Wenn man bedenkt, wie viel Schmerz man übernehmen, wie viel man sich anthun muß, wie fehlerhaft es wäre, die sofortige Befriedigung zu wählen:  so ergiebt sich [in Hinsicht auf die angeahnte Jahrtausende-Dauer seiner Übermenschen-Idee!], daß auch im Verhältniß zu anderen Menschen wir Leid machen müssen und nicht gleich befriedigen dürfen d.h. daß das Mitleid [das ihn zur Zeit seiner wildgewordenen Schopenhauer-Anbeterei von ca. 1869-1876 so maßlos missverstanden beherrscht hatte!] uns nicht beherrschen, sondern unsere Einsicht über den Nutzen über das Mitl<eid> herrschen [lassen?] müsse. 9.170

Dazu schien Nietzsche ein Hinweis auf die Praxis nötig zu sein, aber ihm fiel zur Darstellung seiner eigenen Befindlichkeit letztlich nichts anderes, nichts Besseres ein als ein ihm bekannter antiker Philosoph von auch für ihn damals schon vor bereits rund 2.400 Jahren:

Plato [428-347 v.C.] wurde ungeduldig, er wollte am Ende [d.h. „letztgültig“, wie Nietzsche selber nun wieder?] sein [des Glaubens, dass nach ihm nicht Besseres, Gültigeres kommen könnte?].  Und warum?   Sein Gefühl der Macht wollte Befriedigung, jener starke politische Trieb.  Die Kürze unseres Lebens verlangt, daß an einem Punkte die Höhe [der Erfolg, die Bestätigung?] eintritt und das Ziel erreicht ist [so eben auch, wie Nietzsches derzeitiger „Bedürfnis“]:  sonst blieben wir [und damit war mal wieder seine derzeitige Gefühlszustands-Beschreibung bestätigt!] ewig in der Schwebe [weil Er sich in einer solchen gerade befand!] und das hält ma<n> nicht vor Ungeduld [nach definitiver Anerkennung?] aus.  Individuell nothwendig [zumindest!] der Anschein der Wahrheit. 9.170f

Damit sagte Nietzsche selbst zu wiederholtem Mal, dass es sich bei ihm um jemanden handelte, dem „der Anschein der Wahrheit“ zur Verbreitung seiner „Erkenntnisse“ - die keine waren! - genügen würde!


Und weiter gestand er über sich selber:

Wenn wir eine Handlung im Gefühle der Macht [von welchem bei Nietzsche immer alles abhing!] thun, so nennen wir sie moralisch und empfinden Freiheit des Willens.  Handlungen im Gefühle der Ohnmacht gelten als unzurechnungsfähig.  Also die begleitende Stimmung [nur das Gefühl innerhalb seines Ich?] entscheidet [so behauptete Nietzsche es einfach aus sich, aus eignem Erleben heraus!], ob etwas in die moralische Sphäre gehört „gut oder böse“ ist.  Darum dieses unaufhörliche Bemühen [wie sein eigenes!] um Mittel, diesen Zustand herbeizuführen: es ist der menschliche!   „In Macht Böses thun ist mehr werth als in Ohnmacht Gutes thun“ d.h. das Gefühl der Macht [so sollte das halt nach Nietzsches Logik gelten!] wird höher geschätzt als irgend ein Nutzen und Ruf. 9.173f   Weil er es so empfand, fühlte und es seiner Umwertungsmanie entsprach, problemlos ohne „die Anderen“ auszukommen! - galt es als seine Verbesserung der Welt!


Diese logikfreie „Weisheit“ hatte bereits 1881 in der „Morgenröte“ unter der Nummer 360 einen veröffentlichungs-würdigen Niederschlag gefunden und auch die folgende Notiz war von Nietzsche unter der Nummer 52 schon in die „Morgenröte“ übernommen worden:

Ich werde von der größten Krankheit der M<enschen> sprechen [darunter fiel so gut wie alles, was Er für „nicht richtig“, seinen Gefühlen „nicht angemessen“, hielt, denn er hat nirgends sachlich-logisch mit stichhaltigen Argumenten nachvollziehbar begründet, was für ihn die „größte Krankheit der Menschen“ gewesen wäre!

 An dieser Stelle scheint es wieder einmal um das einst zu exzessiv betriebene Mitleid gegangen zu sein, auf das er in Zeiten seiner Schopenhauer-Begeisterung selber einmal - und wie immer maßlos versessen gewesen war - und dem jetzt ein ungeheurer Korrekturbedarf Abhilfe schaffen sollte!

Sollte es insgesamt, über alles, die zutiefst immer wieder sich erweisende selbstmittelpunktliche Organisation „des Lebens“ gewesen sein, die nicht darauf angelegt sein kann, einen einzig Zuständigen für ihre Beurteilung zuzulassen?]


Werden sich meine Leser einen einzigen [nämlich ausgerechnet seinen übermensch-lastigen!] Gedanken und diesen in hundert und aberhundert Wendungen und Beleuchtungen [bloß weil ihm nichts Vernünftigeres einfallen wollte?] gefallen lassen?  Aber es ist ein Erforderniß der allgemeinen [menschheitlichen?] Gesundheit, und man hat Härteres in ihrem Dienst gethan, als ein Buch zu lesen, das nicht zu den unterhaltenden gehört. 9.179

Das waren immerhin mal realistisch wirklichkeitsbezogene Sorgen, die angebracht waren - zumindest bis Nietzsches Schwester sein weltgestalten-wollendes Zepter gewaltsame in ihre Verwahrung nahm.


Die [aus irgendeiner überirdischen Wolke herabgedonnerten] „Erkenntinsse mit Einem Schlage“, die „Intuitionen“ [d.h. die den ungewöhnlichsten Gefühlslagen geschuldeten „Einfälle“ und „Ideen“, die in ihrer wahren Ausprägung erst im Sommer 1881 an seinem Horizont zwar aufgestiegen waren, aber dann nicht geistig und selbstkritisch ausreichend abgesichert wurden] sind [weil ihm die logisch begründbaren Argumente fehlten] keine Erkenntnisse, sondern [bei ihm nur festsitzende Überzeugtheiten gewesen!] Vorstellungen von hoher Lebhaftigkeit:  so wenig eine Hallucination Wahr<heit> is<t.>  9.180

Und doch hing Nietzsches Herz an solcher Art „Erkenntnissen“, wie die unmittelbar nachfolgende Notiz nahelegt:

Der Dünkel, das Gefühl der Macht ist oft ganz unschuldig und gebärdet sich wie ein Kind, ohne von [den nach herkömmlicher Gepflogenheit „alle Menschen einbeziehenden“ Ansichten über]  gut und böse [etwas] zu wissen. 9.180

Denn Nietzsche „wusste“ sehr wohl Bescheid über das, was als gut und böse gilt und wollte - zu seinem Vorteil! - böse, erschreckend neu, aufmüpfig und furchteinflößend erscheinen, weil sich auf diese Weise in maximalen Proportionen viel leichter erreichen lässt, was „den Anderen“ in jeweils gemäßigten Portionen wohltun würde in ihrem Leben, - an welchem er jedoch keinen Anteil zu nehmen vermochte und ihm deshalb nicht wichtig schien.


Auf alle Fälle war sicher, dass Nietzsche zur Zeit seiner „Morgenröte“ im Ringen um eine ihm angemessene, höchst „eigene Philosophie“ und ein superlativ eigenstes „Lehrgebäude“ für seine Überzeugungen und Wünsche, mit der Frage nach, um und überhaupt der ihm dazumal, 1880, in keinem Punkt zur Verfügung stehenden „Macht“ mit seiner Methode des Madig-Machens, nicht zu einer auf Dauer zu vertretenden „Lösung“ seiner Probleme gelangen konnte.  Dazu bedurfte es des bedingungslosen nur noch Ja-Sagens zu neuen Zielen, was ihm aber erst ab dem Sommer 1881 totz immer wiederkehrender Rückfälle zugänglich wurde.


Im Herbst des Jahres 1880, nach Marienbad, wieder gut 5 Wochen lang bei der Mutter in Naumburg untergekommen, notierte er sich, wie schon lange und eigentlich seit eh und je elitär „gefestigt“:  „Mein Ziel [das, was Nietzsches Sprachrohr „Zarathustra“ als seine innigstlich nicht von klaren Gedanken und Argumenten getrübte Lust verkünden sollte] ist nichts für Jedermann, deshalb ist es doch mittheilbar, der [des oder ihm?] Ähnlichen wegen sowohl als weil die Entgegengesetzten daraus Kraft und Lust gewinnen werden [denn er kannte keinen Unterschied zwischen seinen Interessen, die unbedingt auch die Interessen der Menschheit sein sollten, für die Er außerhalb jeden Maßstabes Lust verspürte, verantwortlich zu sein], sich ihr Wesen ebenfalls zu formuliren und in wirkenden Geist [wie Er das in seinem Gefühl menschheitlicher Vorbildhaftigkeit „tat“] umzusetzen.  Ich will allen, welche ihr Muster suchen, helfen [es ihm gleich zu tun!? - Sicherlich aber nicht auf ihre eigene, ihm gar widersprechende Weise!], indem ich zeige, wie man ein Muster sucht und meine [angeblich!] größte Freude ist, den individuellen Mustern [die von seiner Art Übermensch mit Sicherheit abweichen und damit seinem Unverstand unterliegen würden] zu begegnen, welche nicht mir gleichen. [Verbunden mit dem ehrlichen Fluch auf alle, die etwas anderes wollten!]

Hol’ der Teufel alle Nachahmer und Anhänger und

Lobredner und Anstauner und Hingebenden! 9.206

Die das, was ihm vorschwebte in jeder oder zumindest doch in einer Hinsicht auf unerträgliche Weise verfälschen würden!

Eine solche auf Dauer festgehaltene und auch erhalten gebliebene Notiz zeigt, wie sehr Nietzsche unter der „Unlust der Ohnmacht“ - was ja irgend eine Form der Anpassung verlangt, angeblich „gelitten“ hat und diesem abhelfend nun und ab jetzt auf eine gerade erkannte „Lust an der Macht“ als „gedankliche“ Lösung seines „Problems“ bauen wollte! - Wirkliche Macht jedoch hatte Nietzsche, außer einem übersteigerten Willen zu dieser, auch in seiner Art zu argumentieren, nie gehabt; - so, wie er seine philosophisch aussehenden „Gedanken“ außerhalb seines Fühlens nie mit einer rationalen Begründbarkeit,  mit einem vertretbaren Allgemeingültigkeits-Anspruch zu versehen vermochte, sondern diese nur seinem Wunschdenken entsprachen und der überragenden Bedeutung seines Seins und seiner unbegrenzten Wertschätzungen in dieser Welt!


3 Jahre später, ungefähr im Frühjahr 1880, gut 4 Jahre nach seiner abrupten und weitgehend endgültigen Abkehr von den zuvor so überaus hochgeschätzt „ewigen Wahrheiten“ Schopenhauers und in seiner Professorentätigkeit krankheitshalber bereits für überfordert erklärt und „frühpensioniert“, notierte Nietzsche sich einen „Gedanken“ - der wieder mal keiner war! - denn so, wie er da nun wurmstichig und anfechtbar-unbegründet steht, ist er nur eine verlegen vorgebrachte Behauptung, als wäre es schön, wenn es denn so, wie da beschrieben, auch tatsächlich wäre:

Was Dasein hat [also lebt!], kann nicht zum Dasein [in's Leben] wollen [damit zeigte Nietzsche, wie wenig er - allerdings noch mächtig von Schopenhauers „Denken umfangen“! - vom „Leben“ in größerem Zusammenhang, d.h. als Fähigkeit zum

„Umgang mit Informationen“

(siehe dazu oben, den Punkt „Die 5. Dimension“)

gewusst, geschweige denn „verstanden“ hätte, denn das „Wollen“, das seine Notiz nennt, gibt es nicht als ein vom „Leben“ abgelöstes Absolutum, sondern nur als Ausdruck bestehenden Lebens, sich zu erhalten.  Darin liegt bei Nietzsche auch die logische Verkürzung seines geglaubten „Gedankengangs“ und deshalb folgerte er unlogisch und zwangsläufig falsch, wenn er schrieb:]

was kein Dasein hat, kann es [das „zum Daseinwollen“] auch nicht [aufbringen, - klar, wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren, denn wo es kein Leben gibt, gibt es kein Wollen!] Also giebt es keinen Willen zum Dasein [was, in Hinsicht auf Schopenhauers Idee einer „Welt als Wille und Vorstellung“ für Nietzsche nicht mehr gelten sollte und somit eine verkürzte Argumentation gewesen ist, denn von Schopenhauer her waren Wille und Vorstellungen als grundlegend philosophisch vorhandene Funktionen verstanden worden, - mit dem gewünschten Ziel, den nicht mehr gelten sollenden Schopenhauer hier und auf diese Weise zu widerlegen. Deshalb behauptete Nietzsche nun:]

Es ist dies eine schlechte und widersinnige Wörter-Zusammenstellung.  Wohl wäre zu verstehen:  Wille zu einem längeren, oder höheren, oder anderen Dasein [was einen frühen Hinweis ergibt auf Nietzsches Bedarf an einem Freiraum für seinen Wunsch nach einem von ihm angeblich gedanklich erfundenen Übermenschen 3.14 und seinen Umwertungswillen bis zur Besessenheit!].

Wille ist die Vorstellung eines werthgeschätzten Gegenstandes [oder eher doch „Umstandes“?] verbunden mit der Erwartung, daß wir [und genau das sollte Nietzsche bald wollen!] uns seiner bemächtigen werden.  „Struggle for existence“? 9.71  [Kampf ums Leben! - Aber „das Leben“ noch in der primitiv-Form einer „Vorstellung vom Dasein“, - noch nicht sauber als eine weitere Dimension im Universum vom rein Physikalischen geschieden!]


Die 2. Erwähnung seines berühmt-berüchtigten „Willens“ - noch nicht zur Macht! - leistete sich Nietzsche nach Aufgabe seiner Professur und seinem bis dahin und wohl überhaupt gesundheitlich schlechtesten Winter 1879/1880, den er in ohnmächtigem Rückzug in die Obhut seiner Mutter, in Naumburg, verbracht hatte, im Sommer 1880, wo ihn, als er zur verzweifelten Erholung von seinen Kopfschmerzanfällen in Böhmen weilte und er in Marienbad einen ersten Anfall hoch- und „übersensibler“ Erlebnisfähigkeit erlitt, so dass er schreiben konnte, es wäre, mit seinem und durch sein Dort-sein im damals berühmten Marienbad:

gewiss hier seit Goethe [welcher Nietzsche für diesen Ort als superlativster Vergleichsgegenstand sehr gelegen kam!] noch nicht so viel [angeblich!] gedacht worden, [wäre! - wie durch ihn, Nietzsche!  Das auch noch in der Steigerungsform, womit Nietzsche de facto - man muss das nur wahrzunehmen verstehen! - Goethe unsinnigerweise dessen Normalität zum Vorwurf machte:] und auch Goethe wird nicht so prinzipielle [bei dessen Kuraufenthalten dort so grundsätzlich und hirnrissig fanatisch für die gesamte Menschheit absolut gültig zu sein habende krankhaft unrealisitische!] Dinge sich haben durch den Kopf gehen lassen.

 [Diese Aussagen über sich selbst beruhten nicht auf der Einsicht, warum Goethe sich derlei nicht gedacht hatte, sondern lagen - 1880 bereits! - weit jenseits - nicht nur des Erlaubten und Möglichen, sondern deutlich auch des nur Subjektiven darauf:] ich war über mich selber weit hinaus [weil er sich mit Dingen und Themen beschäftigte, die über jedermanns Fähigkeiten weit, weit hinausgehen und - eben aus diesem Grunde! - von keinem sich „normal“, aufgrund „gesunder Reaktionen“, verhaltenden Menschen - und eben deshalb auch von Goethe nicht! - als in seiner Verfügungsgewalt gelegen angesehen werden konnten und können!]. Einmal, im Walde, fixirte mich ein Herr, der an mir vorübergieng, sehr scharf [das bekam Nietzsche in seiner übertriebenen und hoch empfindsamen Selbstmittelpunktlichkeit, - weil es sich um eben diese drehte! - gerade noch mit!]:  ich empfand in diesem Augenblicke, daß ich den Ausdruck strahlenden Glücks im Gesichte haben müsse und daß ich schon 2 Stunden mit ihm herumlaufe.

[„Strahlendes Glück“ mit, in, über sich selbst!  Und nichts weiter!  Es hat sich um ähnliche seelische, aber noch milder ausgefallene Extrem-Zustände gehandelt, die - allerdings erst im Folge-Jahr 1881! - die seltsamsten „Gedanken an seinem Horizont 14.8.81  hatten aufsteigen lassen]. Ich lebe incognito [seinem Gefühl nach - das war, auch im Superlativ! - immer so!], wie der Bescheidenste aller Kurgäste [aber woher wollte er das als eine Tatsache, eigentlich so genau wissen?], in der Fremdenliste stehe ich als „Herr Lehrer Nietzsche“.  Es giebt viel Polen hier und diese - es ist wunderlich - halten mich durchaus für einen Polen, kommen mit polnischen Grüßen auf mich zu und - glauben es mir nicht, wenn ich mich [was auch nicht den Tatsachen entsprach, denn er war staatenlos] als Schweizer zu erkennen gebe.  „Es ist die polnische Rasse, aber das Herz ist Gott weiß wohin gewandert“ - damit verabschiedete sich einer von mir, ganz betrübt. 20.8.80

Das hatte dann zur absolut pathologischen und von Grund auf erlogenen Folge, dass Nietzsche von da an von einem in jeder Hinsicht wirklichkeitswidrigen Glauben, von ehemals ausgewanderten polnischen Edelleuten abzustammen, nicht mehr abzubringen war, was übrigens von der Schwester, wie etliches andere auch, zu einer bewusst unwahren Tatsache erhoben wurde, um an den Aussagen des Bruders nicht das geringste Tüpfelchen eines offensichtlich pathologisch zu begründenden Zweifels aufkommen zu lassen.

In jener Zeit basierte Nietzsches Vorstellung von Macht, nach der er sich sehnte, welche zu haben, darauf, Furcht einzuflößen, als er z.B. schrieb: „Furcht ist die Macht, von welcher das Gemeinwesen erhalten wird. 9.83

Von daher, aus diesem Gesichtswinkel und Zusammenhang heraus, liebte Nietzsche von da an die Eigenschaft des dynamitisch Furchterregenden als Mittel, groß zu erscheinen!


Zu jener Zeit notierte Nietzsche sich - unter vielem anderen auch, wohl als Rechtfertigungsversuch gegenüber der gesamten Menschheit:

Da die Moral eine Summe von Vorurtheilen ist [diese auf keine Weise zu rechtfertigende Pseudowahrheit ergab sich für Nietzsche daraus, dass er nicht anerkennen konnte und wollte, dass etwas unabhängig von seiner Existenz für die Menschheit als wahr und gültig gelten könne!  So kam er zu dem Fake-News-Schluss:], so kann sie [ganz einfach von jedem Toren auch?] durch ein Vorurtheil aufgehoben werden. 9.144

Die angesprochenen, von Grund auf falsch bezeichneten „Vorurtheile“ waren geschichtlich Urteile von Menschen für und über Menschen nach jeweiligem Kenntnisstand ihrer Zeit!   Nietzsche dagegen wollte deren Gültigkeit nun jedoch auf die Grundlage seiner Gefühle definiert sehen und er benannte sie als „Vorurteile“, die sich verschieben ließen und notierte sich:

Wodurch wird im Menschen das Gefühl unbändiger Machterhöhung hervorgebracht? Bra[h]manen [im indischen Kastensystem die Angehörigen der obersten Kaste, deren Vorrecht und Pflicht es war, Lehrer des Veda, d.h. „Gelehrte“ zu sein, die]:

sich mächtige Götter vorstellen und sich Mittel ausdenken, sie in seine [ihre?] Gewalt zu bekommen und als Werkzeuge zu behandeln.  [Zu unverstelltem, unbeschönigtem und wenig gewürdigtem Eigennutz! - aber eben im zeitgemäß guten Glauben, dass alles an sich Unverständliche in Gottes Verantwortung zu liegen hätte oder dort liegen könnte, d.h. müsste.]  (oder:  sich große Menschen in’s Gigantische vergrößern und dieselben als Vorstufen für sich selber hinstellen. 9.145


Das war, typisch für Nietzsche, in egozentrischer Vorbildhaftigkeit verkündet:

Die erste Wirkung des Glückes ist das Gefühl der Macht:  diese will sich äußern

1)  gegen uns selber   2)  gegen Menschen   3)  gegen Vorstellungen   4)  gegen eingebildete Wesen und Dinge. Vernichten, verspotten, beschenken. 9.146

Sowie:

Es ist das klügste, sich auf die Dinge zu beschränken, wo wir ein Gefühl der Macht erwerben können, das auch von Anderen anerkannt wird [woran echte Macht zu erkennen wäre!?  Nämlich an der Anzahl derer, die sich ihr unterwerfen?].  Aber die Unkenntniß ihrer selber ist so groß:   sie werden durch Furcht und Ehrfurcht auf Gebiete fortgerissen, wo sie nur durch Illusion ein Gefühl der Macht haben können.  Reißt der Schleier, so giebt es Neid. 9.148f


Derzeit „dachte“ er mit gleichem „Recht“ auch:

Der Intellekt [Nietzsches, denn er sprach wieder nur von sich selber!] ist das Werkzeug unserer Triebe und nichts mehr, er wird nie frei [nie von der Logik im „Umgang mit von außen auf uns eindringenden Informationen gelenkt?].  Er schärft sich [ohne Bezüge auf etwas außerhalb von sich selbst?] im Kampf der verschiedenen Triebe, und verfeinert die Thätigkeit jedes einzelnen Triebes dadurch [was ein ausgemacht-unphilosophisch stümpernd triebhafter Nonsens gewesen sein dürfte!].   In unserer größten Gerechtigkeit und Redlichkeit ist der Wille nach Macht, nach Unfehlbarkeit [und gottgleicher Idealität?] unserer [d.h. seiner?] Person:  Skepsis ist nur in Hinsicht auf alle [außerhalb seines Ichs ruhender?] Autorität, wir wollen nicht düpirt [getäuscht, übertölpelt, gefoppt] sein, auch nicht von unseren Trieben!   Aber was eigentlich will denn da nicht?   Ein Trieb [der da natürlich „Glaube“ und „felsenfeste Überzeugtheit“ heißen würde und ohne das geringste Nachdenken auskommen müsste?] gewiß! 9.229

So einfach schien ihm das mit den allzu mächtig eingeschätzten und eingesetzten „Trieben“ zu sein!


