Emerson

Die Bedeutung von


Ralph Waldo Emerson,


einem US-amerikanischen Schriftsteller, Prediger und durchaus gebildeten aber auch hoch-romantischen Schwätzer (1803-1882), ist für Nietzsche durch immer wieder in seinen Notizen wort-wörtlich an die Oberfläche kommende Erwähnungen und in textlichen Bezugnahmen,

eine Erscheinung, die von Nietzsche her genauer genommen nur als eine pathologisch vollzogene Identifikation mit diesem einzuschätzen und zu erklären ist!

 Dazu gehört, sehr überzeugend, der heute noch aktuelle „Fakt“ und „Pakt“, dass in einer vom „Nietzsche-Archiv“ unter dem Patronat der „Klassik Stiftung Weimar“ - wider besseres Wissen - oder tatsächlich nur aufgrund einer Bildungslücke, was aber unglaublich wäre! - im Jahr 2020 ins Netz gestellten Website zum Thema „Nietzsche liest“, was ja sehr allgemein gehalten klingt, jedoch in einer Nennung wichtiger Verfasser von Texten, die Nietzsche zu freier Verfügung und möglicher Beeinflussung gestanden haben, ausgerechnet der von allen wichtigste Textgeber, namlich der Name von Ralph Waldo Emerson - ohnehin öffentlich schon seit eh und je immer noch heillos unterschätzt und - zur bleibenden Unversehrtheit des bewunderten Idols sogar, „bewusst“ und absichtlich? - nicht nur vergessen, sondern in strenger und zweckgebundener Absichtlichkeit! - ausgeblendet bleiben sollte und nach wie vor - in einem verdachtsweise still eingehaltenen, immer noch kumpelnd verschworenen Akt einträchtiger Vertuschung - übergangen wird:  Trotz seiner elementaren, sogar immer wieder bis ins Wort-wörtliche hineingehenden Bedeutung für Nietzsche - dessen gesamtes Leben lang!


Dieser verdächtige Umstand scheint darauf zu beruhen, die mit vielerlei guten Gründen zu belegende Tatsache zu unterdrücken, dass Ralph Waldo Emerson - und das mit einem geradezu unglaublichen Riesenabstand! - der von allen tatsächlich Wichtigste, ja sogar - allerdings eher schwer pathologisch veranlasst! - als der einflussreichste von allen zu gelten hat; - was wohl besser mit fake-news-hafter Wucht zu unterdrücken wäre, um weiterhin abzusichern, dass das angeblich eigenständig freidenkerische Gewicht und damit der so weit ja bislang erhalten gebliebene „Nimbus“, der Heiligenschein, das Ansehen, der Glanz von der öffentlich zu vertretenden Persönlichkeit Nietzsches nicht in Gefahr gerät, seinen erschlichenen aber weit überdimensionierten Glorienschein zu verlieren?


So, wie der wahre, aber von Vielen Beschönigungen zugedeckte, Nietzsche heute für uns aus dem hervorgehen muss, was wir als zweifelsfrei wissenschaftlich erarbeitet und überprüft von ihm stammend in der erst 1980 erstmals erschienenen, von tausenderlei Fälschungen befreiten und befreienden, nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erarbeiteten, 15-bändigen „Kritischen Studienausgabe“ (KSA) sowie der Kritischen Studienausgabe sämtlicher unverfälscht erhalten gebliebener Briefe (KSB) ohne fremde Absicht und üblich gewesene Beschönigungen und Änderungen zur Kenntnis zu nehmen haben, so ist seine Gesamterscheinung und Bedeutung, samt seinen verschwiegenen Abhängigkeiten und Defiziten, heute ohne den in einem unverhältnismäßigem Umfang für ihn gegolten habende und so massiv wie lebenslang von absolut zweifelsfreier Vorbildlichkeit herrschend gewesene Einfluss durch den amerikanischen Schriftsteller nicht vollständig verständlich.

 
Dessen „Weisheiten“, die übrigens keine waren, hielt Nietzsche nämlich einerseits für wirklichkeitsnah, weil sie 
a) einen sehr persönlichen Nerv
seines Seins, seiner Veranlagung und seiner Geheimnisse trafen, als auch
b) ihm in seinen pseudo-philosophischen Hintergründen, seinem
Fühlen, Wollen und „Können“, vollkommen entsprachen und ihm viele Rätsel seines ihm nun einmal „zugewiesenen“ Seins auf überzeugend und gern aufgenommene, schmeichelhafte und ihn vor allem auf ungemein bevorteilende Weise „erklärten“ oder doch, zumindest benennbar und damit „gesellschaftsfähig verständlich“ machten.
 
Seit dem Erscheinen der „
Kritischen Studienausgabe KSA im Jahr 1980 stellt diese, zusammen mit der ebenfalls überarbeiteten Herausgabe der auf verlässliche Weise echten Briefe, KSB, nach jahrzehnte lang andauernder und geradezu üblich gewordener ungeheuer vielseitiger Verfälschung 
a) hauptsächlich durch die Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche (1846-1935), welcher von etlichen überaus unterwürfigen „Fachleuten“, je nach deren und
ihrem Wohlwollen und deren Fügsamkeit bei häufigen Wechseln, diensteifrig „geholfen“ wurde, 
b) durch viel undurchdachte Sympathiebereitschaft gegenüber etlichen Nietzsche logisch verschleiernden Fehlschlüssen und 
c) massiv auch durch nachhallende totalitäre und national-sozialistische „Geistesströmungen“ unterstützt, 
 
erstmals eine endlich wissenschaftlich verlässliche Grundlage zur Beurteilung der wahren „philosophischen Leistungen“ Nietzsches dar.
Die mit diesen Ausgaben KSA und KSB durch wissenschaftliche Unbestechlichkeit wesentlich veränderten
Grundlagen bewirken zwangsläufig eine Relativierung etlicher Urteile über Nietzsche in ihren wesentlichen Bezügen, d.h. vor allem seine Ent-heroisierung d.h. seine Zurückstutzung auf unübertrieben menschliche Maße, die logisch betrachtet gesamthaft - auch bei ihm! - nicht so unüblich weit außerhalb der schießlich auch für ihn geltenden „Glocke der Normalverteilungen“ menschlichen Verhaltens und ihrer Leistungsfähigkeit gelegen haben mussten und konnten, wie es der blindwütige und von jederlei übereifrigem Bewunderungswillen geförderte und angestachelte Drang zur extremen Nietzsche-Stilisierung in vielseitig möglichen Selbstbefriedigungs-Vergnügungen und entsprechendem Bedarf an derlei, der Welt vorgemacht werden sollte und dass das in seinem Fall jeweils auch berechtigt sei.


In diesem Zusammenhang verdienen die Leistungen von Giorgio Colli (1917-1979), ein italienischer Philosoph, Lehrer, Dozent der Geschichte der antiken Philosophie, Literaturwissenschaftler und Übersetzer, sowie Mazzino Montinari (1928-1986), 
ein italienischer Historiker, Germanist und bedeutender Nietzsche-Forscher, wegen ihrer Arbeit an der Herausgabe der KSA sowie der Briefe, KSB als eine längst und
endlich fällig gewesene, auf normale, nicht anzugreifende Kriterien gestützte Arbeit, eine besonders verdienstvoll hervorzuhebende Beachtung.


Nietzsche erlebte seinerzeit die Bekanntschaft mit Texten von Emerson als mustergültig-unbedarfter sehr junger Mann, knapp 17-jährig, im Sommer 1861 auf einer Ferienfahrt und Wanderung im damals - lange vor seiner grundlegenden Zerstörung im Krieg von 1939-1945! - in feierlich altem, original-mittelalterlich reichem und überwältigendem Glanz liegenden und sich, im auch ihn beeinflusst habenden Großstadt-, Messe- und großformatigem Gesangsfesttrubel zeigend, absolut zufällig aber in einer sonderbar gläubig gestimmten Überzeugtheit von der
Schicksalhaftigkeit dieses Ereignisses in der ihm unbekannten und ihn verwirrenden Stadt Nürnberg, wo Er - seinem eigenen, allerdings extrem und bruchstück- bis sogar chaotisch stümpernd lückenhaften und ungeschickt-spärlichst gehaltenen Bericht nach! - eher am äußersten Rande nur den Gesangs-Festteilnehmer spielte, denn die unerwartete dortige Emerson-Begegnung hatte sich für ihn unverhofft und mit absoluter Vorherrschaft in den Vordergrund seines damaligen Erlebnishorizontes gedrängt.  Sie kam über ihn wie ein Naturereignis, dem er unrettbar ausgeliefert, verfallen, erlegen und genießerisch hingegeben war.
 