Da befand sich Nietzsche in und auf seiner Suche nach eigenständigen Aussagen noch im Stadium seiner „Morgenröte“, deutlich vor seinem „Erweckungserlebnis“ 1881 in der Gegend des „Nietzsche-Steins“ nahe Surlej an den Silser Seen und stellte sich auf seine Weise vor, wie es wohl wäre, ein Mann mit völlig eigenen, allem Bisherigem maßlos widersprechend betriebenen und anerkannten Ansichten zu sein? - Unter diesem Gesichtpunkt stellt die „Morgenröte“ eine Phase der „philosophischen Haufenbildung“ dar, - vor dem Durchbruch zur sich da weit abgeklärter gebenden „fröhlichen Wissenschaft“, in der er überzeugt davon war, die eigentlichen Wahrheiten und Visionen seines Lebens endlich gefunden zu haben und zu vertreten.

 

Wenige Seiten weiter notierte er sich im Herbst 1880:

Sobald wir den Zweck des Menschen bestimmen wollen [denn das wollte er, im Vollbesitz seiner angeblichen „Erkenntnisse“!  Bestimmen!  Wie es nun im 1. Aphorismus der „fröhlichen Wissenschaft“ steht, - ohne einen geringsten Skrupel darum, was das für eine gott- und nächstenlieblos vermessene Absicht war!], stellen wir [nach nur unseren eigenen Vorstellungen] einen Begriff vom Menschen voran.  Aber es giebt nur Individuen, aus den bisher bekannten kann der Begriff nur so gewonnen sein, daß man das Individuelle [einfach für alle?] abstreift, -  also den Zweck des Menschen aufstellen [als ob es irgendwo beschlossen wäre, dass der Mensch einen solchen - typisch menschlichen? - zu haben hätte! - das] hieße die Individuen in ihrem Individuell werden verhindern [zu müssen?] und sie heißen, allgemein zu werden.  Sollte nicht umgekehrt jedes Individuum der Versuch sein, eine höhere Gattung als den Menschen zu erreichen [irgend etwas, für das noch alle Begriffe fehlten?  Hauptsache etwas, das hinausging über die bisherige, ihm bekannt gewordene und so verhasste Tatsächlichkeit innerhalb welcher er selber praktisch nicht sonderlich zählte?!], vermöge seiner individuellsten Dinge?   Meine Moral wäre die, dem Menschen seinen Allgemeincharakter immer mehr zu nehmen und ihn zu spezialisiren, bis zu einem Grade unverständlicher für die Anderen zu machen (und damit zum Gegenstand der Erlebnisse, des Staunens, der Belehrung für sie) 9.237 [und damit ihrer gegenseitigen Vereinsamung auch!] 

All das als sein übermenschliches Verdienst!  So, wie Nietzsche immer über das eigentlich Selbstverständliche erstaunen musste, sich aber schwer tat, mit dem auch für andere Geltendem praktisch zurecht zu kommen?


Es war dann nicht die „Morgenröte“, welche Nietzsche mit seinen „Gedanken“, d.h. Einfällen zum „Zweck des Menschen“ fortsetzen sollte, sondern erst nach einer weiteren Zeit der Enthemmung, d.h. nach den „geistig-unverantwortlichen“ Aufwallungen in den Engadiner Höhen im Sommer 1881, wo an Nietzsches geistig letzten Endes doch sehr begrenztem Horizont erst seine dürftigen „wahren“ Gedanken aufsteigen sollten.  Da erst fand er sich, enthemmt und mutig genug, in aller Öffentlichkeit seine Vorstellungen von den Lehrern vom Zweck des Daseins“ bekannt zu geben, - denn es musste bei ihm mehr sein, etwas Höheres, „über ihn hinaus!“ Ragendes.  So schrieb er in Sehnsucht nach Selbsterhöhung im Herbst 1880:

Das höchste [alle normalen Maße vermissen lassende] Todesziel der Menschheit [das in jedem Fall doch zeitlich weit außerhalb seines Erlebnishorizontes liegen würde und auf das er keinerlei Einfluss würde haben können! - in also vollster Sinnlosigkeit!] auszudenken - irgendwann wird sich die [völlig irrelevante und ihm nicht gestellte] Aufgabe darauf concentriren [daran wollte er glauben, dafür auch geradestehen?]  Nicht leben, um [nur?] zu leben. 9.270

Wie alle anderen auch, weil ihnen - in ihrer Realität! - gar nichts anderes übrigbleibt als zu leben und sich dies auszufüllen, ein jeder auf seine Weise mit dem, was einen jeden besonders bedeutsam und angemessen erscheinen würde! - wie bei ihm selbst!

Er liebte solche extrem diesseitig wirkenden, aber dennoch voll spekulativen Jenseitigkeits-Zwecke, - gar als moderne Philosophie?  Als Lehrer und Belehrer der Menschheit sah Er sich in diesen maximale Grenzen strapazierend überzogenen Perspektiven, wenn er sich auf klug-scheißerige Weise mit etwas beschäftigte, was über jedermanns Fähigkeit und Zuständigkeit weit, weit hinausgehen musste!  Und das nur unter der höchst fragwürdigen Forderung eines „moralischen Gesetzes“:

Immer so handeln, daß wir mit uns zufrieden sind [was weniger an den Handlungen, als vielmehr an der „erlebenden Stimmung“ des Beurteilenden, wie beispielsweise eines jeden Verbrechers liegt und hier nun „logisch“ und philosophisch festgemacht sein sollte! - Später dann sollte aus dieser Grundhaltung „dass wir mit uns zufrieden sind“ die Lust werden, dass wir das Gewollte ewig immer wieder wollen sollen! - Was war das für eine Moral, die ohne „die Anderen“ praktisch nicht gelten konnte!?] - da kommt es auf die Feinheit der Wahrhaftigkeit gegen uns selber [aber auf keinerlei neutralisierenden, nach außen gerichteten Bezug?] an.  Zweitens auf den Maaßstab, mit dem wir messen.  Ein gutes Gewissen kann also ein sehr starkes Anzeichen von Gemeinheit und intellektueller Grobheit sein:  ein schlechtes Gewissen von intellektueller Delikatesse.  Wenn die Anderen mit uns nicht unzufrieden wären, und nicht Vieles schief abliefe, so wäre die Zufriedenheit mit sich selber die Regel [was so nur unter unbedingtem Ausschluss jeglicher Logik und an der Realität eines jeglichen „Miteinander-auskommen-müssens vorbei formuliert werden konnte!].


Die unerwarteten unangenehmen Nachwirkungen stören diese Zufriedenheit:  beim Unangenehmen suchen wir nach einer Entladung unseres Rachegefühls und treffen damit zumeist uns selber.  Das Mißgeschick ist es, das dem Menschen sein böses Gewissen giebt „es hätte anders sein können“.  Da tadeln wir uns und schätzen unseren Scharfsinn und unsere Absichten gering.  Wären wir nicht M<enschen> der Rache [sind wir das, in aller Ausführlichkeit und Unbedingtheit?], so wären wir viel zufriedener:  wie es im allgemeinen die Frauen sind, da in diesen das Rachegefühl nicht so stark ist. - [Was sich allenfalls als ein billiges und verlegen hervorgekramtes Vorurteil akzeptieren ließe!]

Das Gewissen wird also durch den Erfolg bestimmt:  es verurtheilt nachträglich die Absichten, ja es verfälscht nachträglich die Absichten:  die ganze Unmoralität und Unredlichkeit eines Menschen zeigt sich in dem Prozesse, den ihm sein Gewissen macht [oder, enthemmt genug auf sich selber bezogen, in Hinsicht auf „die Anderen“! - eben auch nicht mehr macht!?].  Das schlechte Gewissen ist ebenso wie das gute Gewissen eines Menschen so dumm, verleumderisch oder lobrednerisch schmeichlerisch bequem - als der ganze Mensch ist [der unbedingt Wert legt auf eine „selbstbestimmte“ Zweierlei-Maß-Moral] Man hat [ohne Bezug auf etwas außerhalb der eigenen Person nur] ein [parteiisches] Gewissen nach seinem Niveau. 9.275

Herrlich! - Was auch und in erster Linie für Nietzsche gelten sollte und musste ! - Selbst wenn das Meiste davon eben nur preiswerteste Klischees waren, welche unbegründete Vorurteile mit nützlichen Vorteilen versprachen.


1)  Es ist so schwer den Menschen wehe zu thun!  O daß es nöthig ist [denn er meinte, von ihm aus, dass es das wäre!  Aber warum?]!  Was nützt es mir, mich [im großen Stil?] zu verbergen, wenn ich nicht für mich behalten will [und kann!], was den Menschen Ärgerniß giebt? 9.295

Nämlich sich darüber auszulassen, was ihm in der ihm unverständlich und damit unsinnig erscheinenden Welt richtig, d.h. auf seine Maße und Nöte ausgerichtet, darzustellen ist: Das war es, was ihn bewegte! Damit ging er um und davon konnte er nicht lassen, um groß und größtmöglichst herauszukommen aus seiner neurotisch-sündhaft-begierigen Haltung so bedeutend zu sein, dass alle Welt auf seinen Namen hin - statt auf die bisherigen oder auf fremde Götter, speziell aber den christlichen Gott! - die alle nicht viel oder gleich viel bringen, wenn man fürderhin auf ihre Namen die höchst-falschen Gelübde ablegen sollte, - und das gefälligst für die nächsten Jahrtausende, das wollte Nietzsche, wie mehrfach belegt, sich und seiner Genialität doch vorbehalten sehen!


Ein weiteres Beispiel dafür, dass Nietzsche auf seinem Weg zum selbst-eigenen „Gott-sein“ nicht klar, folgerichtig und auch nicht frei von psychischen Voreingenommenheiten, die ja bei ihm die Grundlage von alldem darstellten, „denken“ konnte, lieferte er überzeugend in seiner nachgelassenen Notiz:

Der Raum von drei Dimensionen [also das Erlebnis von Höhe, Breite und Tiefe?] gehört in die Vorstellung [aber warum? - Waren diese 3 Dimensionen für ihn etwa nicht realiter vorhanden und gegeben? - nutzbar gewesen?], ebenso wie die Bewegung, die dritte Dimension [warum ausgerechnet diese, eine eigene für die Bewegung, die doch keine „Dimension“ sondern nur die Veränderung der Koordinaten im Raum darstellt? Und welche der 3, Länge, Breite oder Höhe sollte diese angeblich 3. schließlich sein? - Und was/welche davon] vollendet sich nur in der Zeit“.  Wir binden Flächen [also 2 Dimensionen, die Länge und die Breite also nur] zu einer Einheit, die uns nach einander sichtbar werden.  Wir selber als erkennende Wesen sind eine immer neue rotirende Kraft und bringen so ein Nacheinander hervor, auch bei festen [also unbewegten?] Objekten.  Wir sind die Bewegten, welche sich um die Dinge bewegen;  wir stehen nicht still [und was ist mit den beiden anderen von insgsamt 4, die von seinem weiteren spekulativem „Denken“ ausgeschlossen blieben?  Angeblich, nach Nietzsches Logik, gälte mal wieder] das Umgekehrte ist wahr von dem, was der Augenschein ist. 9.304 [damit er mit sich als Erfinder von Neuem zufrieden wäre?]

Mit alldem bewies Nietzsche nur, dass er keine Ahnung hatte, von dem, worüber er seine unsachgemäß eingesetzen Worte verschwendete.


Diese verwildert dümmliche und vollendet unlogisch begründete Leugnung der schließlich und immerhin physikalischen 3 Dimensionen - ein Bewusstsein von deren 4 gar unter Berücksichtigung der auch physikalisch wirksamen Zeit, lag bei Nietzsche weit über dem, was man von ihm erwarten durfte! - Da ging bei Nietzsche alles durcheinander und drunter und drüber, sowohl die „Dimensionen“ als auch die Folgerichtigkeit einer nachvollziehbaren Logik:  In einer fundamental-wahnwitzigen Abwehr gegen das, was nun einmal tatsächlich und physikalisch - ohne sein Zutun aber auch ohne sein Verständnis! - vorhanden ist.  So wurde hier rebelliert und eine irre Alternative geboten, die für niemanden, der denken kann, haltbar ist!


Was verbirgt sich in der Notiz, die Nietzsche Ende 1880, zum ersten Mal für 4 Monate lang in Genua angekommen, formulierte?

Diesen Gedanken [an welchen dachte er da?  Ende 1880 tastete und suchte er noch unentschlossen, unsicher, ohne eigentlich feste Überzeugungen und noch nicht enthemmt genug, sich dafür zu entscheiden, dass er selber die einzig legitime Instanz wäre, die es für ihn geben würde und könnte, denn das „Erweckungserlebnis“ des Sommers 1881 an den hoch gelegenen Silser Seen, stand noch aus, d.h. die ihm dort „an seinem Horizont aufsteigenden Gedanken 14.8.81 waren ihm noch unbekannt!  Und diesen vielen, ihm noch unbekannten Gedanken] muß ich nachfolgen, Tag und Nacht:  sie überfallen mich in meinen Träumen.  Ich bin nicht unter den wüthensten [immer wiederkehrenden schlimmen und schlimmsten märtyrernden anfallweisen Kopf-]Schmerzen vor ihnen sicher gewesen.  Es giebt kein Band der Sympathie, welches nicht zerrisse, sobald diese Unerbittlichen [Wahn-Einflüsse, letzten Ende?] ihre Hand daran [an ihn, an die Funktionsfähigkeit seines Kopfinneren!] legen [und ihn diese ihn würgenden Schmerzanfälle zu ertragen zwangen!].  Es ist ein trauriges, erhebendes und süßes Ding [der zwar irren, aber unglaubliche geistige Höhenflüge vortäuschenden Umstände] um dieses Verstricktsein - ich zweifle [und das gehörte zu seinem viel-geübten Trick, sich eigene Defizite in Begnadigungen und Begabungen umzudeuten], ob vielen Menschen das Leben so bejahungswert erschienen ist [auch an dieser Stelle - zeitlich noch vor Ende 1880! - wollte Nietzsche sich als unvergleichlich dargestellt sehen, als einmalig, von niemandem erreichbar und jedermann wenigstens haushoch überlegen!], umhüllt von tiefem melancholischen Feuer und Rauche. 9.318

Ohne aber zu verraten, um welche Themen es sich konkret gehandelt hat.  Dazu gehören, typisch für sein unsicheres Tasten und Suchen nach maximal ewiger Endgültigkeit, Notizen wie:

Ist denn kein Ausweg [nirgends eine höhere Art „Schulgesetz“ mit dem er seine „eigenen“ Wünsche ummanteln konnte?]!  Nirgends ein Gesetz welches wir nicht nur erkennen, sondern auch über uns [als gültig? an-]erkennen! 9.327


Und in einem weiteren Bekenntnis der „Haufenbildung“, wie es Ende 1880 „geistig“ um ihn stand, notierte er:

Es kommt in der Wirklichkeit nichts vor, was der [d.h. aber hier nur seiner ziemlich defekten!] Logik streng entspräche. 9.327   So erging es ihm!  Was aber an seiner eigenen Unfähigkeit, klar zu denken lag und führte wenige Seiten weiter zu der Notiz:

das Princip „das Wohl der Mehrzahl geht über das Wohl der [bei ihm nicht vorhandenen, nicht „zählenden“] Einzelnen“ genügt um die Menschheit alle Schritte bis zur niedersten Thierheit zurück [zum Beispiel bis zur Qualle, zum Ursprung?] machen zu lassen.  Denn [und da schlug Nietzsches Lust zur Umwertung wieder zu!] das Umgekehrte  („der Einzelne mehr werth als die Masse“  [das waren die von ihm so missachteten vielen „Anderen“!]) hat sie erhoben 9.334

Er war mit solchen Tiraden aber noch weit entfernt von handfest tragenden, nach „echter“ Philosophie aussehenden Äußerungen!


Das Folgende war bei ihm vor allem verbunden mit seiner Lust:

Etwas zu schreiben, das in ein paar Jahren alle Bedeutung verloren hat - das wird mir unmöglich, mir vorzustellen [das wollte er bzw. sein übermächtiger Trieb namens Ehrgeiz nicht].  Es ist wohl ein Zeichen von Beschränktheit.  Denn alles, was ich selber überlebe, gilt mir immer noch wichtig als Denkmal eines Zustandes, der mir werthvoll war.  Ich wünsche mein Alter umringt von solchen Denkmälern. 9.335  Von solchen unübertroffenen, ihn überdauert habenden und allesamt für Jahrtausende gelten sollenden Ruinen, auf denen sich nichts Neues bauen lässt?!

Genau das sieht man dem heutigen Zustand seiner „fröhlichen Wissenschaft“ als dem Schutthaufen für das, was eigentlich, zu großen Teilen, in „morgenrötlicher“ Fortsetzung erdacht und entstanden war, noch unmissverständlich an.  Der Bezugspunkt für all seine Wertungen war immer nur er selber.  Für ihn gab es halt keinerlei außerhalb seines Ichs stehende Instanz, die für ihn irgendeine logisch nachvollziehbare Bedeutung gehabt haben könnte:

Seltsam!  Ich werde in jedem Augenblick von dem Gedanken beherrscht, daß meine Geschichte nicht nur eine persönliche ist, daß ich für Viele etwas thue, wenn ich so lebe und mich [fest in seine Emerson-Fesseln eingebunden?] forme und verzeichne:  es ist immer als ob ich eine Mehrheit wäre, und ich rede zu ihr traulich-ernst-tröstend 9.339

Das alles war sehr beeinflusst von einer Schrift, die Nietzsche - beharrlich an der Wahrheit vorbei! - zu kennen leugnete, um nicht als Plagiator verkannt zu werden.  Dabei ging es um die Veröffentlichung eines Sonderlings unter dem Namen Max Stirner (1806-1856), dessen 1850 erschienenes 400-seitiges Werk

Der Einzige und sein Eigentum

der Zensur in Bausch und Bogen nur mit der Begründung entging, entfleuchte, entschlüpfte, dass es unter denkbaren Lesern eh niemanden geben würde, der so viel (Nietzsche vorwegnehmenden) „Solipsismus“, so viel egozentrische Bezogenheit ausschließlich auf sich selbst als einzige Wirklichkeit wirklich ernst und für voll nehmen würde.


Ebenso suchend noch zeigt sich Nietzsches Notiz von Ende 1880:

Ich finde an nichts genug Freude - da fange ich an, mir selber ein Buch nach dem Herzen zu schreiben. 9.342

Was übrigens wie „die Faust aufs Auge“ für jedes seiner Bücher passt! - Sie waren alle einzig und allein nur auf die Rechtfertigung seines jeweiligen „Seins“ und Sich-„Fühlens“ angelegt und entstanden!  Und zwar seines Seins und Fühlens vor allen Anderen!  Sich auch und unbedingt vor diesen hervorzutun!

 

Dieser Gang ist so gefährlich!  Ich darf mich [im Zuge einer gelegentlich selbstkritischen Anwandlung?] selber nicht anrufen, wie ein Nachtwandler, der auf den Dächern lustwandelt, [ohne Zwang sich seiner Lust hingibt und zu nichts gezwungen?] ein heiliges Anrecht hat, nicht bei Namen genannt zu werden. „Was liegt an mir!“ dies ist die einzige tröstende [zu ihm wirklich passende] Stimme, die ich hören will. 9.344


Ich erinnere mich kaum noch der Zeit, wo ich Gewissensbisse hatte [denn die sind ihm im Zuge seiner voranschreitenden Enthemmung immer mehr, bis zuletzt so gut wie völlig, abhanden gekommen!].  Zwischen meinem Träumen und meinem Wachen ist fast Gleichgewicht:  nur daß meine Narrheiten in den Handlungen des Traumes und mehr in den Gedanken des Tages hervortreten - doch in gleicher Art.   Auch denke ich viel in den Träumen, und nicht viel vernünftiger als jetzt. 9.349


Ebenso notierte er sich:

Die Vorstellung, daß etwas Fürchterliches an uns gekettet ist, [an Ihn, im Pluralis Majestatis, dieses Gefühl, das ihn nach bevorrechteter Ober-Meisterei vor allen Freigeistern immer beschlichen hat!] färbt alle Empfindungen um.   Oder:  ein verbannter [oder nur Verkannter?] Gott zu sein, oder Schulden früherer Zeiten [die als Irrtümer, als „Vorurteile“ von seinen stets für dumm erachteten „Vorgängern“ sanktioniert wurden und Geltung erhielten] abzubüßen [denn es gibt viele Belegstellen dafür, dass er in dem Glauben lebte, das gesamte immer schon mit Wahnsinn unterlegte „Wissen der Welt“ nach dem Maß seiner Gefühle korrigieren, d.h. umwerten zu müssen, was ihn psychisch fraglos auf erhebliche Weise belastet hat und ihn zu dem Eindruck getrieben haben musste, dass erst mit Ihm die „Vernunft“ in die Welt gekommen wäre!].

Alle diese schrecklichen Geheimnisse um uns - [um ihn im pluralis majestatis!] machten uns vor uns sehr interessant!  aber ganz egoistisch!   Man konnte und durfte nicht von sich wegsehen!  Das leidenschaftliche Interesse für uns verlieren und die Leidenschaft außer uns wenden, gegen die Dinge (Wissenschaft)  ist jetzt möglich.  Was liegt an mir! [gegen den Rest der Welt, trotz allem?]

Das hätte Pascal [Blaise Pascal, 1623-1662, ein französischer Mathematiker, Physiker, Literat, Mystiker und christlicher Philosoph, der eine Apologie, eine Rechtfertigungsschrift des Christentums entwarf und knapp eine Generation jünger war als René Descartes und das oben in seinem Namen Angeführte] nicht [von sich hätte?] sagen können. 9.349  Denn alles, was die Welt betraf lag bei und in Nietzsche - in seinem schwer zu durchschauenden Chaos!


Was ich an mir vermisse [in vollstem Ernst?]: jenes tiefe Interesse für mich selber [oder beschlich ihn dieses Gefühl nur, weil es verdeckt war von seinen alles andere unterdrückenden Überzeugtheiten? - was nur ein weiterer Verweis darauf gewesen wäre, mit welch selbstkritikloser Maßlosigkeit er alles betrieb!]  Ich stelle mich zu gerne außer mir heraus [ins Allgemeingültige und dieses vertretend!] und gebe allem zu leicht Recht, was mich [und seine Gefühle!] umgiebt. Ich werde schnell müde, beim Versuch, mich pathetisch zu nehmen [denn er nahm sich nicht pathetisch, er war pathetisch! - durch und durch, mit dem freimütigen und sich im Nachhinein bestätigenden Geständnis:] Ich habe nie tief über mich nachgedacht. 9.358

Über sich selbst - nachgedacht?  Das hatte er nie!  Er hat immer nur an sich, aus sich selbst heraus „gedacht“ und seine „Erkenntnisse, die keine waren“ aus sich gezogen, ohne die geringste Distanz zu seinem „Selbst“!  Und das nicht nur über sich selbst, sondern überhaupt nirgends in seinen Wortgebäuden in irgendeiner Konsequenz!

Was er suchte war das reine Gewissen, den eigenen Vorteil, den Nutzen aus dem, was er vorzog, für richtiger als das Bestehende zu halten?  Weil das allein dem Wissenden, dem Propheten einer neuverfassten Welt überlassen sein sollte!

Seine Formulierung der „jetzt wirklichen Welt“ bewies übrigens, wie betont wenig „die Anderen“ bei ihm eine Rolle zu spielen hatten!