In den 1858 auf deutsch erschienenen 20 „
Essays“ dieses amerikanischen Schriftstellers, der an seiner zeitweise praktisch ausgeübten Tätigkeit als Prediger gescheitert war, ist Nietzsche in Nürnberg auf unvorstellbar elementare und existenzielle Weise auf seine eigene künftige „geistige“ und angeblich „denkerische Lebensbasis“ gestoßen und fand sich alsbald aufgrund seiner ausgebliebenen Widerspruchs-Fähigkeit zu den aufgenommenen Inhalten, auf diese festgenagelt. Es ist ihm in den Folgejahren seines Lebens, so lange er schreiben konnte, bis Anfang 1889, nicht gelungen, sich aus dem „Schwitzkasten“ von dessen „geistiger Umklammerung“ in irgend einer Weise wieder zu befreien und blieb folglich unrettbar dessen Gesetzlichkeiten, Wertungen Ansichten und Vorgaben verfallen, was zu den kaum fassbaren, nicht kritisch durchdrungenen Widersprüchlichkeiten führte, die sein eigenes angebliches „Gedankengebäude“ bis zur Unbrauchbarkeit durchzieht und seine mühsam zusammengestellte „Philosophie“ in Beziehung zum heute erreichten „Wissensstandart unserer Zeit“ als geradezu vorsintflutlich archaisch und in jeder Hinsicht in Verirrung geraten, erscheinen lässt.
 
Wenn nicht gleich bei er ersten Begegnung, dann jedoch sobald es möglich war, gelangte Nietzsche - allerspätestens sehr früh im kommenden Jahr 1862! - auch in den Besitz des dann sicherlich
jedermann „auf Deutsch“ zugänglich gewesenen weiteren Bandes von dem Amerikaner: Auf dessen ziemlich hohe Erwartungen fördernde Ratschläge zu einer heroisch-nah gesinnten „Führung des Lebens“.  Weitere Bände, die es von Emerson gab und später erschienen, hatten, wegen dem grundsätzlich anderen, nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges, 1865 erst, verfassten und deutlich nüchterneren, üppige Maßlosigkeiten vermeidenden Ton, den Emerson darin anschlug, bei Nietzsche wenig bis gar keinen gefühlsmäßig stimmigen Gefallen gefunden. Sie blieben von ihm allesamt weitgehend unbeachtet, denn ihn hatten bei Emerson vornehmlich die in dessen frühen Schriften, vor allem in den 20 „Essays“ immer wieder die aufblitzenden höchsten Versprechungen und Maßlosigkeiten wirklich beeindruckt und fasziniert.
Nur die beiden Bücher, die „
Essays“ und die „Führung des Lebens“ sollten - dabei mit absoluter Vorrangstellung der „Essays“! - für Nietzsches gesamtes Leben - zu einer Art immer wieder beigezogener, ihn in Krisen bestätigender und ihn aus solchen auch rettender Standardliteratur, zu einem Lebenselixier und zu so etwas wie einer allerpersönlichst heilig zu haltender „Bibel“ werden.
Er sah darin eine Form von allerhöchstem, heroisch geprägtem „Schul-“ und „Lebensgesetz-“ und „Realien-Buch“, welches ihn gläubig und ohne wirklichen Widerspruch - auf fest vorgeschriebenen Bahnen! - in, wie er meinte, „
höchste Sphären menschlicher Existenz“ leiten würde und dass sie zu solchen Existenzen auch alle Menschen hinan-führen könnten.
 
Ausgerechnet im Zusammenhang mit dem „an sich schon“ unbedingt aufwühlenden Welterlebnis einer ihm zuvor nicht vorstellbaren Groß- und Kultur-Stadt Nürnberger Ausmaßes mit damals, als er dort einmalig weilte ungefähr 60.000 Einwohnern - aus dem heraus gewissermaßen! - oder zusätzlich in dieses weitläufige Welterlebnis hinein? - trat Nietzsche unerwartet ein, wie er meinen musste,
beanspruchender „Denker“ und Prediger entgegen, der ihn aufs Überraschendste, ja geradezu schockartig und überwältigend über besondere und in ihm zutiefst noch ungeklärte, höchst persönliche Belange und Befindlichkeiten - die in ihm noch nicht zur Sprache gekommen waren! - und also noch unverarbeitet und unbewusst in ihm lagen - auf vorteilhafteste Weise aufklärte“, das heißt, der ihm großartigste und ihn - sich selbst! - als sensationellste Erscheinung hinieden! - deuten und begreifen ließ - und er damit verbunden Versprechungen zugespielt bekam für etwas, was bis dahin in ihm, noch unsicher - und ihn auch verunsichernd! - zwar schon gewirkt hatte, und - als eine ihm angeborene Eigenheit bereits knapp 3 Jahre zuvor bereits, im Herbst 1858, anlässlich eines Ausfluges zu der von Schulpforta aus, wo er ab da seine Ausbildung erhielt, einige Kilometer weit die Saale abwärts gelegenen Schönburg-Ruine ein ihm eigenes Geltungsbedürfnis sich „geregt“ und in einem begeisterten, 40 Zeilen umfassenden „Gedicht“ zu sprachlichem Ausdruck gefunden hatte, das in seiner Endzeile schließlich die überzeugt getane Behauptung enthielt und ein höchst gewagtes gefährliches und gefährdendes Lebensgefühl verriet das da lautete:
Ich übe mein Herrscheramt“. BAW1.55
Über wen und aufgrund von was, wäre da doch, neugierig geworden, zu fragen!


Dieses intensive und an sich fragwürdige, nämlich auch später nie und nirgendwo gerechtfertigte Grundgefühl wurde ihm in Nürnberg von Emerson aus heiterem Himmel heraus in tausendfach eingängigen Facetten und Variationen wieder und wieder nahegebracht, bestätigt, verinnerlicht, zu-geschmeichelt, „einverleibt 3.370, wie er das nannte und bewusst wahrnehmbar gemacht, gesehen und realisiert, so dass er Anlass bekam, diesem Gefühl, als einem Überzeugtsein von sich selbst in sich auch pfundweise „Zucker zu geben“:  Volle Pulle! - Mit unerhört gigantischen Hinweisen, Wendungen, Worten und „Gründen“ wurde ausgerechnet Er da mit allem, was ihm bis dahin absolut persönlich genommen auch zutiefst zweifelhaft und verwirrend erschienen war, hoch emporgehoben vor allen - und über alle anderen - Menschen!  Und ihm damit sein „herrscheramtliches“ Grundgefühl als ein durchaus Rechtmäßiges angeboten, angedient und zu privatem Gebrauch überlassen.  Das konnte nicht ohne Folgen bleiben.
 
Diese voreinstellend bestätigende Positionierung seines Seins war ihm Grund genug, Emerson „
zutiefst lieb“ zu gewinnen und ihn, ihn ,ihn - allen nichtswürdigen, nebenher anfallenden Anfechtungen zum Trotz! - nachträglich, nachdem er Emersons vielfältig als gültig zu erachtenden Aussagen vollumfänglich „angeblich verstanden“ und wiederholt in genauerem Emerson-Lesen in seine Existenz „eingeordnet“ und „eingeflochten“ zu haben, glaubte er fürderhin - und für immer! - für dermaßen „heilig“ halten zu müssen, dass es Emersons Namen verdrängend abfärbte auf die Stadt, so dass er sich - wohl Tage oder Wochen gar, nachdem er sie verlassen hatte! - geradezu aus heiterem Himmel heraus notieren musste: 
O Nürnberg, Nürnberg, heilige Stadt