Die ganze Tyrannei der Zweckmäßigkeit der Gattung einmal darzulegen!  Wie!  Wir sollten sie gar noch fördern?   Sollten [wir?] nicht vielmehr dem Individuum soviel nur möglich zurückerobern?  Alle Moralität soll darin aufgehen:  was vererbbar auf die ganze Gattung ist, soll den Werth ausmachen? - Sehen wir doch auf die zufälligen Würfe hin, [von denen er, genauer besehen, doch auch nur einer war - ein zufälliger Wurf, mehr nicht! - Allerdings einer, der sich anmaßte, es besser zu können als es evolutionär bisher gelaufen war - und zu den „zufälligen Würfen“], die dabei vorkommen müssen - ob da nicht manches vorkommt, was dem Gattungs-Ideal, gesetzt es werde einmal erreicht, zuwiderläuft! 9.456f

Letztendlich wäre wohl Nietzsches „Sonderexistenz“ in dieser Gedankenfolge, die davon ausging, dass Einer immer Keiner 3.370  und also nur als ein möglicher weiterer Defekt zu bewerten sei!


Wer das Schöne nicht erreicht, sucht das Wilderhabene, weil da [im Extremen] auch das Häßliche seine „Schönheit“ zeigen darf.  Ebenso sucht er die wilderhabene Moralität. 9.459

Auch da hat die zutiefst ästhetizistisch und wild erhaben veranlagte Selbstmittelpunktlichkeit Nietzsches sich - in Superlative verliebt! - nicht zurückhalten können, sich für grundsätzlich gültig zu erklären!


Welches sind die tiefen Umwandlungen, welche aus den Lehren kommen müssen, daß kein Gott für uns sorgt und daß es kein ewiges Sittengesetz giebt [in seiner Egozentrik musste Nietzsche ohne Gott, ohne die Moral einer höheren Instanz“, zurückfallen in die primitivste „Moral“ des gegenseitigen Fressens und Gefressenwerdens, denn ihm fehlte bis in seinen tiefsten Grund der Respekt vor den „anderen Menschen“, die er nicht als seinesgleichen anerkennen wollte und konnte, um seine mühsam, dünn und zweifelhaft gerechtfertigte Vorrangstellung vor ihnen, „den Anderen“, nicht aufgeben zu müssen!

Deshalb auch sein respektlos-flegelhaftes Unverständnis für die Leistung von Immanuel Kant (1720-1804), den er, von seinen Anhängern vielfach unterstützt, gewagt hatte, „als größtes Unglück der neueren Philosophie 13.536 zu verunglimpfen, weil er den Gott nicht, wie Nietzsche, ersatzlos aus seinen Wertungen und Moralvorstellungen herausgestrichen, sondern ihn ersetzt hatte: Durch ein ebenbürtiges Maß, nämlich „die Anderen“, mit gleichen Rechten versehenen Menschen, genau so zu achten, wie sich selbst! - Das aber war an Nietzsches Verständnis unbemerkt - oder als ihm unzumutbar gar? - vorbeigegangen und so schloss er auf eine] (atheistisch-unmoralische Menschheit)? [Und lieber darauf,] daß wir Thiere sind?  daß unser Leben vorbeigeht?  daß wir [ohne einen Prügelknaben zu haben, dem wir unsere ausbleiben sollende Verantwortung zuschieben können und deshalb] unverantwortlich sind?  der Weise und das Thier werden sich nähern und einen neuen Typus ergeben! 9.461

Daran wollte Nietzsche in seiner logischen Naivität, gepaart mit seiner Selbstsucht und seiner haarsträubenden Verantwortungslosigkeit, glauben!  Warum? - Um auf diese Weise getrost bei der Version seiner unübertrefflichen eigenen Überlegenheit über alle und jeden bleiben zu können!  Das war sein einziger Grund, denn ohne diesen wäre er de facto in nichts mehr oder wertvoller oder besser als „alle Anderen“ gewesen.  Auf jeden Fall jedoch war er nicht, wie er meinte, der Vorbildcharakter für den er sich gefühlsmäßig hielt!


Unter der Überschrift „neue Praxis“ beschrieb Nietzsche daraufhin, irgendwann im Frühjahr bis Herbst 1881 und typisch für ihn auf seine Weise seine just geltenden Vorstellungen einer gültig sein sollenden Moral:

Den anderen Menschen zunächst wie ein Ding, einen Gegenstand der Erkenntniß ansehen [ohne die geringste Ahnung um die Mangelhaftigkeit seiner eigenen Erkenntnisfähigkeit zu haben!], dem man [dennoch aber] Gerechtigkeit [welche nach wessen Gesetz und woran orientiert? - außer an der Willkür eigener Vorteilsnahme?] widerfahren lassen muß: die Redlichkeit [von wem jeweils?] verbietet, ihn zu verkennen, ja ihn unter irgend welchen Voraussetzungen zu behandeln, welche erdichtet und oberflächlich sind [und doch lief es bei ihm genau darauf hinaus:  Weil Er überzeugt war, dass seine Meinung als die einzig richtige - aber nirgendwo außerhalb seiner „Macht“ verankert gewesene! - Moral anzusehen wäre!]. Wohlthun ist dasselbe, wie eine Pflanze sich in’s Licht rücken [was eine geradezu zynisch selbstsüchtige Aussage war!], um sie besser zu sehen - auch Wehethun kann ein nöthiges Mittel sein, damit die Natur sich enthülle.  Nicht Jeden als Menschen behandeln, sondern als so und so

beschaffenen [aber von wem beurteilten?] Menschen [mit mehr oder weniger vorteilhaften Eigenheiten bedachten, aber fremdbestimmt beurteilt nach Nietzsches Idealvorstellungen, also in Relation zu seiner Existenz und wie Er sich einzuschätzen beliebte!]

Menschen:  erster Gesichtspunkt! [ansehen] als etwas, das [ausgerechnet nach Nietzsches „Regelwerk“ beurteilt und] erkannt sein muß, bevor es so und so [aber immer nach dem Urteil eines subjektiv auf seine eigenen Zwecke hin orientierten Betrachters und wie ein Schlachtvieh ohne Rücksicht auf dessen eigenen Willen?] behandelt werden kann [aber dazu doch einer tragfähigen „moralisch zu nennenden“ Berechtigung bedarf!] Die Moral mit allgemeinen Vorschriften [aber welchen sonst? - Etwa nach irgendwelchen „menschlichen“ oder gar „allzumenschlich-korrupten“, herrscherlichen oder sklavischen Sondererwägungen zu Nietzsches Gunsten?  Sie] thut jedem Individuum Unrecht.  Oder giebt es Mittel der Vorbereitung der Erkenntniß, die auf jedes Wesen zuerst anwendbar sind, als Vorstufe des [von wem erlaubter Weise aber mit wem auszuführenden?] Experimentes? - Wie wir mit den Dingen [und Menschen?] verkehren, um sie zu erkennen, so auch mit den lebenden Wesen, so mit uns. - Aber bevor wir die Erkenntniß haben oder nachdem wir einsehen, daß wir sie nicht uns verschaffen können, wie dann handeln?  Und wie, wenn wir sie erkannt haben? - Als Kräfte für unsere Ziele [eindeutig also zu irgendjemandes Zweck und Nutzen!] sie verwenden - wie anders?   So wie es die Menschen immer machten (auch wenn sie sich unterwarfen:  sie förderten ihren Vortheil durch die Macht dessen, dem sie sich unterwarfen) [was jeweils in wessen Macht gestanden hat, da es stets um bloße Gewalt gegangen ist?] - Unser Verkehr mit Menschen muß darauf aus sein, die vorhandenen Kräfte zu entdecken, die der Völker Stände usw. - dann diese Kräfte zum Vortheil unserer Ziele zu stellen (eventuell sie sich gegenseitig vernichten lassen, wenn dies noth tut). 9.464f

Und nirgends dazwischen - einmal zumindest! - die Frage, was nach dieser Doppelmoral „die Anderen“ von ihrem und für ihr Leben erwarten dürfen?  Und warum?  Auf die Art z.B. wie Er das für sich selber ohne Maß und Grenze in Anspruch nahm?

Irgendwo und wie leuchtet noch heute hinter dieser Art von Texten hervor, wie man umgegangen ist mit namenlos vielen „Anderen“ in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur, die ja nicht völlig ohne Nietzsches „Geist“ zum Tragen gekommen war und zu einem Gutteil noch ist und auch immer wieder dazu neigen wird, so zu sein.


Neu: die [immer an nicht zwangsläufig ideale Individuen gebundene] Redlichkeit [von wem?] leugnet den Menschen, sie will [d.h. aber!  Er wollte] keine moralische allgemeine Praxis, sie leugnet gemeinsame Ziele.  Die Menschheit ist die Machtmenge, um deren Benutzung und Richtung die Einzelnen conkurriren.  Es ist ein Stück Herrschaft über die Natur [und über „die Anderen“]: vor allem muß die Natur erkannt, dann gerichtet und benutzt werden. - Mein Ziel wäre wieder die Erkenntniß?  eine Machtmenge in den Dienst der Er<kenntniß> stellen? 9.465

Das war eine feine Moral, in der Nietzsche sich als - allerdings nicht davon betroffener! - Gott, Verwalter - oder gar Lagerkommandant? - sah, - über dem Rest der Welt!

Da war sein Ziel so gut wie erreicht, es fehlte nur noch „Zarathustra“, mit und durch den das gänzlich logikfrei eigennützige Phantasie-Gebäude in einem diskutablen Rahmen darzustellen war!  Diese Seiten von Nietzsche, diese rechtsradikalen reinen, sklavenhalterisch-ungeschminkten „Junker-Tugenden, sind viel weniger bis gegenwärtig eher gar nicht bekannt, wenn jemand Nietzsches „geistiges Format“ hochjubelt und meint, in derlei Wahrheiten finden zu können, welche aber, um als solche gelten zu können, durch Gültigkeit für alle in gleichem Maße glänzen müssten.


Herrliche Entdeckung: es ist nicht alles unberechenbar, unbestimmt!  Es giebt Gesetze, die über das Maaß des Individuums hinaus wahr bleiben!  Es hätte ja ein anderes Resultat ergeben können!

Das galt für ihn, der sich beharrlich weigerte, das Gesetz anzuerkennen, dass es keine Institution gibt, die Ihn bevorrechtigen würde, vor den anderen Menschen als etwas Wichtigeres aufzutreten, als es „die Anderen“ sind und sein können, denn Er war genau so vergänglich wie all „die Anderen“, auf die er sich gewöhnt hatte, eitel und zutiefst elitär von sich selbst eingenommen herabzublicken!

Das Individuum nicht mehr als die ewige Sonderbarkeit und ehrwürdig!  Sondern als die complicirteste Thatsache der Welt, der höchste [aber wegen der in diesem enthaltenen Defizite auch unbedingt zur Regel werden sollender und erstrebbarer?] Zufall. [?]

 Wir [Nietzsche im pluralis majistatis!] glauben auch an seine [des Zufalls, aber nicht definierbare!] Gesetzmäßigkeit, ob wir sie schon nicht sehen. - Oder?   Als entzogen der Erkennbarkeit, aber ein Mittel der Erkenntnis, auch Hinderniß der Erkenntniß - nicht verehrungswürdig, etwas dubiös! 9.469

So war es unsicher notiert, weil ihn das beschäftigt hatte, - genau genommen aber nur belegte, wie unfähig Nietzsche zu der Zeit bereits war, den Unterschied zwischen dem einen und dem anderen klar zu erkennen und das eine vom anderen zu trennen.  Und dann brach es, nur zwei Seiten weiter, mit voller Wucht aus ihm hervor:

Der Mensch, als das wahnsinnig gewordene Thier [dem Er sich natürlich mindestens haushoch überlegen wähnte!]: lebt in lauter Wahn, bis jetzt, [bis zu ihm hin und zu seiner stets zu neuesten Gedankenblitzen befähigten „Genialität“! - Nur aus dieser „geistigen Position“ heraus waren ihm Aussagen dieser Art überhaupt möglich gewesen und so auch nur zu verstehen!] mehr als irgend wer geahnt hat.  So fand ich [Friedrich Nietzsche, der unbeschreibliche Entdecker neuer „geistiger Welten und Gesetzmäßigkeiten“!] ihn vor. 9.471

Das dürfte Nietzsche schon ziemlich bald nach seinem Erweckungserlebnis in den Engadiner Höhen im Sommer 1881, nahe dem so irrtümlich inzwischen für einen „Zarathustra-Stein“ zu haltenden pyramidalen Felsblock, niedergeschrieben haben, denn es ist getragen von dem erlebten Gefühl seiner von sich selber berauschten Besonderheit, wie kaum etwas zuvor! Die Tatsache einen seit Ewigkeiten am Wegesrand liegenden Felsblock in die Vergänglichkeit eines Nietzsche-Steins umzudeuten, zeigt, wie sehr hier ein gänzlich Unverstandener und Selber-nichts-recht-verstanden-Habender auf realitätsferne Weise bewundert worden ist und wie sehr dieser Umstand ohne groß - oder in größerem Maßstab! - nachzudenken doppelt irrtümlich und dumm auf ewig unangemessen bewundert werden sollte!


Dazu gehören noch die folgenden Urteile in all ihrer haarsträubend ernsthaft gemeinten Tatsächlichkeit:

Die aesthetischen Urtheile (der Geschmack, Mißbehagen, Ekel usw.) sind das, was den Grund der Gütertafel [tatsächlich den wahren Gehalt der „Moral“?] ausmacht [und ausmachen kann?].  Diese wiederum ist [als „Gütertafel“, angesehen] der Grund der moralischen Urtheile. 9.471

Was sich als eine wildgewordene und unverantwortliche „Philosophitis“ wahrhaftig schwerlich überbieten lässt und einen Beweis dafür abgibt, wie wenig Nietzsche etwas in einem realitätsnahen Zusammenhang sachgerecht beurteilen konnte!.


Und:
 
Das Schöne, das Ekelhafte usw. ist das ältere Urtheil [was für Nietzsche so etwas wie ein „instinktiviertes“ Gütesiegel war!]. Sobald es die absolute Wahrheit in Anspruch nimmt, schlägt das aesthetische Urtheil in die moralische Forderung um. 9.471

Was aber hatten diese beiden Ebenen, die Ästhetik und die Moral miteinander zu schaffen?  Da, spätestens zu diesem Zeitpunkt seiner erreichten Logik-Enthemmung, wurde endgültig zum „Allgemeinen Naturgesetz“ erhoben, ob etwas Nietzsche gefiel oder nicht!  Die Subjektivität seiner Wahrnehmung und seines Gefühls als Maß der Welt! - Das ergab und belegte den Fortschritt seiner logischen Enthemmung zum Zeitpunkt der Niederschrift!  Er verfügte nicht im Geringsten mehr dabei über eine von sich selbst absehen-könnende Distanz in der Selbsteinschätzung seiner Existenz als ein Vergleichsmaß zu „den Anderen“!

Sobald wir die absolute Wahrheit leugnen, [was Nietzsche tun musste, um den Wert seiner Pseudo- und Fake-Wahrheiten herausstreichen zu können!] müssen wir alles absolute Fordern [alles Superlative! - und wenn Nietzsche in Vergleich zu „den Anderen“ geriet, es] aufgeben und uns auf aesthetische Urtheile zurückziehen [da nur diese ihm - als „seine letzten Wahrheiten“ dingfest gemacht - geblieben waren!].  Dies ist die Aufgabe  - eine Fülle aesthetischer gleichberechtigter Werthschätzungen zu creiren:  jede für ein Individuum die letzte Thatsache und das Maaß der Dinge. [Das bedeutete - und Er sagte es anschließend wortwörtlich selbst!] Reduktion der Moral auf Aesthetik!!! 9.471

Was alles, philosophisch gesehen, vollendet-unhaltbarer und zugleich, „den Anderen“ gegenüber, auch unwürdiger Nonsens war!  Peinlich genug, dass er es wagte, damit hervorzutreten!  Mit den von ihm persönlich gesetzten 3 Ausführungszeichen zum Nachdruck und zur Bestätigung wie ernsthaft gemeint das von ihm und für ihn war.


Vom Willen zur Macht wird [im damaligen „heutzutage“ war das gemeint] kaum mehr gewagt zu sprechen: anders zu Athen! 9.360

Beim Idealbild seiner Studieninhalte, aber das war vor inzwischen wenigstens 2½ Tausend Jahren, während derer man zu wesentlich anderen Erkenntnissen kam!  Dahin wollte er zurück.


Es ist Mythologie [den Lehren aus Reden und Erzählungen früherer Zeiten] zu glauben, daß wir [darin] unser eigentliches Selbst finden werden, nachdem wir dies und jenes gelassen oder vergessen haben.  So dröseln wir uns auf bis ins Unendliche zurück:  sondern uns selber machen [zu Übermenschen?  Zu Institutionen, die zu nichts und niemandem gegenüber verpflichtet sind?], aus allen Elementen eine [ideale?] Form gestalten - [das] ist [wäre?] die Aufgabe!  Immer die eines Bildhauers!   Eines produktiven Menschen!  Nicht durch Erkenntniß, sondern durch Übung und ein Vorbild werden [?] wir selber! [für die Nachfolgenden!?]  Die Erkenntniß hat bestenfalls den Werth eines Mittels! 9.361

Und das wäre dann - an-zu-erkennender-weise? - mit einem bestimmten Ziel, einem Zweck, einer Absicht und einem - etwa dadurch auch legitimierten? - Vorteil für den speziell das dann jeweils Wollenden verbunden!?


Warum haben wir [Er!] gerade bei der schwersten und schmerzhaftesten [nämlich seiner!] Art von Wissen und Kunstform unsere Freude?  Warum schämen wir uns bei jeder flachen und leichteren [nicht durch schmerzhafte Superlative und andere Unmöglichkeiten „geadelte“]?  Es ist Stolz, besiegte Schwierigkeit, der Wille, vor uns selber zum Helden zu werden! 9.363

Und wieder hat es nur in und an ihm selbst gelegen, vor sich selbst!  Das war schon von Nietzsche her ein verzwickt gestalteter Satz, auf etwas holprige, aber zwanghaft-sehnsüchtige und wie immer bei ihm, auf maßlose Weise, von seiner „Größe“ und Großmannssucht Bericht zu erstatten.


Was sind mir Freunde, welche nicht wissen, wo unser [sein, sein, sein!] Schweres und wo unser [wiederum nur sein!] Leichtes liegt! [hatte er davon bei „den Anderen“ je etwas gesucht?  Gefunden?  Entdeckt?  Versucht davon etwas in Erfahrung zu bringen?  Bei gleich-kommendem Respekt?]

Es giebt Stunden, in denen wir unsere Freundschaften wiegen. 9.366

Und diese nur allzugern für allzu leicht, zu „un-superlativ“ und deshalb nebensächlich befinden? Weil genau das auf ach so bequeme Weise einen selber erhöht?


Bist du denn [ich? - oder doch wieder nur Er? - denn dies war sein Bekenntnis!] ruhmbegierig?

[Er richtete hier diese Frage mal wieder an sich selbst:] Ich habe es nie geglaubt.  Aber das fällt mir auf, daß ich es unerträglich finde, nicht mit dem beschäftigt und verwachsen zu sein, was mir das [absolut maximal und eigentlich weit über den Kopf gewachsene] Wichtigste auf der Welt scheint. - Als ich dies von der Kunst nicht mehr [seit seiner definitiven Abkehr von Schopenhauer und Wagner 1877] glaubte, [da] trat ich sehr abgekühlt bei Seite, mit einer Art von Haß - [vor allem gegen Wagner und dessen nicht endenden und nicht zu übertrumpfenden Bayreuther Ruhm!  Weil Nietzsche mit einer falschen Vorstellung versehen war, dass „diese Art von Kunst“ nämlich einerseits nur Genuss aber andererseits keine harte Arbeit sei, sie in der Auseinandersetzung mit der Illusion als Realität darzustellen!] sie [die Kunst?] schien mir eine Betrügerin, die mich dem Wichtigsten [dem Genuss seiner imaginären und imaginierten Macht-Gefühle!] entziehen wollte. 9.371f

Und ihm auch offenlegte, wie sehr seine Unfähigkeit im unbedingt kreativen Sektor der Kunst ihn hinderte, eine 1. Geige spielen zu können, denn das ist ihm immer „das Wichtigste“ gewesen! - Und Recht zu haben, mit dem, was gerade seiner gefühlsbetonten Weltsicht entsprach - gegen den gesamten „Rest“ eben dieser auch aus vielen anderen subjektiven Wahrheiten zusammengesetzten Welt!


Die Wissenschaft kann weder beweisen, daß alle M<enschen> gleich sind, noch daß ein Verfahren nach diesem Grundsatz auf die Dauer nützlich ist. 9.381

Wobei es der Wissenschaft - das brachte Nietzsche stets durcheinander! - nicht um den und schon gar nicht um seinen Nutzen, sondern um das Grundsätzliche, das gegenüber der Realität nicht Anzufechtende, geht!

Für Nietzsche gab es - nach dem einfachheitshalber für tot erklärten Gott! - keine Instanz mehr außerhalb seiner eigenen betont selbstmittelpunktlichen Entscheidungslust, um die es ihm immer gegangen war.


Wissenschaft!“  Was ist sie!  Alle Kräfte in ihre Dienste!  Die Erfahrung der Menschheit aus ihren Trieben, und ein Trieb, von den Trieben zu wissen. 9.381

Wozu festzustellen bleibt, dass der hier so triebgläubige Nietzsche nicht die geringste wirkliche Ahnung von dem hatte, wovon er da zu radebrechen beliebte. Er selbst war wohl der „un-wissenschaftlichst“ begabte Mensch, der sich je zum Philosophentum „mit seinen eher religiös orientierten, bestimmen wollenden Bauchgefühlen“ hingezogen fühlte!


Meine Gedanken sind meine Ereignisse geworden:  das Andere ist die Krankheits-Geschichte jeden Tags. 9.382

Seine sich die Welt „zurechtrückenden Gedanken waren seine Erlebnisse und nichts darüber hinaus, - auch wenn sich daraus für das eine oder andere oder gar vieles nur der Anschein des „Gefühls von Gedanklichkeit“ ergeben haben sollte!


Wo Heroismus ist [aber wie wäre dieser allgemeinverbindlich zu definieren?], da giebt es kein Verbrechen mehr.  Denn der Glaube [ach, der „Glaube“ nur als unverbrüchliches Überzeugtsein!], daß etwas gut ist [wäre], ist beim Heroismus. 9.393

Aber das gilt unterschiedslos für alles, was man gewillt ist, für heilig zu erklären!  Aussagen dieser Art wagte Nietzsche schon in den Fortsetzungen zur „Morgenröte“ zu äußern, lange bevor sie dann im 3. Buch der „Fröhlichen Wissenschaft“ in den Aphorismen 267 u. 268 veröffentlicht wurden. Da näherte er sich, 1882 enthemmt genug, seinen endgültigen Überzeugungen und fasste zu ihnen Mut indem er schrieb:

Mit einem grossen Ziele [wie Er mit dem Übermenschen eins hatte, d.h. zu haben glaubte!]. - Mit einem grossen Ziele ist man sogar [wie mit einem Freibrief versehen?] der Gerechtigkeit überlegen, nicht nur seinen Thaten und seinen Richtern. 3.518

Man steht damit also über dem allgemeingültigen Gesetz!  Und ebenso:

Was macht heroisch? - Zugleich seinem höchsten Leide und seiner höchsten Hoffnung entgegengehn. 3.519

Und das sollte für alle gelten?


Ich habe oft geglaubt daß ich die Menschen belehren könne - und eine aus Stolz und Liebe gemischte Empfindung gegen sie [die Menschen!] gehabt.  Jetzt, am Schlusse [da war es erst oder bereits Winter 1880/81! - 8 Jahre vor seinem „geistigen“ Untergang! - da], sehe ich ein, daß ich nichts zu lehren habe, aber daß ich von Herzen bitte, es möchte solche geben, welche mich würdigten von ihnen zu lernen:  denn die Fragen, die ich mir [in eigener aber dafür in unverwüstlicher Machtvollkommenheit!] aufgeworfen habe, sind mächtig und - - - 9.397

Die 3 „vieles besagenden“ Striche bedeuteten wohl nur so viel, dass Nietzsche in dieser Aussage vorerst nicht weiterwusste.  Es fehlten ihm, im Winter 1880/81 noch die „Gedanken", die ihm dazu erst im ausreichenden Enthemmungs-Zustand des Sommers 1881 „an seinem [geistigen? oder doch wohl eher nur gefühls-zerwühlten, eine größte Form erlangenden] Horizont 14.8.81 aufsteigen und „logisch“ erscheinen sollten.  Noch war er nur sehnsüchtigst beseelt von der reinen, fruchtlos verneinenden Kritik an Allem und Jedem, was nicht so war, wie er es sich vorstellen wollte und wünschte, dass es gefälligst - seinen Idealen entsprechen würde!  Denn dieses realitätsferne „Nur-fühlen“ hatte er gründlich satt und notierte sich:

Ein gigantischer Plan:  bereit ihn zu entwerfen, bereit ihn auszuführen;  von Zeit zu Zeit die Basen für ihn legend.  Durch diesen einzigen Gedanken [an die superlativst „ewige Wiederkunft“ als Grundlage seiner Moral?  Und an seinen Gedanken der Gedanken 9.496 - so sehr] bewegt: losgelöst von allen Eindrücken zweiten Ranges, die sein Projekt hätten aufhalten können.  Durch die Weite seines durchdringenden Scharfsinns [dieser auf Dauer unhaltbare Mythos stammte also von ihm selber!] und die Zähigkeit seines Willens [beides traute Nietzsche sich ohne weiteres zu, um] der außerordentl<ichste> Mensch [zu sein!]. Im Falle [dass?] sein Ziel das Wohl der Menschheit [in der Verwirklichung des „Übermenschen“?] gewesen wäre, der größte Mensch 9.407.

Er vor allen, die bisher lebten!  Das war seine Lieblingsvorstellung von sich selber, in der er sich suhlte mit Lust:  Sein liebstes abschließendes Ziel, das er, subjektiv empfunden, auch immer zu praktizieren suchte!  Zugleich war es dieses Gefühl, dieser „Trieb“, aus dem ihm schließlich der „Übermensch“ wurde. Als ein Zweck und Ziel zu eigenster größtmöglicher Größe, um die es ihm immer und in allem gegangen war.  Aber es blieben Zweifel, wie in der bald darauf erfolgten Notiz!


Kaum klingt es jetzt glaublich, daß etwas Entgegengesetztes auch als gut gelten will und gegolten hat - „ich“ [eine Art vorgezogenes „Amerika first?“] mehr und stärker sagen als die gewöhnlichen Menschen, sich selber gegen sie durchsetzen, sich stemmen gegen jeden Versuch, uns zum Werkzeug und Gliede zu machen, [wie er zugleich aber in vollem Umfang mit „den Anderen“ verfahren wollte!] sich unabhängig machen, auf die Gefahr hin, die Anderen sich [maß- und rücksichtslos!] zu unterwerfen oder zu opfern, wenn die Unabhängigkeit nicht anders zu erreichen ist, einen Nothzustand der Gesellschaft jenen billigen ungefährlichen einheitlichen Wirthschaften vorziehen, und die kostspielige verschwenderische durchaus persönliche Art [auf wessen Kosten aber?] zu leben als Bedingung betrachten, damit „der Mensch“ höher mächtiger fruchtbarer kühner ungewöhnlicher und seltener [kurz übermenschlicher“?] werde - [als er realiter je sein könne, weil er ewiglich besser und idealer denkbar bliebe!] damit die Menschheit an Zahl abnehme und an Werth wachse. 9.411f  [den wer, bitte sehr, festzusetzen, zu wiegen, zu wägen, zu beurteilen hätte?]

Das war die Botschaft, die Nietzsche seinem „Zarathustra“ im 1. Entwurf aufbürden wollte, - weit jenseits von der zuletzt gerade veröffentlichten „Morgenröte“, symbolisch für seine darin gerade öffentlich dargelegten „Weisheiten“ von denen er so viele unveröffentlicht ließ, weil die laufend fortschreitende Enthemmung sie schnell überholt und eigentlich ungültig gemacht hatte und er sie, als Aphorismen, liegen ließ und nicht ausformulierte. Dabei schwärmte er:

Es giebt so viele Morgenröthen, die [aus seiner Feder kommend?] noch nicht geleuchtet haben. Rigveda 9.413.

Und diese formulierten, unbenutzten, öffentlich noch nicht zur Geltung gekommenen Maßlosigkeiten lud er - anachronistisch, weil sie da nicht mehr hingehörten! - zu einem guten Teil ab in den ersten 3 Teilen vor dem darauf folgenden - nach dem Silser Sommer 1881 voll erst entstandenen! - und viel wichtigeren und „aktuelleren“ Inhalten des „Sanctus Januarius“ der inzwischen in Angriff genommenen „fröhlichen Wissenschaft“. - Schließlich hielt er - in seiner übertriebenen Subjektivität vielleicht sogar „zu Recht“ - all sein Denken allein deshalb für wissenschaftlich, weil er sich überhaupt nichts Richtigeres vorstellen konnte als das, was seinen innersten Überzeugungen entsprechen würde.


Als weitere Maßlosigkeit nach seinem Gutdünken, notierte er sich:

Auch bei den Menschen [wären!] Experimente nöthig, wie bei Darwinismus! 9.421  Die Tatsache, dass Nietzsche das niederzuschreiben wagte, zeigt, wie sehr inzwischen sein Glaube daran gefestigt war, dies „moralisch“ einfach und selbstverständlichst auch - ohne jede Infragestellung! - zu dürfen!  Nämlich nach seinem Für-richtig-halten beliebige, seinen Entscheidungen unterliegende Experimente am Menschen durchzuführen!  Was später dann, in vielfachen Taten einfach nur umgesetzt wurde, weil es einmal philosophisch“ als „erlaubt“ erklärt und angenommern worden war!?


Dazu notierte Nietzsche sich auch:

Der Einzelne kann [wie Nietzsche zu seiner Zeit überzeugt war, sonst hätte er das nicht schreiben können!] jetzt wirklich ein Glück erreichen, das der Menschheit unmöglich ist.  Ehemals Adel: jetzt gehört nur [!] dazu, daß man die Anderen als Sklaven fühlt [!], als unseren [seinen!] Dünger 9.423

Was alles sich dann, zu „philosophischen Weisheiten“ verklärt, als solche genommen und sanktioniert, im gar nicht so viel später, damit dann längst vorbereiteten und mit voller Wucht aufgekommenen „Geistestaumel“ des „Nationalsozialismus“ - und nicht nur unter dem! - ohne große ethische Komplikationen hervorzurufen, zur tatsächlich ausgeführten Praxis entwickeln konnte.  Die Ungeheuerlichkeiten einer Zeit sind zumeist unterschwellig in vorhergehenden Zeiten „gedanklich“ geebnet und dadurch überhaupt erst praktisch möglich geworden!

Das gilt auf nicht unerhebliche Weise auch für den Erfolg des Denkens und Empfindens von Nietzsche, nachdem seine Aussagen als angeblich „echte, gut durchdachte Philosophie“ ausgerufen und auch „anerkannt“ worden waren!


Bis jetzt machen wir uns die Dinge noch schwer (z.B. bei der Übervölkerung), weil wir nicht wagen, unsere [seine persönlichen, nur auf ihn selber zugeschnittenen!] neuen Werthschätzungen durchzuführen.  Man muß es bald dem Leben anmerken, daß mit einem Überschuß von [etwa seinem?] Geist gelebt wird! 9.423
 

Da gilt doch wohl seine Frage: Willst Du das?
 
Es ist eine solche Anpassung wie sie Spencer [Herbert, 1820-1903, ein englischer Philosoph und Soziologe, der aus Darwins Evolutionstheorie das „survival of the fittest“ insgesamt] im Auge hat [immerhin] denkbar, doch so daß jedes Individuum zu einem nützlichen Werkzeuge wird [z.B. im Interesse eines Herrn Nietzsche oder sonstwem!?] und sich auch nur so fühlt:  also als Mittel, als Theil - unter Aufhebung des Individualismus, nach dem einer Zweck und eine Ganzheit sein will, und zwar in beiden eine [superlative aber in seinem Selbst enteignete!] Einzigkeit!   Diese Umbildung ist möglich, ja vielleicht läuft die Geschichte dahin!  Aber dann werden die Einzelnen immer schwächer - es ist die Geschichte vom Untergang der Menschheit, wo das Princip der Uninteressirtheit des vivre pour autrui [das Leben für den Nächsten] und die Socialität herrschen!  Sollen die Einzelnen [dem Idealbild der Übermenschlichkeit“ folgend] stärker werden, so muß die Gesellschaft ein Nothzustand bleiben und große Veränderungen immer zu erwarten haben:  eine vorläufige Existenz immerfort führen. 9.426
Hier wirkte sich Nietzsches maßlose Grundhaltung aus, in „den Anderen“ nur und
nicht mehr als nur eine Verfügungsmasse für seinen Willen zur Macht“ zu sehen! - Ohne je einen Gedanken daran, ob Er - und warum! - mit einem Schicksal nur als Verfügungsmasse eines Anderen leben zu müssen, einverstanden gewesen wäre!  Für ihn war klar, dass hier - für ihn! - den „Erfinder“ des „Übermenschen“, eine andere Moral greifen müsste.


Man muß den Menschen Muth zu einer neuen großen Verachtung [„der Anderen“!] machen z.B. der Reichen, der Beamten usw. [auf jeden gerade missliebig Gewordenen war das so anwendbar! - Wie praktisch und hat den damaligen „antisemitischen Zeitgeist und die Habgier“ entsprechend weit über die alt-moralischen Grenzen hinaus, so legitimiert, dass er sich austoben konnte, wie noch nie! - Und „erlaubte“, je nach willkürlich „gerechtem“ Dafürhalten mit allen Gruppen, denen der „Zeitgeist“ gerade nicht sonderlich wohlgesonnen war, mit „gutem Gewissen“ um- und vorzugehen!]  Jede unpersönliche Form des Lebens muß als gemein und verächtlich gelten [so war Nietzsche bereit, zu urteilen!].

A. Wie viel brauche ich, um gesund und angenehm für mich zu leben?

B. Wie erwerbe ich dies so, daß das Erwerben gesund und angenehm ist und meinem Geiste [und ausreichend „legitimierten Absichten auch?“] zu Statten kommt, zumal als Erholung [seelischer und finanzieller Art und/oder auch zu seiner puren Bereicherung nur, zu seiner Bequemlichkeit, zu seinem Vorteil jedenfalls]?

Und nur an derlei orientiert?  An nichts, was außerhalb seiner persönlichen Sphäre verankert war?

c. Wie habe ich von den Anderen zu denken, um von mir möglichst gut zu denken und im Gefühle der Macht zu wachsen?

d. Wie bringe ich die Anderen zur Anerkennung meiner Macht?  9.444f

[Was für Nietzsche, bis zu seinem Ende hin, ein ungelöstes Problem geblieben ist, weil „die Anderen“ für ihn weder moralisch noch existenziell irgendeine nennenswerte Bedeutung hatten; - sie kamen in seinem Weltbild - neben ihm? - mit einem ihnen eigenen Wert einfacher-weise nicht vor!  Auch hier wieder nicht. Was sollte er machen?  Er hatte andere, größere, „weltbewegendere“ Sorgen:  Die ihn etwas angehende Machtfrage wurde von denen gelöst, denen wiederum Nietzsche nur ein denkbar günstiges Mittel zu ihren Zwecken gewesen ist, - ob er das nun hätte geahnt haben können oder nicht . Jedenfalls ist nicht nur ihm ein Gutteil Schuld daran zuzuschreiben, dass er derlei mit und in seinem Tun nicht verhindert hat, dass sein angebliches Philosophieren zu dem benutzt werden konnte, zu dem es benutzt worden ist!  Da sollte man nicht den Begriff des Missbrauchens missbrauchen!]

e. Wie organisirt sich der neue Adel [mit aktuellen Nietzsche-Weisheiten in seinem weltanschaulichen Gepäck?] als der [dann] Machtbesitzende Stand?   Wie grenzt er die Anderen von sich ab, ohne sie sich [die Missbrauchten, Entrechteten, Entmündigten, Enteigneten und im Geiste Vergewaltigten!] zu Feinden und Widersachern zu machen? 9.444f

Denn eigentlich wollte auch er doch noch geliebt werden, für all das, was ihm da vorschwebte mit „den Anderen“!  Mit derlei hatte Nietzsche den „Möglichkeiten des Zeitgeistes“ gründlichst vorgearbeitet, - und das beileibe nicht ohne eigene „philosophische Verursacher-Schuld und preiswerte Vorteilsnahme!“.

Ich suche für mich und meines Gleichen [die ihm allerdings, der Person nach, herzlich unbekannt geblieben sind, ihm aber deutlich wichtiger waren als „die Anderen“] den sonnigen [bequemen, bevorzugten, günstigst verargumentierten] Winkel inmitten der jetzt wirklichen [weil allein gegenwärtigen!] Welt jene sonnigen Vorstellungen, bei denen uns ein [als Vorteilsnahme in allem beabsichtigter] Überschuß von wohl kommt.  Möge dies Jeder für sich thun und das Reden ins Allgemeine für die „Gesellschaft“ [so wie Er das etwa immer auf vorbildliche Weise tat?] bei Seite lassen 9.455   

15 Seiten weiter, aber noch zu ungefähr gleicher Zeit, unmittelbar wohl vor dem für Nietzsche so wichtigen Silser Sommer-Ereignis 1881, notierte er sich:

Die stärksten Individuen [auf die es künftig ankommen sollte!] werden die sein, welche [wie Nietzsche selber!] den Gattungsgesetzen widerstreben und dabei nicht zu Grunde gehen, die Einzelnen.  Aus ihnen bildet sich der neue Adel:  aber zahllose Einzelne müssen [wie schon an den Aussagen seiner  Erstveröffentlichung 1872] bei seiner Entstehung [des neuen Adels hier!?] zu Grunde gehen!  Weil sie allein die erhaltende Gesetzlichkeit und die gewohnte Luft [der bis zu ihm hin gültig gewesenen „Moral“, wie er glaubte entgültig] verlieren. 9.486

Dies allgemein durchsetzen sollte deshalb in erster Linie sein Wille zur Macht“.


Bei seiner wilden und für ihn typisch maßlos gewesenen Begeisterung für Arthur Schopenhauers

Welt als Wille und Vorstellung“

im Herbst 1865, hatte Nietzsche „gelernt“, d.h. erfahren, erlebt, dass und wie raffiniert man aus einer zündenden Idee, wie der, dass man mit einer Welt, die lt. Schopenhauer nur aus „Wille“ und „Vorstellung“ bestehen würde, ein philosophisch weltverständlich aussehendes und alle offenen Fragen scheinbar „lösendes System“ zurechtschmieden kann, - auch wenn die destruktive „Lösung“ der offenen Fragen nur daraus bestanden hatte, sie als vergleichsweise unbedeutend beiseite, bzw. in den Hintergrund geschoben zu haben! -

Auf diese war Nietzsche deutlich mehr als ein Jahrzehnt lang hereingefallen. Vom Herbst 1865 bis spätestens Mitte des Jahres 1877, da er nicht nur zu seiner angeblichen Erkenntnis, sondern auch zu der klar formulierten Aussage kam, dass Schopenhauers „Lehre“, deren „Methaphysik“ zumindest ich glaube nämlich - Verzeihung!  ich glaube, ich weiß es - daß sie [für ihn!] falsch ist, und daß alle Schriften, welche mit ihr abgestempelt sind, bald einmal unverständlich werden möchten. 22.7.77

Ist deshalb Nietzsches „Philosophie“, die ja stets mit einem Gutteil „innerem“ Schopenhauer getränkt und durchsetzt war, letztlich zutiefst unverstanden geblieben?

Er jedenfalls hatte da begriffen, nicht dass sie wirklich „falsch“ wäre - denn darum war es gar nicht gegangen, wie sonst auch! - sondern dass sie nicht für ihn passte!  Was Er erkannt und begriffen hatte war nämlich, dass er unter dem Segel von Schopenhauers einzigartiger „Wahrheit“ hinsichtlich seiner eigenen Selbst-Entwicklung hin zu einem Gottersatz und zu absoluter Selbstmittelpunktlichkeit und zu seinem unaufhaltsamen Aufstieg zu einem Welterneuerer in eine arge Sackgasse und „Falle“ geraten war.  Dass er, diese „Lehre“ weiter vertretend, mit seinem Selbst, welches sich im Zuge der Enthemmung immer deutlicher hervordrängte, ewiglich hinter einem für einzig erklärten Schopenhauer stehend, verschwinden müsste, jedenfalls keinerlei Chancen besäße, sich so superlativ hervorzutun, wie er es sich immer schon erwünscht hatte!  Er hatte bei Schopenhauer gelernt“, dass sich - wenn man es nicht immer ganz so genau nimmt! - mit Worten etwas zusammenzubauen ließ, das nach einem gigantischen Weltsystem, nach einer Welterlösung aussah und weil Arthur Schopenhauer für Nietzsche rund 10 Jahre lang ein großes Vorbild gewesen war, kam ihn ab da die Lust an, für sich selber wenigstens, eine solche „Erlösung von alltäglicher Belanglosigkeit“ in Angriff zu nehmen.  Nach ausschließlich seinen eigenen Maßen, - d.h. mit sich selbst als Nabel und Zentrum von allem!


Das war sein eigentlich zurück-zulassenes geistiges Herkommen, als er 1881 folgendes schrieb:

Merkwürdige Thätigkeit des Intellekts!  Beim Geschlechtstrieb begehrt eine Person nach der anderen als dem Mittel, um den Samen los zu werden oder das Ei zu befruchten.  Dies gerade weiß der Intellekt [auf den es bei der Fortpflanzung nicht in erster Linie ankommt - und wenn jemandem „Liebe“, wie sich an Nietzsches Umgang mit Emersons Essay gleichen Namens deutlichst ersehen lässt, nichts und noch weniger zu sagen vermag, dann weiß er!] nicht:  er fragt: warum dies Begehren?  er erwägt was alles eine Person begehrenswerth macht und sagt jetzt: es muß jene Person diese begehrenswerth machenden Eigenschaften alle haben! - so schließt er und glaubt nunmehr so fest daran, wie wir im Traum an das Traumbild glauben [woraus klar wird, warum Nietzsche, den eigentlichen Spaß- und Lustfaktor um seiner selber willen, völlig - als nicht in seine Lehre passend! - beiseite ließ und ein bevölkerungspolitisch verkopfter Blindgänger bleiben musste!].  Das Glauben [der Glaube] an seine Schlüsse ist [für ihn] charakteristisch.  Bei allen Affekten ist der Intellekt dermaaßen thierisch-primitiv, wie im Traume. - Diese thierischen Schlüsse für alle Affekte [wären?] nachzuweisen. - Was ist denn die Skepsis?  Wann und in welchem Zustande wird denn der Intellekt so fein [so verstiegen, so kompliziert und einseitig?], so mißtrauisch gegen seine Schlüsse?  so wenig traumhaft? 9.486f


Und das alles zeitlich in unmittelbarer Nähe oder zeitgleich sogar mit dem Höhepunkt der „tränenjauchzenden“ Erlebnisse 1881 in Sils-Maria an den Silser Seen, wo die „Natur“ seiner Krankheit in primitivster Form mit ihm trieb, was im erreichten Zustand der logischen Enthemmung eben noch möglich war!  Darauf folgte, eng verbunden mit den Höhepunkten seiner „philosophischen Entwicklung“, die so vieles über ihn verratende Notiz:


Die Wiederkunft des Gleichen.

E1. Die Einverleibung [das zur Selbstverständlichkeit-Machen] der Grundirrthümer.

2. Die Einverleibung der Leidenschaften [ebenso!].

3. Die Einverleibung des Wissens und des verzichtenden

Wissens. (Leidenschaft der Erkenntniss)

[das war nämlich das, was ihm da tränenjauchzend in den Sinn und an den Rand seines „Horizontes“ gekommen war!]

4. Der Unschuldige.  Der Einzelne als Experiment [aber von wem und durch was berechtigterweise?  Mit welchen nicht-ästhetizistischen Argumenten?].

Die Erleichterung des Lebens, Erniedrigung, Abschwächung - Übergang.

5. Das neue [größte, unabweisbare?] Schwergewicht: die ewige Wiederkunft des Gleichen [nach dem stillen „Gong“ der großen Sanduhr immer wieder, mit dem eine neue Phase der „Ewigen Wiederkehr“ angekündigt würde!].  Unendliche [maximal superlative?] Wichtigkeit unseres Wissen’s, Irren’s, unsrer Gewohnheiten, Lebensweisen für alles Kommende. [Für die tatsächlich un-überschaubare Masse dessen, was Nietzsche alles nicht wusste, besaß er keine für diese Umstände ausreichende Bescheidenheit!]  Was machen wir mit dem Reste unseres Lebens - wir, die wir den grössten Theil desselben in der wesentlichsten Unwissenheit [aber damit war nicht die eigene, sondern die der Menschheit gemeint] verbracht haben? [In genereller „Unwissenheit“? - Weil Nietzsches „größtes Schwergewicht“ da noch und bis dahin nicht als gebührend wichtigste Wahrheit gegolten hat?]  Wir lehren die Lehre [die im vorletzten, 341. Aphorismus der ursprünglichen Fröhlichen Wissenschaft“, ihren bestmöglichen Ausdruck gefunden hatte und wo Nietzsche gut 23 Zeilen lang unter dem Titel „Das größte Schwergewicht“ das beschrieb, was von 1881 an - trotz „ewiger Wiederkunft“! - für er sein Leben vollkommen neu entdeckt hatte und für alle zu gelten haben sollte!

Dass Nietzsche diesen donnernden, Ewigkeit beanspruchenden Quasi-Abschluss der „fröhlichen Wissenschaft“ mit einem, einige Jahre später 1887 erst, angehängten 5. Buch, verhunzte und verwässerte, weil dieses gefühlt nichts Neues mehr für ihn, aber mit zwar Aktuellem, jedoch nicht sonderlich Wichtigem nun wieder zu ergänzen war, war typisch für ihn!] - es ist das stärkste Mittel, sie uns selber einzuverleiben [indem „wir“ sie - das nämlich war mit seinem ewigen „Einverleiben“ gemeint! - als das Selbstverständlichste dieser Welt zu betrachten haben! - Das ist, d.h. das war] Unsre [d.h. seine] Art Seligkeit, [mit ihm nämlich] als [dem] Lehrer der grössten Lehre [die es - auch im Zuge der ewigen Wiederkehr? - je gegeben hätte und gegeben haben könnte? - datiert mit dem wohl nur in geringem Maß „gefakten“ Datum:]

Anfang August 1881 in Sils-Maria

[wo Nietzsche gerade lebte und sich ungeheuerlich fühlte!].

6000 Fuss [rund 1.800 m] über dem Meere und viel höher über allen menschlichen Dingen! - 9.494  [was als Maß der Überhebung über „die Anderen“ zu erwähnen zu dem Zeitpunkt für Nietzsche von nicht unerlässlich hoher Bedeutung war!]

Da spätestens glaubte Er, seine Aufgabe, sein Seelenheil und seinen ewigen Ruhm gefunden, begründet und für alle Ewigkeiten gesichert zu haben!


Unmittelbar danach folgte eine lange Zusatz-Notiz, welche besonders bedeutsam ist und es dazugehört, sie zu kennen, als einen Teil seiner Fahrt in den Wahn hinein und „hinüber“:

Dies ist [die?] Consequenz von der Leidenschaft der Erkenntniß [wie sich eine solche in ihm erfühlen ließ!]:  es giebt für ihre Existenz [im Zustand der Leidenschaft!] kein Mittel, als die Quellen und Mächte der Erkenntniß, [d.h. Nietzsches felsenfestes Überzeugtsein, das immer aber vom Verstand und den entsprechenden Argumenten realistisch und unabweisbar abgesichert zu sein hat, außerhalb des immer einsamen eigenen Ich!  Zu dieser Feststellung nützte nicht die einfache Behauptung nur, dass es so wäre, wie Nietzsche es gewollt und dargestellt hatte!] die Irrthümer und Leidensch<aften> auch zu erhalten, aus deren Kampfe nimmt sie ihre erhaltende Kraft [weil Nietzsche über diese hinaus nichts besaß, was er für diese „ins Feld“ führen konnte!]. - Wie wird dies Leben in Bezug auf seine Summe von Wohlbefinden sich ausnehmen?  Ein Spiel der Kinder, auf welches das Auge des Weisen blickt, [damit zitierte Nietzsche sich selbst aus seiner damals unveröffentlicht gebliebenen Schrift aus dem Jahr 1873, über „Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen 1.826, was an dieser Stelle zu nichts anderem dienlich war, als zu zeigen, wie sehr, wie ständig, wie lebhaft und wie intensiv Nietzsche noch 1881 in der Welt seiner Gedanken von 1873 lebte und in diesen verfangen war!]

Gewalt haben über diesen und jenen Zustand - und den Tod [wählen?], wenn so etwas nicht möglich ist. - Nun kommt aber die schwerste Erkenntniß [die in seinem ihm absolut meisterhaft-einmalig gelungenen 341. Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“ ihren rühmlichsten, dessen Überredungskunst auch jeden noch so raffinierten Teufel erblassen lassenden Niederschlag fand!] und macht alle Arten Lebens furchtbar bedenkenreich [wenn man es denn so oberflächlich betrachtet, wie Nietzsche selber es tat, denn bei näherem Hinsehen ist genau das Gegenteil der Fall:  Alle von ihm angeführten Bedenken nämlich waren verweht durch die zu Hilfe genommenen Konsequenzen der ewigen Wiederkunft“, die jede Art eigenverantwortlicher Änderungen an allen Abläufen unmöglich macht, wenn man unvorsichtig genug wäre, ernsthaft an sie zu glauben!  Nietzsche aber feierte sich]:  ein absoluter Überschuß von Lust [oder von Starrsinn auch nur, das, was man will, unbelehrbar immer und immer wieder zu wollen!] muß nachzuweisen sein, sonst ist die Vernichtung unser selbst in Hinsicht auf die Menschheit als Mittel der Vernichtung der Menschheit zu wählen.  Schon dies:  wir haben die Vergangenheit, unsere und die aller Menschheit, auf die Wa[a]ge zu setzen und auch zu überwiegen [aufgrund seiner sich zu der Zeit längst schon in schwer krankhaftem Zustand befindlichen neuesten Erkenntnis der „ewigen Wiederkehr des [immer] Gleichen“?] - nein! dieses Stück Menschheits-geschichte wird und muß sich ewig wiederholen [mit und zu welchem Sinn, Voraussetzungen und Folgen?], das dürfen wir aus der Rechnung lassen [er glaubte eben daran und wollte unbedingt, dass es stimmt!], darauf haben wir keinen Einfluß:  ob es gleich unser Mitgefühl beschwert und gegen das Leben überhaupt einnimmt. [Das wäre nun einmal so und ist - mit basta und „Amor fati“! - raus aus dem Überdenkbar-zu-Kritisierenden und deshalb hinzunehmen und war für ihn auch in seiner Immunität gegen die dicksten Unsinnigkeiten problem- und kritiklos hinnehmbar!?]  Um davon nicht umgeworfen zu werden, darf unser Mitleid [um welches er mehr oder weniger freiwillig immer wieder kreisen musste, weil es einmal eine so große Bedeutung für ihn besessen hatte!] nicht groß sein.  Die Gleichgültigkeit [„den Anderen“ gegenüber!] muß tief in uns gewirkt haben [sie muss derweil gründlichst und ohne jedwedes Nachdenken darüber „einverleibt“ sein! - auf „philosophisch“ ungeheuerlichste Weise!] und der Genuß im Anschauen auch.  Auch das Elend der zukünftigen Menschheit soll uns nichts angehn.  Aber ob wir [darin als Herren oder als Knechte?!] noch leben wollen, ist die Frage:  und wie! 9.495


Da lagen Nietzsches Unsicherheiten offen.  Da ist sein Schwanken und Suchen zu erleben! - Auch in dem übermenschlichen Nachklang dazu wäre für jeden und jede, der oder die das heute liest:

Zu erwägen:  die verschiedenen erhabenen Zustände, die ich [Er, Nietzsche, um den es bei all dem auf den Engadiner Höhen in einem endlich einmal ehrlich von sich etwas preisgebenden Geständnis schließlich gegangen ist!! - Er] hatte, als Grundlagen der verschiedenen Capitel und deren Materien [in die für ihn all das Erlebte und Erfühlte sich unterteilte] - als Regulator des in jedem Capitel waltenden Ausdrucks, Vortrags, Pathos, - so eine Abbildung meines Ideals [zu] gewinnen, gleichsam durch Addition.  Und dann höher hinauf! 9.495f
Excelsior!  Dem
Übermenschen entgegen - oder war es im Psychischen doch nur auf alte Weise ein  „näher mein Gott zu Dir“?
 
Rede ich wie einer, dem es [gar von einem Gott?] offenbart worden ist?  So verachtet mich und hört mir nicht zu. - Seid ihr noch solche welche Götter nöthig haben?  Hat eure Vernunft noch keinen Ekel dabei, so billig und schlecht sich [mit einer Gott-Ersatz-Existenz, wie der Übermensch eine ist, euch ab-]speisen zu lassen? 9.496

Ohne schon den Mut aufzubringen, seine hier schon ersatzweise zur Verfügung gewesene Göttlichkeit in`s Spiel zu bringen?  Auch da, wo er unter der widersprüchlichen Last seiner „Gedanken“, die oder vielmehr weil sie keine waren und sind, fast zusammenbrach, gab es Zweifel:

Aber wenn alles [ohne Gott nämlich und in ewiger Wiederholung einfach nur] nothwendig ist [im Rahmen seiner Phantasterei von einer letztlich aus moralischen Gründen für ihn unumgänglich gewordenen und/aber frei herbeiphantasierten und neuerlich mit einer ewig umzudrehenden „Sanduhr“ - sogar als ein neues „Ding an sich“ - nötig machenden „ewigen Wiederkehr des Gleichen“? - auch ein verschleierter Gottesersatz?], was kann ich über meine Handlungen verfügen?“  Der Gedanke und Glaube ist ein Schwergewicht, [wie er dieses im Aphorismus 341 der „Fröhlichen Wissenschaft“ superlativ als „Grösstes“ dargestellt hatte!] welches neben allen anderen Gewichten auf dich drückt [aber warum? - Wenn man den Betrug durchschaut?  Das ist unbeantwortet geblieben.  Es „drückte“ halt und sollte auch drücken] und [zum Ankerpunkt seines Moralisierens geworden!] mehr als sie [als die beiden genannten:  der Gedanke und Glaube].   Du sagst, daß Nahrung Ort Luft Gesellschaft dich wandeln und bestimmen?  Nun, deine Meinungen thun es noch mehr, denn diese bestimmen dich zu dieser Nahrung Ort Luft Gesellschaft. - Wenn du dir den Gedanken der Gedanken einverleibst [und dies, wie im 341. Aphorismus dargelegt, als einzig wahr, verbindlich und selbstverständlich erachtest!], so wird er dich verwandeln. Die [moralin-lastige und -lästige] Frage bei allem, was du thun willst: „ist es [als das alles entscheidende Kriterium] so, daß ich es unzählige Male thun will?“ [denn auf dem superlativ unsinnigen „Immer-und-ewig-wieder“ sollte künftig das Maß des „Moralischen“ liegen! - das] ist das größte Schwergewicht. 9.496 u. 3.570  [Das wäre es dann, wenn es so, wie von Nietzsche gedacht, tatsächlich gekommen wäre und noch kommen würde.  So weit hatte er sich inzwischen in seinen „Gedanken“, den er für einen solchen hielt, weil er ihn mit nichts relativierend vergleichen konnte, also verheddert, verkeilt und verkrallt!]

Womit letztlich alle Moral reduziert war auf ein alles entscheidendes Überzeugtsein, welches gut und gerne auch auf Borniertheit oder Starrsinn und Rechthaberei, auf Dummheit, Unbildung und reine, nicht nur demente Blödheit gegründet sein könnte.


Als solches ist das jederzeit nachzulesen im 341. Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“!  Es ist Nietzsche trotz vieler Mühen, Anläufe und Versuche nie gelungen, die nur auf ihn selber bezogene „Begründung seiner Moral besser und zugleich doch auch selbstmörderisch vernichtender darzustellen als dort!

Der Leser muss das nur ausreichend unabhängig vom Nietzsche-Typischen zu interpretieren wissen! Das heißt er muss diese verdeckten, aber nun mal tatsächlich gegebenen, zugehörigen und bestehenden internen Zusammenhänge kennen!


Direkt darauf folgend notierte Nietzsche sich geistig rückwärtsgewandt wie in so gut wie allem:

Es wäre entsetzlich, wenn wir noch an die [christlich gefärbte] Sünde glaubten [inzwischen war bei Nietzsche die Enthemmung so weit gediehen, dass er für sich die „Wahrheit“ gelten ließ, dass nach seiner selbstherrlich-eigenhändigen Tod-Erklärung Gottes 3.467  „alles erlaubt 11.88  wäre!]: sondern was wir auch thun werden, in unzähliger [ewiglicher!] Wiederholung, es ist unschuldig [d.h.alles wäre damit jedwedem „schlechten Gewissen“ enthoben?!].  Wenn der Gedanke der ewigen Wiederkunft aller Dinge dich [als alles bestimmende Wahrheit und alles entschuldigenden „moralischen Kraftakt“, so, wie das für Nietzsche gelten sollte? - auch Dich] nicht überwältigt [hat], so ist es keine Schuld:  und es ist kein Verdienst, wenn er es thut. -

Das wäre der denkbar erlösendste „Ablass-Handel“ gewesen, der Nietzsche einfallen konnte, um seine Skrupel vor dem eigenen Tun gegenüber „den Anderen“ zu verdrängen!]

Von allen unseren Vorfahren denken wir milder als sie selber dachten, wir trauern über ihre einverleibten Irrthümer [ohne dabei an seine eigene Geneigtheit zu aller-größten Irrtümern zu denken!], nicht über ihr Böses.

1. Die mächtigste Erkenntniß [selbstverständlich im Superlativ!].

2. Die Meinungen und Irrthümer verwandeln den Menschen und

geben ihm die Triebe - oder: die einverleibten Irrthümer.

3. Die Nothwendigkeit und die Unschuld.

4. Das Spiel des Lebens. 9.496f

All das so dahergesagt, als ob es sich um Fakten handeln würde, ohne sie zu begründen!

 Damit hatte Nietzsche unter Auslassung des Denkens die wesentlichen Gedankensplitter zu dem beisammen, was seinen „Zarathustra“ ausmacht und für Nietzsche leichtsinnigerweise das Gewicht einer „Lehre“ erreichte, die alle angehen sollte und würde und die Er seinem alleinigen, einzigartig ihm eingeborenen „Sohn Zarathustra“ zu verkünden übertrug und worauf dessen Macht sich durchzusetzen zu gründen gewesen war und mit welcher Nietzsche „die Anderen“ - in seiner letztlich effektiven Machtlosigkeit! - immer wieder in seinen noch folgen sollenden Büchern unter allerlei Vorwänden zu überreden hatte.

Im Juli-August 1882 erfüllte sich für Nietzsche in Tautenburg ein lange geplantes Zusammensein mit „seiner“ nicht nur platonisch, dennoch aber auch nicht wirklich „geliebten“ Lou von Salomé, die oft zusammen-saßen und sprachen, wie Lou das festhielt, „wie 2 Teufel ASL.84.  Dazu machte sich Nietzsche auch Notizen zur Anleitung und Belehrung von Lou als seine Jüngerin, die sein „Denken“ in die Welt hinaustragen sollte, was nur sehr kurzzeitig hielt, weil ihr entfernt nicht danach war, seine Lehre“ zu übernehmen! - Unter solchen Perspektiven gelangen ihm einige unfreiwillig-verräterischen Aussagen und Schnappsideen über ihn selbst, d.h. über die unrealistische Rolle, die er sich zugedacht hatte, wie er sich sah und wie er wahrgenommen sein wollte:

 

Wer das Große [den für Nietzsche immer so wichtig gewesenen grenzwertig nicht überschreitbaren Superlativ!] nicht mehr [so ging es ihm selber!] in Gott findet, findet es [alles aus eigner Erfahrung - und auch nur das gelten lassen will!] überhaupt nicht vor und muß es leugnen oder - schaffen - schaffen helfen. 10.32 u. 10.194 [so, wie er es tat bei seiner übermenschlichen Zukunfts-Aufgabe für die Menschheit, die sich aufgeben sollte für seine „geniale“ aber am Leben und Erleben des Einzelnen völlig vorbei-gedachte und unnachgiebig auch vorbei-denken wollende „Übermenschen-Idee“.

Die ungeheure Erwartung in Betreff der Geschlechtsliebe verdirbt den Frauen das Auge für alle weiteren Perspektiven. 10.32 u. 194

Als ob gerade Er darüber viel wissen würde, hatte Er es doch gerade verpasst, die „dem Leben“ gesetzte Begrenzung zur Zukunft hin durch etwas so Einfaches wie Fortpflanzung via praktizierte Sexualität zu „überschreiten“!


Heroismus - das ist die Gesinnung eines Menschen, der ein Ziel erstrebt, [so unendlich groß und ins Unendliche hinein, dass er sich selber getrost dafür durchstreicht, um dies, wegen seiner eigenen Göttlichkeit vor „allen Anderen“ - aber nicht „in Wirklichkeit“! - zu erreichen; - und] gegen welches gerechnet er [als das, was er tatsächlich zu sein vermochte und vermag] gar nicht mehr in Betracht kommt [verglichen mit dem Besitz und der Verteidigung dieses für Jahrtausende gelten sollenden „Zieles“, - nämlich über dieses zu einer eine Ewigkeit lang dauernden Geltung und Anerkennung zu kommen!]. 

Heroismus ist der gute Wille [so verpackte Nietzsche sich das zu ihn erhöhenden Schlaubergereien] zum absoluten Selbst-Untergang [mit dem Ausgang aber, dadurch als der Gott kommender Jahrtausende eine höchst eigene, nur an ihn gebundene „ewige Bedeutung“ zum hart erworbenen Lohn zu erhalten!]  Der Gegensatz des heroischen Ideals ist das Ideal der harmonischen All-Entwicklung:  ein schöner Gegensatz und ein sehr wünschenswerther! Aber nur ein Ideal für gute Menschen! 10.32

Was nach wessen Urteil bestätigend zu bewerten gewesen wäre?

Derartiges hat sich Nietzsche längstens, noch diesseits von Gut und Böse übrigens, teils in gleichem Wortlaut, mehrmals notiert.


Zur „Fröhlichen Wissenschaft“, speziell zum darin so bevorzugten „Sanctus Januarius“

als dem darin zur Sprache gekommenen 4. und modernsten Teil letzter „Erkenntnisse“ Nietzsches heißt es gemäß einer aktuellen Beurteilung seiner Gefühlslage von ihm:

Dies ist kein Buch [von wie üblich insgesamt 229 Seiten im damals vorliegenden Umfang der Bücher 1 bis 4, wobei der 4. Teil, von Aphorismus 276 bis 342 im Umfang von 51 Seiten den eigentlichen „Sanctus Januarius“ bildet]: was liegt an Büchern! An diesen Särgen und Leichentüchern!  Vergangnes ist der Bücher Beute [und sollte nicht auch gelten für das Buch, das Nietzsche damals seiner Zukunft weihte!? - So dichtete er fort]:

Doch hierin [im „Sanctus Januarius“ in besonderem Maße!!] lebt [in eklatantem Widerspruch zur soeben getanen Aussage!] ein ewig Heute. 10.35

Das jedoch war auf nichts gebaut, als auf seine ihm ewig und zu seinem Ruhme ihm vorschwebenden wirklichkeitsfremden Ideale!


In allem Verkehr von M<enschen> dreht es sich nur um Schwangerschaft. 10.32

Auch das betraf vor allem sein Schaffen, sein „Büchergebären“, als eine Form dauernd und immer wieder praktizierter „Gesetzestexte“ zur Selbstberechtigung und Selbstbefriedigung!


Liebe ist für Männer etwas ganz Anderes als für Frauen.  Den Meisten wohl ist Liebe eine Art Habsucht;  den übrigen Männern ist Liebe die Anbetung einer leidenden und verhüllten Gottheit. [Oder auch nur die Gelegenheit, sich irgendwo und wie seines Spermadruckes zu entledigen?]  Wenn Freund Rée dies läse, würde er mich für toll halten. 10.37

Wohl weil das Nietzsches sehr eigene Lesart war und entfernt nicht so allgemein galt, wie er das momentan gelaubt haben wollte!  Freund Paul Rée (1849-1901) übrigens war zu der Zeit der eigentliche, aber auch deutlich auf Abstand gehaltene Freund der Lou von Salomé.  Nietzsche hatte sich, diese Tatsache, typisch für ihn, in seiner Selbstmittelpunktlichkeit wenig beachtend - als 5. Rad am, wie realiter photographisch überliefert, letztlich nur zweirädrigen Wagen der beiden gewissermaßen! - jedoch in dem Gefühl, dass sich auch da alles nur um ihn drehen müsste und alles, was dem widersprechen würde, auszuschließen versucht - immer wieder in den Mittelpunkt der Dreiecksbeziehung gedrängt.


Wie geht es? - Es gab nie einen schöneren Tag in Tautenburg als heute.  Die Luft klar, mild, kräftig: so wie wir Alle sein sollten.

Von Herzen F. N. 24.8.82

An Lou von Salome gerichtet.


Im Sommer-Herbst 1882 notierte Nietzsche sich, wie immer planerisch und auf Zukünftiges gerichtet, auch:

Auf hoher See   Ein Sentenzen-Buch [ein Buch mit allgemeingültigen Sinnsprüchen oder auch Aphorismen.]  Von Friedrich Nietzsche [von wem sonst?  Aber er liebte es, sich in seinen Notizen namentlich vorkommen zu lassen!]

So war es zwar geplant aber nie zur Ausführung gekommen, mit den auf ihn selber verweisenden Versen:

Dorthin will ich!  Und ich traue Mir fortan und meinem Griff

Offen ist das Meer, ins Blaue Treibt mein Genueser Schiff

[welches nie „trieb“, sondern immer Trieb- und Zielgerichtet gesteuert wurde und belastet war mit einer wesentlich seelischen „Schlagseite“ aufgrund einer grenzwertig-superlativen Gleichsetzung seiner gewagten, aber längst schon erfolgten Identifikation mit dem Schiff des Neue-Welten-Entdeckers „Christopherus Columbus“, 1451-1506, ein italienischer Seefahrer aus Genua, wo Nietzsche diesem möglichst nahe - nicht ohne dieser Gleichsetzung wegen! - seine Winter zu verbringen liebte!].

Alles wird mir neu und neuer [mit den 1881 lt. Brief „an seinem Horizont aufgetauchten Gedanken 14.8.81  hielt er, weiter enthemmt, immer neuere Gegebenheiten für wahr und möglich!],

Weit hinaus glänzt Raum und Zeit - Heil dir, Schiff!  Heil deinem Steuer!  Um dich braust [wie ein Unwetter etwa?] die Ewigkeit! - 10.53, was eine geradzu infantile Vorstellung war.


Das und auch sein dichterischer Anspruch aufs Irreale waren durchaus unmittelbarster Ausdruck und Ausbruch seines Lebensgefühls:

Nie noch fand ich das Weib, von dem ich Kinder mochte, es sei denn dieses Weib, das ich liebe:  denn ich liebe dich, oh Ewigkeit!  Denn ich liebe dich, oh Ewigkeit! 4.290

- Das einzig offen stehende Tor jedoch, etwas von seinem höchst eigenen Sein in die angepeilte Richtung „Ewigkeit“ bringen zu können, - so, wie sich das fast einem jeden öffnet, hat er - wegen der diesem Pfad innewohnenden Gewöhnlichkeit? - nicht aufzustoßen vermocht!  Da die ihm viel billiger zukommenden, weit weniger physischen Aufwand kostenden Worte, die er stattdessen massenhaft darauf zu verschwenden liebte und ihm auf den Moment seiner Existenz hin wohlfeiler erschienen? - Oder waren ihm diese einfach nur viel leichter „zur Hand“ als in der Realität des Lebens sein Sperma dorthin gelangen zu lassen, wo es unter der „tierischen“ Wahrung seiner sozialen Pflichten seine absolut einzigartige Wirkung vollbringen kann?


Danach folgten die Notizen:

Schweigsame Reden Ein Sentenzen-Buch.

Und hieß dann wohl

Jenseits von gut und böse.“ [auch ein] Sentenzen-Buch. 10.53

Das war das Buch, welches nach seinem ge- und erdichteten Zarathustra“, der im Laufe der Jahre auf 4 einzeln veröffentlichte, je rund 100-seitige Teile anwuchs und mit seinem letzten Teil, wesentlich später, erst 1886, erscheinen sollte.

Dabei war mit dem „Sentenzen-Buch“ nach dem Ausflug in die Dichtung und sogar die „Symphonien“ nur gemeint, dass er zum altüberkommenen Aphorismen-Trott, wie schon immer gepflogen, zurückkehren wollte.

Es war eine Zeit der Pläne für all das, wozu er sich - die Welt „geistig“ zurechtrückend und auf Vordermann“ bringend - zu äußern gedachte.


Ersteinmal erfolgte in der Zeit von Sommer bis Herbst 1882 eine Reihe vielsagend verräterischer Notizen:

So sprach ein Heiliger: „ich liebe Gott - denn der Mensch ist eine zu unvollkommene Sache. Liebe zu einem Menschen würde mich zerstören.“ 10.54

Denn mit einer „unvollkommenen Sache“ sich abzugeben, damit konnte Nietzsches grenzwert-bedürftigem, auf Superlative versessenem Naturell, nicht ausreichend ehrgeiz-befriedigend gedient sein und werden!  Dazu passend aber gibt es keine Notiz des Inhalts, der vielleicht verraten würde, dass Nietzsche selber zu dieser als unvollkommen erachteten „Sache“ - auch nicht als „Heiliger“! - zu zählen gewesen wäre, diesem jedoch sehr nahe gestanden hätte!  Un-überdacht und nicht angesprochen blieb durchgehend auch, wie sehr doch der da wieder einmal erwähnte Gott“, wie in allen, so auch in Nietzsches „Religion“, eine letztlich doch immer deutlichst „unvollkommene“, jedenfalls alles andere als eine „vollkommene“ „Sache“ geblieben ist.


Du [damit meinte Nietzsche sich selbst!] bist gegen Alles, was bisher Werth hatte, kalt geworden, du bist kälter als Eis - aber wer dich jetzt anrührt, sagt [so wünschte sich das Nietzsche!] du seist glühend geworden:  und zieht schnell seinen Finger zurück, im Glauben, du habest ihn verbrannt.  Und es wird bald Menschen geben, welche dich aufsuchen [heiß und innig, nach Nietzsches heiß-innigem Wunsch, denn in seiner un-proportionalen Überhöhung - oder gerade wegen dieser! - wollte er geliebt sein, indem und] um [den Anderen Gelegenheit zu geben] sich an dir [an seinen so genial ersonnenen Hoffnungen und Illusionen!] zu wärmen“ [was ja dank massiver Propaganda für ihn auch vielfach geschehen ist!  Und auch hier war wieder mal der Wunsch der Vater der selbst-mittel-punktlich positiv wirken sollenden Sequenz gewesen; allerdings ohne einen Bezug darauf, dass im Maßlosen ein Zuviel oder Zuwenig an Temperatur auf gleiche Weise verletzen kann.

Er hatte hier, wie immer nur, seine Wirkung im Sinn und dachte nur daran, wie sich die Menschheit, auf ihrem Weg zum Übermenschen - sein Wollen verwirklichend! - an ihm würde tröstlich erwärmen!]  Es ist verrätherisch, wenn Jemand nach Größe strebt [denn die beanspruchte Er für sich, für sein Ich vor all „den Anderen“ - Da gab es nämlich superlativ nur Platz für ihn, den Einen!]  Die Menschen der besten Qualität [nach herkömmlichen Maßen!] streben [typisch für „die Anderen“!] nach Kleinheit. 10.55

So behauptete er einfach nur; - in auffälligem Gegensatz zu ihm!


Wer uns nicht fruchtbar macht, wird uns sicher gleichgültig.  Wen wir aber fruchtbar machen, den lieben wir deshalb noch lange nicht [da er mit Sicherheit seiner eigenen Wege gehen wird?]. Wirf deine Worte deinen Thaten voraus:  verpflichte dich selber durch die Scham vor gebrochnen Worten. 10.55

Auch wenn Du diese gar nicht erfüllen kannst? - Weil sie halt viel leichter gesagt waren, als je getan zu werden?


Die Menschen sind nicht gleich! - So spricht - die [von Nietzsche beargwöhnte] Gerechtigkeit 10.58  Denn wer spräche für diese so?  In diesem immer gern wiederholten Punkt hatte sich Nietzsche den Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit nicht einverleibt und ihn nicht begriffen, - denn und aber:  Den Ungleichen stehen nicht ungleiche Rechte zu!  Sie haben nach dem übergeordneten Entscheidungen ihres Kommens und Gehens hinieden in ihren zwangsläufigen Unterschiedlichkeiten nur die gleichen Rechte, - darin sind sie sich gleich:  Ansonsten gilt:

Ein jeder nach seiner Art und Fähigkeit, wie er/sie es versteht sich zu er- bzw, zu be-weisen!

Dieser Tatsachenbestand war für Nietzsche aber unverständlich, für ihn zu kompliziert, als dass er ihm verständlich genug gewesen wäre, ihn gedanklich, seinem Gefühl entgegen, nachzuvollziehen.

Da blieb Er lieber an der ihm einfacher-verständlichen Gleichsetzung von Verschieden auf ganzer Linie, sowohl nach „Gestricktheit“ als auch nach „Rechten“, hängen.


Das war der wesentliche Punkt, in welchem der sich selbst so gern und ausgiebig überschätzende Nietzsche weder die Moral“ noch Kant begreifen konnte und deshalb glaubte, sich auf wohlfeilst-verächtliche und sehr billige Art über Kants unverstandenen „kategorischen Imperativ“ lustig machen zu dürfen und sich über diesen hinwegzusetzen, wozu, als Voraussetzung, eigentlich nur gehörte, dessen an sich sehr einfache Konsequenzen nicht begreifen zu wollen!


Wer das Ideal eines Menschen geschaut hat [den „Übermenschen“ nämlich, das war Nietzsche passiert!], empfindet den Menschen als dessen Carikatur. 10.59

Das hatte sich Nietzsche, 10.24, schon einmal notiert, denn es bewegte und wurmte ihn, nichts elementar Handfestes für eine ihm nutzbare Ungleich-Berechtigung, für eine überzeugende Bevorzugung seiner Existenz vor „den Anderen“, finden zu können und dahingehend nichts unschlagbar Überzeugendes gefunden zu haben!

Als Belehrung für Lou aber machte sich der niedergeschriebene Spruch sehr gut, um vor ihr mit teuflischer Weisheit zu glänzen, obgleich es genauer betrachtet gar keine „Weisheit“, sondern eine geschickt-töricht umschriebene Blödigkeit war.


Übrigens:

Es gibt, zu dem von Nietzsche nach 1870 nur selten noch angesprochenen Thema „Carikatur“, dem lächerlich-erscheinenden Zerr- und Spottbild des „normalen Menschen“

a) aus dem Sommer 1883 sowie b) dem Frühjahr 1888 zwei jeweils erhellende Aussagen zu seiner

c) zuletzt gemachten unklaren Aussage im Januar 1889 hinsichtlich der „Caricatura“ als genutztem italienischen Wort.  Es heißt da, jeweils aus persönlichster Erfahrung:

a) Wehe! Du hast sein Ideal geschaut! Nun wirst du an ihm selber

fürderhin nur seine Carikatur sehen. 10.393  und

b) Der Mensch, eingesperrt in einen eisernen Käfig von Irrthümern, [ist? wäre? - weil er es so sehen wollte! - und dies aufgrund seines Zeierlei-Maß nicht auch für sich selber gelten lassen musste] eine Carikatur des Menschen geworden, krank, kümmerlich, gegen sich selbst böswillig, voller Haß auf die Antriebe zum Leben, voller Mißtrauen gegen alles, was schön und glücklich ist am Leben, ein wandelndes Elend:  diese künstliche, willkürliche, nachträgliche Mißgeburt, welche die Priester aus ihrem Boden gezogen haben [den?], der Sünder“:  wie werden wir es erlangen, dieses Phänomen trotz alledem zu rechtfertigen? 13.453

Wobei Nietzsche, umwertend-denkend, vergessen zu haben schien, dass Er im Jahr 1888 und folglich nicht mehr im Mittelalter lebte.

Und schließlich, unmittelbar vor seinem endgültig nicht mehr zu verheimlichenden Wahnsinns-Ausbruch, schrieb Nietzsche auf Messers Schneide - in der schwierigen Ausdeutung, wie das - wäre er da nicht „Gott“ - überhaupt zu verstehen wäre, eine Briefstelle vom 6. Januar 1889, in der es heißt:

Ich gehe überall hin in meinem Studentenrock, schlage hier und da

Jemandem auf die Schulter und sage:  siamo contenti?  son dio, ho

fatto questa caricatura … 6.1.89

Auf Deutsch:

Sind wir glücklich?  Ich bin [der? - ein?] Gott, der diese [und auch all die anderen, mit Schulterschlag begrüßten, noch fernab aller erstrebten Übermenschlichkeit gegebenen] Karikaturen gemacht hat …“ -


Diese Karikaturen? - Diese Spott- oder Zerrbilder? - Diese Witze? - Diese Scherze? - Diese lächerlichen Ausgangsexemplare für das, was er mit seiner Lehre“ und „Züchtung“ erst daraus machen wollte! - verglichen mit dem „Übermenschen“ natürlich, dessen Ideal Er schließlich geschaut, erstrebt, erfunden, erschaffen zu haben glaubte, was tatsächlich aber nur ein unter falschem Titel laufender heilloser Betrug, ein Fake, gewesen ist! -

Das hieß, dass Er sich an seinem geistigen Ende angekommen ernsthaft als Schöpfergott des „Übermenschen fühlte und damit also, für sich, wohl ein solcher auch war und sich, im zusätzlichen Gefühl der Vollendung versöhnlich geworden, dem gerade auf die Schulter Geschlagenen, sanft, wie er tatsächlich ja war, nicht seine tiefe Verachtung, so, wie er selbst ihn - in sich tatsächlich überwunden zu haben glaubte! - eigentlich einschätzte, aber ihm nicht einfach ins Gesicht sagen wollte, wie abstoßend er ihn fand, sondern in verschleierter Form so meinte, wie es sich aus seinen lange zuvor schon gemachten Notizen ergibt:

Hatte er doch „das Ideal eines Menschen geschaut 10.24 und begegnete nun - in seiner Realität tatsächlich zu einem Gott geworden! - einem an sich wohl ganz netten, aber überwundenen oder zu überwindenden Menschen, der ihm doch eigentlich, laut seiner Notiz des Jahres 1882 als Carikatur seines Traumes erscheinen musste!


Wer ein Führer der Menschen werden will [und das wollte Nietzsche, ums Verrecken und als Mindestes!], muß ihnen eine gute Zeit als ihr gefährlichster Feind gelten wollen. [Des Glaubens dabei, dass es tatsächlich so wäre, wie er es empfand:]  Die Menschen laufen Jedem nach, der ihnen einzureden weiß, sie hätten ihren Weg verloren:  es schmeichelt sie so, zu hören, daß sie überhaupt einen Weg haben. 10.60

So, wie Nietzsche, sich selber schmeichelnd, glaubte, dass es für ihn einen „Weg der Größe 3.194 gegeben habe und er überhaupt und nach langem Suchen endlich, endlich auch einen gefunden hätte!  Was ihm geschmeichelt hat, in dem Gefühl, dabei erfolgreich gewesen zu sein.


Aus dem Auge aller Richtenden blickt der Henker.  Wenn man sich über gut und böse erhoben hat, sieht man auch in der Tragödie nur eine unfreiwillige Komödie. 10.62

Da Henker und Erhoben-Überhobene als Beispiele für selbsternannte Gesetzesgeberei nicht taugen! Oder, stattdessen auch nur, da jenseits aller Maße auch der Ernst sich verloren zu haben scheint?

Das waren lauter „Bonmots“ die aussahen als stecke dahinter mehr, gar ein „etwas Besonderes wissender Geist“!  Deshalb die ewige philosophische Maskerade seinr an sich, wenn man ihrer eigentlichen Bedeutung und Umgebung nahe kommt, nur  blödsinnigen Sprüche.


Philosophische Systeme sind die bescheidenste Form, in der Jemand von sich selber reden kann - eine undeutliche und stammelnde Form von Memoiren. 10.62

Auch das formulierte Nietzsche sich zu eigenen Gunsten, - schließlich war Er es, der vor allem auch da von sich selber reden musste, wo er seine Erinnerungen selbstherrlich zu allgemeingültigen An- und Einsichten erhob.


Die tragischen Naturen zu Grunde gehen sehen und noch lachen

können, über das tiefste Verstehen, Fühlen und Mitleiden mit

ihnen hinweg - ist [wäre das tatsächlich?] göttlich. 10.63

In altüberkommenem Sinne?  Selbst nachdem Nietzsche Gottes Tod längst gründlichst und lauthals verkündet hatte, gefiel er sich noch in solch platten Tiraden, die daher kamen, als würde er Fakten verkünden?


Es ist kein Zweifel, von den Gläubigen dieser Sache wird viel gelogen und betrogen: folglich ist Alles an dieser Sache [diesen Entwürfen, wie auch an den Seinen!] Betrügerei und Lüge“ - so schließen die Oberflächlichen.  Wer den Menschen tiefer kennt [wie unbewiesener Weise Er?], wird umgekehrt [in typisch Nietzschescher haltlos taumelnder Umwertungsmanie!] schließen: folglich ist an dieser Sache [an diesen Entwürfen und Behauptungen] etwas Wahres: ihre Gläubigen verrathen so, wie sicher sie sich fühlen und wie ihnen jeder Köder gut dünkt, wofern es nur Jemanden [auf totalitär gedachte Weise] zu ihrer Sache lockt." 10.63

Das gilt als ein „gekonntes“ Beispiel für seine verzerrende und verzerrte Sicht auf die ihn umgebende Welt, zu der es von ihm ausgehend keiner Beweise bedurfte!


Die Unschuld der Lüge ist das Zeichen des guten Glaubens an eine Sache. 10.63

Derlei gehört zu den Sprüchen, mit denen Nietzsche Lou in Tautenburg zu beeindrucken und um den Finger zu wickeln versuchte, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie diese Art subjektiver Urteile bei „Anderen“ ankommen würde.

Für Lou waren das die Sprüche, die sich anhörten, als ob „2 Teufel ASL.84 miteinander reden würden, denn sie hatte dazu weit mehr Distanz als der das alles zu ernst nehmen müssende aber auch wollende Nietzsche, der sich vor Lou in eine „Lehramtsrolle“ versetzt fühlte und sich dem entsprechend benahm.


Hohe Empfindungen“, „erhabene Gesinnung“ nennt ihr es: ich sehe nicht mehr als Lüsternheit nach Höhe und die Krämpfe eines moralischen Ehrgeizes. 10.65

So galt das für ihn, aus seiner „hohen Warte“, aus der heraus Er „den Anderen“ seine unmöglicherweise erreichte Höhe nicht zuzutrauen gedachte!


Dein Schritt verräth, daß du noch nicht auf deiner Bahn schreitest, man müßte dir ansehen, daß du Lust zu tanzen hättest. Der Tanz ist der Beweis der Wahrheit. 10.65

Was für den ästhetisierenden Nietzsche wieder einmal als ein rein „ästhetizistisch fundiertes Argument“ zu gelten hatte und weil es innerhalb seiner Erlebenswelt bleibend keine besseren Argumente gab und geben konnte.


Moral ist jetzt die Ausrede für die Überflüssigen und Zufälligen, für das geistes- und kraftarme Gewürm, was nicht leben sollte - [was natürlich und typischerweise immer die Anderen“ betraf und nicht für ihn selber gelten sollte und durfte!  Wozu brauchte Er denn - auf höchst überflüssige Weise! - eine „neue Moral“, da Er doch „die Anderen“ gar nicht auf seiner Rechnung hatte?  Und dazu wollte er noch - wider alle interne Logik! - als deren erstmaliger Erfinder gelten? - Nietzsche hätte sich selber niemals als „überflüssig“ oder „zufällig“ und auch nicht als Gewürm daherkommend empfunden!  Er hätte sich keineswegs den Gesetzmäßigkeiten und Konsequenzen seiner „ewigen Wiederkunft“ unterworfen erleben können, denn da hörte der Spaß der übersehenen Widersprüchlichkeiten für ihn auf! Obgleich er doch mindestens genau so zufällig wie alle anderen über die Erde schritt, aber so klug und weise war, sie bei genau dem „erwischt“ zu haben, was auch für ihn selber galt!  Das waren die von Nietzsche für unwert und überflüssig befundenen unerträglichen Zeitgenossen, die er ganz klar, im Gegensatz zu sich, verstand und auch so erdünkelt benennen durfte! - Die bisherige] Moral ist insofern Barmherzigkeit: denn sie sagt [wie er zu sich im Übermaß!] zu jedem du bist doch etwas sehr Wichtiges“:  was freilich eine Lüge ist. 10.65

Genau so, wie diese einfach daher-behauptende Feststellung eine zweckdienliche Lüge zugunsten Nietzsches gewesen ist.  Und eine Lüge ist auch das Gegenteil davon gewesen, denn welche Instanz wäre vorgesehen, das eine vom anderen sauber, fair, ohne Vorteilsgewinne, ehrlich zu unterscheiden?


Das schlechte Gewissen ist die Steuer, welche die Erfindung des guten Gewissens den Menschen auflegt 10.67 [das klingt, so, für sich genommen, wie eine kluge Beobachtung bestehender Verhältnisse, entsprang aber seinem schlechten Gewissen“, von dem er sehr wohl etwas spürte, bei all dem, was er da als „Teufel des Eigensinns 3.562 von sich gab und zu seinem Vorteil für sich reserviert sehen wollte!]


Du willst gerecht sein?  Unglückseliger, wie willst du Jedem das Seine geben? - Nein, das will ich nicht [dazu war Nietzsche viel zu totalitär einseitig und satt selbstmittelpunktlich angelegt. Deshalb hieß es bei ihm:]  Ich gebe Jedem das Meine [denn das war der viel einfachere Weg um die Paraderolle seiner autoritären Auf-sich-selbst-Bezogenheit auszuleben, denn]: das ist [wäre für ihn] genug für einen, der nicht der Reichste [in dem, was er zu vergeben hätte!] ist. 10.67

Das war er selbst, als Entschuldigung gewissermaßen, da er meinte, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein!

 

Nietzsches Absicht zu dieser Zeit, wie schon immer, war, sich und seine Weltsicht in möglichst großem Umfang als die einzig Richtige von allem Möglichen herauszustellen.

Aber auch da konnte er er sich nur über seine Bauchgefühle kompetent äußern und das eigentlich Wichtige seiner Antriebe darin und damit verraten.  Dazu gehören Notizen aus dem eigenen Ich - jeweils mit Weltgeltung erlassen! - wie beispielsweise:


Wer das Ideal eines Menschen geschaut hat, empfindet den wirklichen Menschen als dessen Carikatur. 10.59

Wer ein Führer der Menschen werden will, muß ihnen eine gute Zeit als ihr gefährlichster Feind gelten wollen.

Die Menschen laufen Jedem nach, der ihnen einzureden weiß, sie hätten ihren Weg verloren: es schmeichelt sie so, zu hören, daß sie überhaupt einen Weg haben. 10.60

Das alles war unmittelbar auf ihn und seine eigenen Wünsche bezogen wie auch das Folgende:


Die Einsamkeit macht uns härter gegen uns und sehnsüchtiger gegen die Menschen [war es doch, wie er das sah, seine Aufgabe, diese zum „Übermenschen“ zu führen! - „nur!“ - und]:  in Beidem verbessert sie [die Einsamkeit, die er selber so unmittelbar bevorzugte!] den Charakter. 10.67 [Seinen? - Weil dies halt das und alles war, was er „den Anderen“ zu bieten hatte!?].


Man ist am strengsten gegen seinen [eigenen?  selbsterschaffenen?] Gott [wenn man denn einen hat!]: er darf [als gehütetes und zu behütendes Superlativum!] nicht sündigen! 10.67  Und nicht als „sündig“ gelten, d.h. nichts Defizitäres enthalten, werden, und zulassen!  Um die Gläubigen, seine Anhänger, nicht zu verstören und zu enttäuschen!


„Hohe Empfindungen“, „erhabene Gesinnung“ nennt ihr es:  ich sehe nicht mehr als Lüsternheit nach Höhe und die Krämpfe eines moralischen Ehrgeizes.

Dein Schritt verräth, daß du noch nicht auf deiner Bahn schreitest, man müßte dir ansehen, daß du Lust zu tanzen hättest.  Der Tanz ist der Beweis der Wahrheit.

Aber warum sollte das ausgerechnet so und zudem wahrhaftig so sein?


Ich glaube an nichts mehr“.  Dies ist die richtige Denkweise eines schöpferischen Menschen 10.67  [für den Nietzsche sich in seiner destruktiven Veranlagung hielt und woraus er seine auf seiner Doppelmoral beruhenden, hochgestochene Daseinsberechtigung, sogar als seine Daseins-Notwendigkeit - des grössten Schwergewichts FW.341 sog! - Das bedeutete letztlich aber nur, dass „die Anderen“ an nichts mehr glauben sollten, als ihm und an ihn, - auf dass schließlich doch, nach seinem sehnlichst sich erfüllen sollenden Wunsch, für ihn gerechterweise, die zu tätigenden Gelübde der kommenden Jahrtausende auf seinen Namen hin zu erfolgen hätten!]


Der Reiz der Erkenntniß [die bei Nietzsche immer nur eigenen Erfindungen und Maß-Setzungen entsprangen] wäre gering, wenn nicht auf dem Wege zu ihr so viel Scham [so viel letztlich auch berechtigter Widerspruch gegen all das von Nietzsche so Ersehnte? - nicht mit so viel nur eingebildetem „Erfolg“, den er sich aus seinem Tun mühsam zusammenrechnen wollte?] zu überwinden wäre.

Denn woraus bestünde sonst die von ihm gespürte, gefühlte, unvermeidliche Scham auf dem Weg zur Erkenntnis?  Bei Nietzsche resultierte sie aus der schwächlichen Unsicherheit der Argumente, die Er seiner dürftigen, nur ihn hervorhebenden Doppelmoral-Weltsicht, zu unterlegen verstand! - Glücklicherweise schämte er sich wenigstens dafür! - was als ein gewissermaßen gerechter Preis gelten könnte.


Die Erkenntniß um ihrer selber willen“ - das ist der letzte Fallstrick, den die Moral legt: damit verwickelt man sich noch einmal vollständig mit ihr.

Denn um ihrer selber willen ist sie nichts und geschieht auch nicht um ihrer selber willen:  Sie hat immer ein Ziel, - auch bei Nietzsche:  Nämlich seine Gültigkeit festzustellen!  Aber für wen? - Und an dieser Gültigkeit - die sich nicht im geringsten nur um Nietzsche drehen müsste! - wird jede „Moral-Frage“ gemessen, - nach Punkten, die sich nach dem Umfang ihrer Gültigkeit für „die Anderen“ bemisst, - und das auf ewig vollkommen unabhängig von Nietzsches wie immer auch betrachteten Existenz!].


Wo der Baum der Erkenntnis [von was und warum?] steht, ist [befindet sich?] immer noch das [damit gewiss sehr fragwürdig definierte] Paradies.

Für Nietzsche war das immer noch der „Ort“, an welchem er sich bestätigt zu sehen versuchte für tausende von Ewigkeiten!


Die Moral selber war der erste Sündenfall: die Moral selber ist die Erbsünde“ - so denkt jeder Erkennende.

Womit Nietzsche sich im Ringen um eine eigene, nach seinem Wesen gestrickte und tickende Moral mal wieder, wie so oft, mit der Allgemeinheit verwechselte, ohne Einsicht dabei in die nun einmal gegebene Tatsache, dass es das Problem der Moral überhaupt nur wegen dem unvermeidlichen Vorhandensein der anderen Menschen gibt! - die folglich in die Problemlösungen jeglicher Moral einzubinden sind und nicht, wie bei Nietzsche, allenfalls als Kulisse und Verhandlungsmasse geeignet, einfach als störend oder umwertenswert beiseite gelassen werden können!]


Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde. 10.69

[Und das, egal wie, was oder warum denn der Tanz das wichtigste Kriterium für einen Glauben wäre?!   Und wer hätte ihm eingeflüstert wie gut Götter ganz allgemein zu tanzen verstehen? - Und: Ist denn nach Nietzsches „Philosophie“ und „Pfeife“ für die Menschheit - wie beispielsweise nur im  und mit dem „3. deutschen Reich? - am Besten zu tanzen gewesen?


Die Liebe zum Übermenschen ist [war ihm!] das Heilmittel gegen das Mitleid mit den Menschen [die Idiotie dieser Aussage, sieht man dem durchaus ungewöhnlichen Satz - „von außen her“! - gar nicht so ohne weiteres an!]:  an letzterem [amMitleid also, das ihm zur Zeit seiner Schopenhauer-Begeisterung so bedeutsam war] müßte die Menschheit sehr schnell zu Grunde gehen. 10.100

Diese Bemerkung konnte sich, weil sie einst für Nietzsche, wie so Vieles, auf einem einverleibten Vorurteil beruhte, nicht ohne Selbstaufgabe, ewig „volle Pulle“ betreiben.   Nun war in Nietzsche deutlich und entschlossen, aber eben wieder ohne Maß, die neue Leidenschaft nach „Macht“ ausgebrochen.  Wieder ein unverändert maßloser „Einfall“, - vom Übermenschen getränkt und verzerrt dieses Mal, von welchem auch er in keiner Weise wusste, wie diese Chimäre letztlich zu verwirklichen wäre.


Das kleine Leiden [das Mitleiden z.B.] verkleinert uns, das große vergrößert uns.  Der Wille zum großen Leiden sollte also eine Forderung der Selbstsucht sein. 10.100

Das dürfte eine der billigsten Milchmädchenrechnungen der „Philosophie“ - und nicht nur Nietzsches! - gewesen sein.  Schließlich ging es dabei um die Herausstellung seiner Leidens- und sonstigen Größe um seiner Aufgabe 4.7.81 willen!]


Lieber böse Gesellschaft als kleine! 10.100

Denn alles Kleine war Nietzsche ein verabschäuungswürdiger kleinkarierter Riesen-Graus!  Ohne einen Blick dafür, wie „klein“ seine Selbstsucht in allem auf viele Andere wirken musste.


Ein bezauberndes Werk!  Aber wie unausstehlich, daß sein Schöpfer uns immer daran erinnert, es sei sein Werk.  Weiß er denn nicht, daß „der Vater“ immer eine komische Person ist? 10.101

Genau das aber hätte doch, gleichzeitig und über Jahre hin mehrfach geschehen, auch für den Vater von „Sohn Zarathustra“! 11.254 - gelten müssen!  Diese Parallele zu seinem eigenen Verhalten hat Nietzsche auch in weniger verdeckten Fällen nie gesehen und - wohl auch nicht gesehen haben wollen!


Aus einem „ich habe Lust“ [was eine für Nietzsche typisch unfreiwillige Ehrlichkeit war, mittels eines „Amor fati“!] ein „du sollst“ machen [dich also - freiwillig und selbst-entschlossen!? - total einem „höheren Gesetz“ unterwerfen!], die Gewohnheit zur Tugend, die Sitte zur Sittlichkeit umprägen: das ist eine feine alte uralte Falschmünzerei - und ich verstehe mich heute noch auf sie.

Fürwahr!  Das entsprach seinem Naturell, sich so als Schaffender in Szene zu setzen, weil das seinem fruchtlosen Schema der „Umwertung“ zu angeblich neuen, tatsächlich aber uralten Werten gehorchte.


Du sollst“ [das einem „höheren Befehl-Gehorchen“] klingt den Meisten angenehmer [und wichtiger] als „ich will“:  in ihren Ohren sitzt immer noch der Heerden-Instinkt [sich mit dem märtyrerischen „muss“ nämlich moralisch als von „höheren Orts gerechtfertigt und ihm eben märtyrerisch aufgezwungen“ darzustellen, wie Nietzsche es für sich immer, gerne und begeistert in Anspruch genommen hat, - was er hier zugab und gestand, indem er weiter schrieb:] - und ich verstehe mich heute noch auf sie. 10.101

Auf das ungemeine Lustgemisch aus Sollen, Wollen und Müssen!


Faust, die Tragödie der Erkenntniß?  Wirklich?  Ich lache über [Goethes?] Faust. 10.102

Ein Stück hohe Literatur und Geistesarbeit!  Und doch liebte es Nietzsche, Goethe zu erwähnen, wenn es galt, sich gegen ihn, vergleichend und messend, herauszustreichen!  Zudem begriff er die „Erkenntnis“ ganz anders, viel verhängnisvoller in der Maßlosigkeit der zu ziehenden Konsequenzen, welche er, des Glaubens, dass er dazu befähigt sei, sie der Menschheit um seiner Wahrheit willen angedeihen zu lassen, - um damit dem Ernst seiner Maßlosigkeit zu genügen!

Zumindest war es Goethe literarisch gelungen, seinen Faust zu vollenden und ihm eine Form vom Anfang bis zum Ende zu geben, - wovon Nietzsche mit seinem „Zarathustra“ meilenweit entfernt geblieben ist und gezwungen war, diesen als einen Torso und Kadaver einfach am Rand seines Lebensweges liegenlassen zu müssen, unfähig ihm eine eigene, tragfähige, über das Gelegentliche gewisser Szenen hinausgehende eigenständige Form zu geben.


Diesem Eintrag entspricht im genannten Hintergrund auf der unmittelbar folgenden Seite die Notiz - und wozu machte Nietzsche sich solche, wenn das nicht seine derzeit ihm selbst gegenüber ehrlich empfundene Ansicht“ war? -:

Er hat seiner Erkenntnis [seinen „Erkenntnissen“ von 1872 an, - an denen schon etliche „zu Grunde zu gehen gehabt hätten“ 30.1.72 gerne] Menschen geopfert und ist auf nichts so stolz als auf diese Grausamkeit gegen sich selber 10.103  [was allerdings und letztlich nur so viel hieß, dass sein dafür aufzuwendendes Mitleid in vollstem Umfang nur ihm selber zu gelten hatte!].


Zu dem Reigen an Notizen aus der Zeit Sommer-Herbst 1882 gehören noch die 3 sehr persönlich über sein Befinden Auskunft gebenden, dichterisch verfassten Einträge, in denen er seine Größe und Überlegenheit, „den Anderen“ gegenüber, „besungen“ hat und sich fühlend in diesem - es wie am Spieß genießerisch ausmalend - suhlte.  Es heißt da:


Pinie und Blitz.

Hoch wuchs ich über Mensch und Thier; [über alles und Jedermann um ihn her!]

Und sprech ich - Niemand spricht mit mir.

**

Zu einsam wuchs ich und zu hoch:

Ich warte:  worauf wart’ ich doch?

**

Zu nah ist mir der Wolken Sitz, -

Ich warte auf den ersten Blitz.

**

Welcher zu wessen „Enttarnung“ führen sollte? -


Darauf folgten dann, in gleich hochgestochenem Stil, einfach weil ihm gerade danach war, die gedichteten Zeilen:

Portofino

[ein damals noch kleiner von ihm oft besuchter Küstenort östlich von Genua].

Hier sitz ich wartend [und hoffend?] - wartend?

Doch [angeblich völlig Schopenhauer-gemäß willenlos] auf nichts,

Jenseits von gut und böse [worüber Nietzsche bereits parallel zur

Entwicklung seines Zarathustra zu grübeln begonnen hatte], und des Lichts

Nicht mehr gelüstend als der Dunkelheit,

Dem Mittag Freund und Freund der [sehnsuchtsvoll angehimmelten] Ewigkeit. 10.107f

**

Die er nicht oft genug beanspruchen konnte und für die er doch unbedingt in vollem Umfang gelten wollte.  Lauter Elemente um ihn her, um sich - als Mittelpunkt von all dem! - zu schmücken, zu spreizen, sich mit seinem Gemunkel vom zukünftigen Jenseits von allem derzeit Geltenden mit seinem Blick auf seinen „großen Mittag“, der ersehnten geistigen Wende in seinem Sinne, wohlzutun!


Ebenso und zu gleichem Ziel:

Auf hohem Meere.

Freundin - sprach Columbus

 [der Neue-Welten-Entdecker und zugleich Friedrich Nietzsche zu Lou von Salomé?] -

traue Keinem Genuesen mehr!

[Denn „Genuese“ war er gar zu sehr, - im Lebenskreis des Neue-Welten-Entdeckers Columbus/Nietzsche.  In Genua, wo Nietzsche seit 1876 oft war und etliche Winter dort oder in nächster Umgebung zu verbringen liebte, so auch 1882, als er nach Mitte November kurz dahin zurückkehrte, bevor er sich für kurze Zeit ganz in der Nähe, in St. Marguerita Ligure und dann für den anstehenden Winter im nahen Rapallo, niederließ. Von dort aus schrieb und dichtete er:]

Immer starrt er in das Blaue,

Fernstes [im Superlativ natürlich!] zieht ihn allzusehr!

**

Wen er liebt, den lockt er gerne

Weit hinaus aus Raum und Zeit - -

Über uns glänzt Stern bei Sterne,

Um uns braust die Ewigkeit 10.108

Dieses „Brausen“ war immer das unwettermäßig Mindeste, was die Ewigkeit ihm bieten musste, auch wenn es eigentlich um reinen Kitsch gegangen ist, weil bei ihr ein irgendwie realistischer „Inhalt“ weit außerhalb jeglicher Alltäglichkeit und Tatsächlichkeit lag!

**


In diese Lage versetzt und aus dieser heraus wagte Nietzsche, sich in der Zeit von Ende 1882 bis Anfang 1883 zu notieren:

Ich habe von allen Europäern, die leben und gelebt haben, [und wohl auch allen, die noch leben werden? - Aber woher wollte er das so detailliert und sicher wahrheitsgemäß wissen?] die umfänglichste Seele:  Plato Voltaire - - - [was so viel heißen sollte, wie sie alle“, die Berühmten, Unvergänglichen - die steckte er doch mit links und viel gedankenlosem Übermut in die Tasche!] es hängt von Zuständen ab, die nicht ganz bei mir stehen, sondern beim „Wesen der Dinge“ [wenn es ihn jeweils und unvorhersehbar dann  gefühlsmäßig anfallweise so überkam, wogegen er sich nicht wehren konnte, weil er nur Opfer dieser eher pathogenen Geschehnisse innerhalb seines Kopfes war!] -

ich könnte der Buddha Europas werden: was freilich [realistisch betrachtet] ein Gegenstück zum indischen wäre. 10.109 [Denn Er war schließlich unabänderlich europäisch und dort lokal durch und durch egozentrisch durchtränkt und für „die Anderen“ nicht zu haben].


Es lebt Niemand, der mich loben dürfte. 10.112 [Das hatte er sich vor ungefähr 12 Monaten schon einmal, im Winter 1880/81 zu seinem geliebt-bewunderten „Manfred“ aus dem dramatischen Gedicht in drei Akten von Lord Byron 9.388 aus dem Jahr 1817 stammend notiert:

Weil dessen in hochalpin-wilder Landschaft und dort in Burgen hausende hochromantische Figur niemandem das Recht dazu einräumen wollte, ein Urteil über ihn, der über allem zu stehen glaubte, abgeben zu können - oder gar zu dürfen - erlaubt wäre!]


Die Moral ist durch die Freigeisterei [gemeint war seine eigene!] auf ihre Spitze getrieben und überwunden [durch ihn!  In ihrer bisherigen Form erlebbar abgeschafft - und ersetzt durch das, was Er auf der Grundlage seines in größerem Rahmen „Nicht-Denkens“ für richtiger hielt!


Zu diesen überalterten Ansichten passte sein umgehend notiertes:]

Ich rede zu Männern, sprach Zarathustra - heißet die Weiber davongehen. 10.113

Diese dicke Scheibe archaischer Weiberfeindlichkeit konnte Nietzsche sich in/zu seinem Zarathustra-sein“ nicht verkneifen, weil er es für wichtig und richtig hielt, das zu der Zeit geflissentlich in seine Notizen aufzunehmen!  Was er ja auch hätte unterlassen können, wenn es denn geschichtlich nicht zu seinen innersten Überzeugungen gehört hätte und nicht zu ihm hätte gehören und passen sollen!


Einige Seiten weiter leistete Nietzsche sich folgenden Stuss, der nicht nur Deutschen mit Nietzsches irrealem Ruhm besonders hinsichtlich der Gesinnung des 3. Reiches als Massenhysterie in die Knochen gefahren war und in seiner auffallend offenbarten Realitätsferne eigentlich einem jedem von Anfang an auch dessen Ende in Schutt und Asche als vorhersehbar hätte erscheinen lassen müssen:

Ich rathe nicht zur Arbeit, sondern zum Kampfe -

ich rathe nicht zum Frieden, sondern zum Siege.

Eure Arbeit sei ein Kampf, euer Frieden sei ein Sieg. 10.118

Es gibt kaum etwas Dümmeres und Hohleres, was sich so heroisch aufgeputzt, aber ohne an die Wirklichkeit „der Anderen“ zu denken, derart blind aufblasen und ausposaunen ließ und erinnert an den totalitären Moment, als Joseph Goebbels (1897-1945) noch am 18. Februar 1943, unmittelbar nach der verlustreichen Wendeschlacht von Stalingrad die heimtückisch falsch formulierte Frage „wollt ihr den totalen Krieg“ herausschrie und alle brüllten ihr gedankenlos törichtes „Ja“, wonach es kein Zurück mehr gab, wie vielleicht nach einer weit ehrlicher geratenen Frage, ob das deutsche Volk wohl auch „die totale Vernichtung“ gewollt hätte, weil dies seinerzeit doch - allerdings ungesagt! - in Göbbels Kriegsfrage realistischerweise enthalten sein musste!


Schauspieler nenne ich sie (die Mittheilenden [die nicht „schaffen“,

wozu Er aber glaubte, die begnadetsten Fähigkeiten zu besitzen.])

Der Übermensch hat aus Überfülle des Lebens jene Erscheinungen der Opiumraucher und den Wahnsinn und den dionysischen Tanz:  er leidet nicht an den Nachwehen [und auch nicht am Nachdenken über all das im Zusammenspiel mit der ihn und alle nun einmal umgebenden Realität, die sich nicht würde vermeiden lassen, wenn sie von solcherlei Träumereien herausgefordert wird!].  Zu Vielem führt die Krankheit jetzt, was an sich nicht Symptom der Krankheit ist:  Zur Vision.

Der man aber nicht nachhängen, sondern, wenn man denn eine solche hat, sich von einem Arzt, d.h. von einem auf alle Fälle doch kenntnisreichen und erfahrenen Fachmann „beraten“ und ggf. Auch behandeln und korrigieren lassen sollte!


Auch wenn Nietzsche selber sich für einen Philosophen hielt, war er mit seinen beiden „Lehren“,

a) der vom „Übermenschen 3.14 und

b) von der „ewigen Wiederkunft des Gleichen 3.276, doch ein marktschreierisch fanatischer Phantast!  Was hat er darüber hinaus sonst für seine Zeitgenossen an realistisch Förderlichem zustande gebracht?

c) nur ein Glaubensbekenntnis, eine Religon.  Religionen sind immer dem Fanatischen zugeneigt! - In ihnen wird den Menschen ein jeweils ihnen eigener, zumeist störrischer und weltfremder Glauben aufgeschwatzt und aufgezwungen, um sie für die kommenden Jahrtausende an das Größte von allem glauben und schwören zu lassen um diverse Widersacher in Schach halten zu können!

Nur unter dieser Wahrnehmung erhalten Nietzsches  umfangreichen, aber genauer besehen an sich nur sinnlosen, weil von vorn bis hinten vollkommen unrealistischen Äußerungen, einen Sinn“, um dessentwillen sie überhaupt gemacht und für nötig gehalten worden sind:  Zu dem Zweck, dass Er mit seinem Unsinn als der Prophet einer unbewiesenen und sicher für nur eine sehr kleine Clique eine erfreuliche Zukunft vorhersagen konnte!

 

Unter diesem Stern standen all seine Feststellungen, wie beispielsweise auch diese:

Nicht eure Sünde - eure [visionslose?] Nüchternheit [gegenüber diesen himmelschreienden Versuchen, sich mit derlei Versprechungen „Größe“ ergaunern zu wollen! - das] schreit zum Himmel 10.134   Fürwahr!


Wir wollen ein Wesen erschaffen“ wir wollen alle dran Theil haben, es lieben, wir wollen schwanger sein alle - und uns ehren und achten deshalb.  Wir müssen ein Ziel haben, um dessentwillen wir uns alle einander liebhaben! Alle sonstigen Ziele [alle, die nicht die seinen waren, waren gemeint!] sind vernichtenswerth! 10.135

Hier zeigte sich Nietzsche einfach nur besessen, von seinem einen oder beiden „Gedanken“, die in Wirklichkeit nicht für das standen, was ihr Blödsinn zu versprechen schien.


Etliche Seiten weiter, aber noch aus der angegebenen Zeit von November 1882 bis Februar 1883, stammt, als eine unter vielen, seine Notiz:

Alle Ziele sind [wären, damit, dass Nietzsche zu Beginn des 3. Teils der 1882 veröffentlichten „Fröhlichen Wissenschaft“, einfach behauptet hat, dass „Gott todt ist“?] vernichtet.  Die Menschen müssen sich eins [ein neues Ziel, ein Nietzschesches, außerhalb aller Christlichkeit stehendes Ziel] geben.   Es war ein Irrthum, daß sie [in Gott!] eins hätten:  sie haben sie sich Alle [Ziele selber!] gegeben [wer sonst sollte sie ihnen denn gegeben haben?].  Aber die Voraussetzungen für alle früheren Ziele sind [im und durch ihn, durch Nietzsches Wahn nun!] vernichtet. [?]  Die Wissenschaft [von welcher Nietzsche - war er auch entschlossen, sie so „fröhlich“ wie ihm nur möglich anzugehen - in ihrer Verpflichtung auf sachlich-wirklich begründende Unwiderlegbarkeiten, keinerlei Ahnung hatte, und sich deshalb frei fühlen konnte.  Deshalb behauptete er, sie] zeigt den Fluß, aber nicht das Ziel [sein Ziel! - nämlich, das er unwiderleglich im Übermenschen“ erkannt hätte und an der er seine „Rechte“ gesichert sehen wollte!]: sie giebt aber Voraussetzungen [welche ausgerechnet von Nietzsche richtig erkannt worden sein sollten?], denen das neue Ziel [Charles Darwins Entdeckung nachahmend ein Evolutionäres aber dennoch endlos in ständigen Wiederholungen begriffen? - in ewig wiederkehrenden und allem von Nietzsche da hinein-idealisiertem Ungenannt-Gebliebenen?] entsprechen muß [und müsste?]. 10.154

12 Seiten weiter notierte Nietzsche passend zu seinem idealistisch superlativierten Grundgefühl:

das Machtgefühl, Wetteifer aller Ich’s, den Gedanken zu finden der über der Menschheit [für Jahrtausende mindestens?!] stehen bleibt, als ihr Stern [eines „Nietzsche-Steins“ am Silser Seewegrande ewig würdig?  Ein neuer, Nietzsche geschuldeter oder zu verdankender Glaube aus seinen „Erfindungen“!] - das [sein!] Ich ein primum mobile 10.166 [wäre, ein „erster Beweger“, nach uralten Glaubensregeln einfach mal so beansprucht und behauptet: „Kost ja nix“! - Als ganz privat für ihn wieder mal eine gewissermaßen 10. Sphäre in unmittelbarer Nähe dessen, was altüberkommen kirchlichen Glaubens-Vorstellungen entsprechend nach der bisher letzten 9. Planetensphäre um die als Mittelpunkt des Alls erachtete Erde noch kommen würde:  Das Empyräum, der griechische Feuerhimmel und christliche Ort des Lichts, der Seligkeit:

Der „Wohnort“ Gottes und seiner Erwählten!

In all dem war Nietzsche in überholten, unrealistisch-illusionären Begriffen und Vorstellungen vergangenen Zeiten noch unreflektiert stecken geblieben und verpflichtet und - nicht kritiksprühend wie in seinem sonstigen Gehabe üblich! - ergeben und treu in derlei gefangen!].


Ebenso das offene Bekenntnis:

Ziel:  auf einen Augenblick den Übermenschen zu erreichen.

Dafür leide ich alles!  Jene Dreiheit! [nächstliegend das einmal geplante Zusammenleben der 3, Lou, Paul Rée und Nietzsche? - Ohne hier exakt anzugeben worum es sich bei der wörtlich angeführten „Dreiheit tatsächlich gehandelt haben sollte?]  Das ruhigste äußere Leben, weil sich [im „Geistigen etwa“ bei ihm, allerdings in Form von Illusionen zumeist?] so viel ereignet! 10.167


Ist es nicht gleichgültig, daß möglichst Viele M<enschen> möglichst lange leben?

[So schien es ihm!  Schließlich ging es um die Lebensfülle und  -Erwartungen anderer Leute, nicht um ihn und seine absolut ewige Unersättlichkeit im Auskosten seiner Besonderheit, zu deren Fortbestand er bereit war, als ein Qualitätsmerkmal, alles ewig auf gleiche Weise immer wieder zu wollen!]  Ist das Glück dieser Vielen nicht eine verächtliche Sache und keine

Rechtfertigung des Daseins?  [Oder dafür einfach nur nicht zu gebrauchen? - Schließlich sind sie da, - genau so, und mit gleichen „Rechten und Pflichten“, wie Er sein Glück verfolgen und abzusichern suchte, aber auch damit für ihn keine besondere Daseinsberechtigung zu erreichen war! - Mit seinem Ziel, „dem vom Prinzip her unerreichbaren Übermenschen“? 10.167]


Der Sinn deines Lebens sei, [moralisch gesehen?  nur] das Dasein zu rechtfertigen - und dazu mußt du nicht nur des Teufels Anwalt, sondern sogar der Fürsprecher Gottes vor dem Teufel sein. 10.167

Dich jedenfalls mit raffiniert überraschenden und blendenden Worte-Zusammenballungen einhüllen in etwas, was nach „höherer Aufgabe“ oder „erhabener Warte“ oder dergleichen begnadeter Stellung gegenüber „den Anderen“ und der Allgemeinheit „riecht“! - Hat Nietzsches „Philosophie“ etwa das „Dasein“ - auch nur ansatzweise? - zu „rechtfertigen vermocht? - Wie sollte diese Art „Rechtfertigung“ und vor welcher Instanz überhaupt, vonstatten gehen können?  Ist es - von nur einem unter vielen, überhaupt denkbar, sinnvoll eine „Rechtfertigung des Daseins“ in einen näheren und ernsthaft gemeinten „philosophisch etwas geltenden“ Betracht zu ziehen?


Auch dies schrieb Nietzsche im Zeitraum Ende 1882 bis Anfang 1883:

Ich lehre euch den Übermenschen:  die große Verachtung [für euch selber - oder doch nur „den Anderen“ gegenüber? - Die] müßt ihr euch selber lehren. 10.169  Denn für Nietzsche war eine solche eine absolute Selbstverständlichkeit!  Aber aufgrund welchen Vorrechtes sollte es im angesprochenen Zusammenhang überhaupt etwas zu verachten gegeben haben, was mehr gewesen wäre, als nur Nietzsches hoch-individuelle „Not“?


Unsere Gefühle - das ist die ganze menschliche Vergangenheit bis zu dir und mir:  die geschaffenen [aber umzuwertenden?] Werthe.  Unsere höheren Gefühle [die bislang zumeist an den Superlativ Gott gebunden waren?!] - wir müßten sie ausrotten, wenn wir nicht ein neues Ziel ihnen geben! 10.183

Woraus sich - am Sprachgebrauch klar erkennbar! - ergibt, dass es Nietzsche vor allem darum ging, Vorliegendes, egal was es war, „auszurotten“ - und es mit etwas aus seinen „Erfindungen“, seinen „Überzeugtheiten“ zu ersetzen Wozu eben seine krampfhaft erstellten „neuen Ziele“ überhaupt nur ersonnen waren!


Meine Richtung der Kunst:  nicht dort weiter dichten, wo die Grenzen sind!  sondern die Zukunft des Menschen [als „Übermenschen vorwegnehmend und Sehnsucht nach ihnen machend erdichten, planen, Möglichkeiten eröffnend? - Dafür kann aber mit irgendwelchen Festlegungen keiner im Alleingang zuständig sein, was doch, besonders als „Philosoph“, ein jeder - und auch dies im Alleingang! - erkennen können müsste!  Nietzsches „Zarathustra“ jedenfalls erfüllt diese „dichterischen Forderungen“ in seiner Einseitigkeit nicht]!  Viele Bilder müssen da sein, nach denen gelebt werden kann! 10.183

Genau das aber war es, was Nietzsches superlativer Einseitigkeit ein Ding der Unmöglichkeit war!


Es ist ein Opfer darin, diese Hinter-Welt aufzugeben.  Männlichkeit!   Das Irdische genügt uns nicht - folglich das Himmlische - Fehlschluß 10.183

Deshalb bei ihm der „Übermensch sein persönlichst-religiöser und über alles erhabener und alles rechtfertigender großer Gottesersatz und Popanz demzufolge! - Sein Himmelreich?].


Zum nachfolgend Erwogenen ist aber zu bedenken, dass jedes Umwerten, gegen Neues schützt, weil alles Umwerten voraussetzt, dass es schon etwas Umwertenswertes gibt: Und genau davon wäre dann „nur“ das Gegenteil anzustreben?

Sollte in den folgenden Zeilen eine einheitlich sinvolle Aussage erkennbar sein?

ein Schaffender ist, der [welcher durch bloße Umwertung aber? - wenn das tatsächlich reichen sollte?]  neue Werthe schafft.  Aber der Künstler nicht!

Einen Bogen habe ich [zum mächtigsten - etwa historischen! - Pfeilschießen - nach der Erfindung des Dynamits?!], Götter!  Welch ein Bogen - gegen Götter selbst ein guter Bogen!

[Meinte er in dieser altmodischen Verpackung etwa tatsächlich seinen großen, alles erneuernden Gedanken der „ewigen Wiederkunft?“ - wie in Aphorismus 341 beschrieben?  An allen modern möglich gewordenen Explosionsmöglichkeiten vorbei?]


Die große Probe:  bist du bereit, das Leben zu rechtfertigen [wenn jemand nur ahnen könnte, was damit beabsichtigt gewesen sei und wie das letztlich auszuüben wäre?  Das Leben zu rechtfertigen, oder nur seins]?  Oder das Sterben für dich?  Auf der niedrigsten Stufe [des bloßen Menschseins?] es noch aushalten.  Manchem [wie z.B. Nietzsche mit seiner krankheitshalber aufgegebenen Professur und Früh-Pensionierung!] führte [die] Krankheit diesen zweiten Weg.  Entsagung.

Die große Mitte. - Die Entscheidung über Leben- und Sterben-wollen. 10.184  Oder anempfohlener Weise auch „sollen“?!

Was wollte Nietzsche mit diesen Eintragungen festgestellt sehen oder sich gesagt, d.h in Erinnerung gerufen haben, rechtfertigen, verdeutlichen, beweisen wöllen?  Auf alle Fällen waren diese Notizen für ihn nicht umsonst gemacht.  Sie betrafen einen verborgenen Zweck, eine Absicht und waren ein Mittel - wozu aber? - was im Großen gesehen mit ihnen kundzutun?  Vielleicht ging es nur darum, sich mit höchsten Problemen jonglierend zu profilieren, - auch wenn dem - der Überspannung seiner wie auch jedermanns Fähigkeiten wegen! - für „die Anderen“ außer viel oberflächlichem Schall und Rauch nicht viel Brauchbares daraus, wie aus so vielem Anderen, daraus nicht zu entnehmen war.


Wille zum Leben?  Ich fand an seiner Stelle immer nur Wille zur Macht. 10.187

Was im „immer“ rundweg erlogen war, denn zur Zeit seiner Begeisterung für Schopenhauer hat es für ihn einen „Willen zur Macht“ noch gar nicht gegeben!  Dieser findet eine erstmalige Erwähnung in der Mitte des 2. Zarathustra-Teils im Kapitel „Von der Selbstüberwindung“ und wurde in den Notizen im Sommer-Herbst 1884 10.221  zum 1. Mal zum Zeitpunkt der damals inzwischen erreichten logischen Enthemmung - die eine Voraussetzung für ihn war! - genannt.

 Ab da erst hatte ihn der „Wille zur Macht 3.146, als sein ihm bei allem helfendes/hoffendes Wundermittel, immer wieder beschäftigt!


Was muß ich thun, damit ich selig [gesprochen?] werde?“ [denn das konnte er nicht für sich selber tun!  - sich selig sprechen mit Gültigkeit für die Allgemeinheit!  Das dazu nötige Tun gehörte nämlich „den Anderen“! - auf die er - zumindest in diesem und realiter auch in vielen anderen! - Punkten angewiesen war!  Er aber hatte sein Selig-sein mit dem „selig in den Augen der anderen“ einfach und fälschlicherweise gleichgesetzt.  Dazu hieß es von ihm weiter:]  Das weiß ich nicht [trotzdem jedoch empfahl er], aber ich sage dir:  sei [in ausgewachsener Selbstherrlichkeit einfach nur] selig und thue dann, wozu du Lust hast. 10.195

Auch das hat Nietzsche immer wieder beschäftigt!  Dieses ausschließlich von seiner momentanen Befindlichkeit ausgehende Urteil, im Nachvollzug seiner aller-jugendlichsten Byronischen Lieblingsfigur „Manfred“, nur nach seinen Gelüsten und zu seinem Vorteil, zu seiner „Lust“, die Welt und alles, kurz „das Ganze“ seines Pseudodenkens, auszurichten und umzuwerten!


Für ihn war immer die Maßlosigkeit das „Normale“:

Ich konnte nichts entbehren als ich den Übermenschen schuf [was von der Formulierung her aber ein Irrtum war, denn er hatte ihn nicht „geschaffen“, sondern er war lediglich, von irgendwoher, der Idee zu diesem erlegen!] In seinem Samen ist noch alles euer Böses und Falsches, eure Lüge und eure Unwissenheit.“ 10.202

Diese Notiz kommt in Nietzsches Nachlass nicht nur einmal vor.  Das „Problem war für ihn also von hoher Bedeutung“:  Zur Rechtfertigung seiner Existenz, seines Tuns und seinesLassens:

Je freier und fester das Individuum ist [und an sich und seine mit ihm verbundenen Überzeugungen glaubt!], um so anspruchsvoller wird seine Liebe:  endlich sehnt es [das Individuum!  In seiner Vorbildhaftigkeit?] sich nach dem Übermenschen [nach einem unbedingt und wiederum maßlos geratenen Ideal, wie „Gott“ eines ist! - Nach was sonst wäre zu Fragen, wenn er diese Sehnsucht wie ein Naturereignis behandelte?  Nach einem willkürlichen Ideal jedoch, nur den eigenen Vorlieben angepasst!  Schließlich war Nietzsche in seinem doch irgendwie auf „Evolution“ ausgerichteten Bewusstsein nichts anderes eingefallen, das sich als maximal „zukunftsträchtig“ erweisen könnte, dies aber nicht muss:] weil Alles Andere seine Liebe nicht stillt. 10.203 u. 12.2.84

Nichts anderes hat für Nietzsche so sehr gegolten, wie dass er schrieb:

sich um der großen Gegenstände willen regen und sonst langsam sein - - - 10.209

Es ging immer um Superlative und sonstige Maßlosigkeiten, die ihm nur groß erschienen, weil Er in seiner zu echter Selbstkritik unfähigen Natur kein menschliches Maß als Grenze und als „das ist genug“ - für eine „Wahrheit“ zumindest! - anerkennen konnte.


Und nochmal seine Frage an sich selbst und seine zweifelsfrei wohl ehrlich notierte Antwort:

Liebe ich die Vergangenheit? [welche sich, wie er in der „Morgenröte“ nachgewiesen zu haben meinte, in „moralischen Vorurteilen“ erschöpfte?]  Ich vernichtete sie um zu leben [was also wiederum ausschließlich um seinetwillen unternommen worden war!]. Liebe ich die Gegenwärtigen?  Ich sehe von ihnen weg, um leben zu können. 10.209

Dieses selber leben können beschäftigte ihn schon 1862, als er man gerade mal knapp 18 Jahre alt war und geschrieben hatte: Die Vergangenheit ist mir lieber als die Gegenwart;  aber ich glaube an eine bessere Zukunft! BAW2.68f  Womit er die Gegenwart, die allein zur Erfüllung des Lebens zählt, umgangen und für sein Lebenskonzept abgeschafft hatte.


Nicht glauben können auf lange!:  das Wissen verliert im Augenblick der Eroberung [im Moment des Übergangs vom Träumen und Hoffen zum nüchternen, wirklichkeitsbezogenen Zurkenntnisnehmen von Tatsächlichkeiten?] seinen Werth.  Also schaffen! 10.209  Das „schaffen“, das ihm besser passte, um erfolgreich gegen die umgebende, aber negierte Wirklichkeit anzutreten?


Ein höheres Wesen als wir selber sind [über uns hinaus und was es vorher nicht gab? - also auf originellste Weise zu ihm, Nietzsche nur, gehören würde?  Es] zu schaffen, ist unser [war sein nicht untätig sein wollendes und nach Größe begehrliches!] Wesen.  Über uns hinaus schaffen!  Das ist der Trieb der [von ihm für fruchtbar gehaltenen] Zeugung, das ist der Trieb der That und des [seine Besonderheit rechtfertigenden] Werks. - Wie alles Wollen einen Zweck voraussetzt, so setzt der Mensch [Er, der in seiner auch da wirkenden Maßlosigkeit für Jahrtausende gelten wollte!] ein Wesen voraus, das nicht da <ist> [wie Gott?], das aber den Zweck seines [Nietzsches] Daseins abgibt [so wird ein Schuh daraus, weil Nietzsche sich - zur Rechtfertigung seiner Bedeutung! - mit diesem weit über seine Existenz hinausgehenden „Zweck“ verwechselt hatte!].  Dies ist die Freiheit alles Willens [so lange, wie dabei der Wille zum logischen Miteinander nicht lahmgelegt wird und erstickt und er an anderer Stelle den freien Willen nicht rundweg geleugnet hat!]!  Im Zweck [dessen Sinn und Wirklichkeits-Tauglichkeit von ihm allerdings unbeachtet blieb!] liegt [läge angeblich!] die Liebe, die Verehrung, das Vollkommensehen, die Sehnsucht. 10.209

Da war bereits, in seinem „Willen zur Macht“, all der Wahn beisammen und so weit verfestigt, dass ihn nichts mehr davon abbringen konnte, diesem als angeblich logisch und wahr-geglaubt zu folgen und auch zu glauben, dass das modern und fortschrittlich gewesen wäre.


Ich fürchtete mich unter Menschen [weil unter normalen Umständen unter diesen für ihn nach seinem Bedarf keine unanfechtbare Sonderstellung von ewiger Dauer zu erreichen war!]: es verlangte mich unter Menschen [zu weilen?] und [aber?] nichts stillte mich. Da ging ich [wie er es seinem „Zarathustra“ an dessen See „Urmi“ unterstellte!] in die Einsamkeit und schuf den Übermenschen.  Und als ich ihn geschaffen [d.h. frei von der Leber weg, in Fortführung der seiner Meinung nach stümperhaften Ansätze der Natur, erfunden und ihn sich aus dem Ärmel geschüttelt hatte?], ordnete ich ihm [in einem der Bibel nachempfundenen Schöpfungsakt?] den großen Schleier des Werdens [zu] und ließ [wie Gott einmal das Helle vom Dunkel trennte?] den Mittag [ein metaphorisches Bild für seine ewige Gültigkeit?] um ihn leuchten. 10.210 u. 3.571


Unsterblich ist [für wen?  und für welchen Sterblichen] der Augenblick [so sah er seinen Schöpfungsakt von etwas, von dem Nietzsche - trotz „ewiger Wiederkehr“? - glaubte, es sei zuvor noch nicht dagewesen!], wo ich [ich, ich, ich!] die Wiederkunft zeugte [obgleich es diese doch ewig wiederkehrend schon unendlich oft gegeben haben musste und somit mit Nietzsche „an sich“ nicht viel zu tun haben konnte!].  Um dieses [irrwitzig in sich selber unauflöslich-widersprüchlichen] Augenblicks willen [wegen der Erhoben- und Erhaben-heit des erlebten Gefühls so schöpferisch wie ein Gott zu sein, - dafür] ertrage ich die Wiederkunft. 10.210 [d.h. die sich daraus ergebenden Nachteile und Widersprüche für ihn selbst?]

Was den moralin-haltigen Gedanken des Aphorismus 341 der „Fröhlichen Wissenschaft“ ausmachen sollte ohne dass auch nur ein Gran insgesamthaft ernsthaft-konsequentes Nachdenken darüber da hinein investiert worden war?!


Was ist es, das den Dingen Sinn, Werth, Bedeutung verlieh?  Das schaffende Herz, [und wieder war es - auch an dieser Stelle! - nicht der Verstand, der Nietzsche in so gut wie jedem seiner „Gedanken“ fehlte:  Sein „Herz“] welches begehrte und aus Begehren schuf.  Es schuf Lust und Weh [nicht nur für sich, für ihn, sondern - darüber hinaus! - für die nun einmal nur im Wir bestehende Menschheit, über die ihm kein Verfügungsrecht eingeräumt war!].  Es [„das schaffende Herz“!] wollte sich auch [verdienstvoll-märtyrerisch!] mit dem Wehe sättigen.  Wir müssen alles Leiden, das gelitten worden ist, von Menschen und Thieren [in seiner inzwischen erreichten Enthemmung, in der er nicht mehr in der Lage war, das eine vom andren logisch zu unterscheiden und zu trennen, so dass alles hinauslief auf Identifikation!], auf uns nehmen und bejahen, und ein Ziel haben, in dem es Vernunft erhält. 10.210

Wozu allerdings gehören würde, dass dieses „Ziel“ eben ein menschheitlich Vernünftiges und nicht nur wirklichkeitsfremd ein egoistisch nicht gründlich genug Durchdachtes und ein nur einseitig Verstandenes zu eigenem Vorteil wäre!  So, wie es da nun stand, war es von Nietzsche lediglich leichter gesagt als getan!


Mein Zarathustra“ [allerdings seine ersten 3 Teile, von einem 4. ist zu der Zeit noch nicht die Rede gewesen, der ergab sich halt so, wie sich alle drei Folgeteile nur so ergeben hatten!] ist fertig geworden, in seinen drei Akten:  den ersten hast Du, die beiden andern hoffe ich in 4—6 Wochen Dir senden zu können.  Es ist eine Art Abgrund der [von ihm vorweg-genommen aber beschriebenen] Zukunft, etwas Schauerliches, namentlich in seiner [von ihm aber nur gefühlten] Glückseligkeit [die vor allem Nietzsches alleinige, ihn erhöhende, Glückseligkeit war!  Von einer eventuell-wahren „Glückselikeit“ der in seinen „Willen zur Macht“ geratenen Verfügungsmasse „der Anderen“, war da nirgends die Rede!].  Es ist Alles drin mein Eigen, ohne Vorbild, Vergleich, Vorgänger [aber voller Anspielungen auf altbekannt „Heiliges“, Imitiertes, in Anspruch Genommenes!];  wer einmal darin gelebt [und sich davon überzeugt] hat, der kommt [ohne den Schneid, all das als Schmus und Schelmerei, als Betrug, Verarschung und Dummrederei zu  erkennen, - wie jeder Leichtgläubig sich überreden Lassende] mit einem andern Gesichte wieder zur Welt zurück.  Aber davon soll man nicht reden.   Für Dich aber, als einen homo litteratus [Literaturkenner und -Genießer], will ich ein Bekenntniß nicht zurückhalten - ich bilde mir ein, mit diesem Z<arathustra> [darauf lag sein Bedacht:  Auf seiner Großartigkeit, ohne einen Gedanken an die betroffenen Anderen! - nämlich:] die deutsche Sprache zu ihrer Vollendung [als ob das praktisch überhaupt möglich wäre!] gebracht zu haben.  Es war, nach Luther und Goethe, noch [in seinem dafür erwählten genitiv-gesättigten Bibel- und Legendenton?] ein dritter Schritt zu thun -;  sieh zu, alter Herzens-Kamerad, ob Kraft, Geschmeidigkeit und Wohllaut je schon in unsrer Sprache so beieinander gewesen sind.  Lies Goethen nach einer Seite meines Buchs - und Du wirst [so, wie Nietzsche selber diese „Tatsache“ zu erfüllen glaubte] fühlen [wieder nur!], daß jenes „Undulatorische“ [wellenförmige!], das Goethen als Zeichner anhaftete, auch dem Sprachbildner [damit meinte Nietzsche sich selbst!] nicht fremd blieb.  Ich habe [natürlich!] die strengere, männlichere Linie vor ihm voraus, ohne doch, mit Luther, unter die Rüpel zu gerathen.  Mein Stil ist ein Tanz;  ein Spiel der Symmetrien aller Art und ein Überspringen und Verspotten dieser Symmetrien.  Das geht bis in die Wahl der Vokale. - Verzeihung!  Ich werde mich hüten, dies Bekenntniß [dieses maß- und schamlose Sich-selber-loben vor] einem Andern zu machen, aber Du hast einmal, ich glaube als der Einzige, mir eine Freude an meiner Sprache ausgedrückt. - Übrigens bin ich Dichter bis zu jeder [superlativst aufzufassenden] Grenze dieses Begriffs geblieben, ob ich mich schon tüchtig mit dem Gegentheil aller Dichterei tyrannisirt habe [denn für ihn war sein bis dahin erdichteter Zarathustra“ strapaziöse Vorwegnahme und Bestimmung zukünftiger Wirklichkeit! - und sogar Musik!].

Ach Freund, was für ein tolles, verschwiegenes Leben lebe ich! [aber?]  So allein, allein!  So ohne „Kinder“! [und zu der Zeit, Anfang 1884 schon, ohne jeden Bezug zu der Realität seines längst kranken Hirns, das die Bedeutungslosigkeit, die ihn umgab kaum mehr wahrnehmen konnte!]  Bleibe mir gut, ich bin’s Dir wahrhaftig! Dein F. N. 22.2.84

In heutiger Zeit muss man den 45. amerikanischen Präsidenten mit Namen Trump erlebt haben, um erkennen zu können, dass derlei - geschichtlich und auch massenpsychotisch wirkend! - jederzeit so gut wie jedem einmal unverhofft und kaum als klar und einfach erkennbar, begegnen kann!


In einer solchen Wahnwelt wandelte Nietzsche also schon viele Jahre vor seinem sogenannten, letztlich aber doch erst nach seinem allgemein und endgültig feststellbaren „geistigen Zusammenbruch“ auf seiner Jagd nach seinem „Willen zur Macht“, den und die er nie besaß, in der er für sich aber längst schon angekommen war und darin verharrte, die Großartigkeit seiner Enthemmungen feierlich zu begehen.


Nach dem endlich, 5 Jahre später, offensichtlich und unumkehrbar gewordenen Ausbruch seines Wahns mit der Folge seiner Unmündigkeit und nachdem, wiederum einige Jahre, nach dem Tod der

Mutter, die Schwester im eigenen Bedarf nach einer einträglichen Beschäftigung den „Wert“ des brüderlichen Nachlasses zum Nutzen ihres Wohllebens erkannt hatte, forschte sie in seinen nachgelassenen Schriften nach einem Werk, in dem der brüderliche „Wille zur Macht“ als zentrales Thema erkennbar gewesen wäre.  Sie fand aber nichts, behauptete vieles, u.a. dass die Freunde ein solches „Werk“ unterschlagen hätten und fälschte schließlich aus dem notierten Sammelsurium, das ihr vom Bruder erhalten geblieben war, ein angeblich von ihm stammendes, de facto immerhin seinen Ruhm begründendes „Werk“ mit dem berüchtigten Titel, das auch heute noch von einigen, wie es sich für schlecht bis entschieden zu wenig über den wahren Nietzsche informierten „Verehrer“ gehört, noch immer ernst genommen und für zitierenswert gehalten wird.






Bei den in die Texte eingefügten kleinen Zahlen handelt es sich um Herkunfts-Nachweise der Zitate:
Angegeben sind jeweils Band- und Seitennummern der letztgültig „
Kritischen Studienausgabe“ (KSA) von Giorgio Colli und Mazzino Montinari bzw. bei Briefen, deren Datum lt. der kritischen Studienausgabe seiner Briefe (KSB), einmal auch zum Bezug auf BAW, die Jugendschriften Nietzsches, im Verlag C.H.Beck 1933-1945, Neuauflage DTV 1994 und 2 mal auch auf den Band "Lou Andres-Salomé Lebensrückblick" (ASL), Insel Verlag, 1968.

                                                                                                      110 Seiten DINA4

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