 Ich hab dich lieb wie keine.“

Das lässt sich nachlesen in BAW1 auf Seite 259. 
Denn dort und
nirgends sonst, hatte Er die ihm unvorstellbarste und offenbarungsgleichste Bekanntschaft seines Lebens als - die vielfältigste Er- und Verklärung seiner Existenz! - erlebt, erfahren und gemacht und sich „einverleibt 3.370, wie er das nannte; - mit einem Eindruck, von dessen Intensität er sich nicht wieder lösen konnte!


Nürnberg war ihm - Emersons wegen! - „
heilig“, nicht als eine Stadt unter anderen, „als sie selbst“, sondern der Offenbarungen wegen, welche ihm ausgerechnet dort - und unbedingt durch den „trefflichen Emerson! 12.9.74 - widerfahren waren!
Ralph Waldo Emerson erschien Nietzsche als ein amerikanischer „Mann von Welt“, in dessen Schriften es ihm nicht nur
gestattet, sondern sogar dringlichst anempfohlen schien, sich selbst und sein geheimstes Sehnen als etwas auch außerhalb seiner Selbst Existierendes - sich - hundertfach? - in Großes und Größtes gespiegelt! - gleichsam wiedererkennen zu dürfen!
Diese Tatsache wurde unterstrichen durch das, was Nietzsche sich nicht nur in der unmittelbar folgenden Zeit, sondern lebenslang zu
seinem Emerson notierte und als Randglossen in seinen Handexemplaren der „Essays“ und in seinen persönlichen Notizbüchern festhielt, zum Beispiel zum 1. Mal zeitlich in der Zeit März 1861 bis August 1862 in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen originalen Nürnberg-Notizen, allerding ohne den Namen „Emerson“ zu nennen, in Form der scheinbar unverfänglich harmlosen Worte:
Ueber Fatum und Geschichte BAW1.259
So steht ist es unauslöschlich und in seiner wahren Bedeutung doch unauffälligst „versteckt“ in den frühesten Aufzeichnungen aus der Zeit seiner Reisenotizen notiert.
Mit eben diesen Worten, die aber nicht aus den „
Essays“, sondern wortwörtlich aus der offiziell erst 1862 (oder vielleicht, was gelegentlich vorkam, vordatiert erschienenen?) Schrift „Führung des Lebens“ stammen und mit Sicherheit von dort übernommen waren, überschrieb Nietzsche nämlich, wenige Monate später, Ostern 1862 oder früher schon, den ersten seiner beiden auch heute noch all seine Bewunderer immer wieder überraschenden Jugendaufsätze, welche die Nietzscheaner als genial frühreifen und legitim selbstständigen „Einstand“ ihres Idols in die „Gilde der überragenden Philosophen“ betrachten, - auch wenn der da gerade gut 17-Jährige Nietzsche, wie „in der Wolle gefärbt“, auf direkteste Weise unter den unmittelbarsten, seinen Emerson wortwörtlich wiederholenden Einfluss geraten, zeigte, wie sehr ihm diese Abhängigkeit zu diesem Anlass hier den lebhaftesten Ausdruck verlieh.
 
Was Nietzsches Veranlagung ihm zuvor verklemmte und verschwiegene Unsicherheit und innere Qualen bereitet hatte, das löste 1861 bei ihm
in, mit und mittels Emersons höchst-geheime Versprechungen von Genie, Mut, Klasse, Besonderheit und Neuartigkeit, Sicherheit und unglaublich bereichernde Zukunftshoffnungen aus, wie er eine solche, 3 Jahre zuvor, in seiner 40-zeiligen „Dichtung“ aus dem Dezember 1858 noch nicht für möglich gehalten hatte.  Da träumte er noch sehr unkonkret von einer ihm längst bekannten, angenommenen, vertrauten und lieb-gewordenen „Schönburg-herrscheramtlichen BAW1.55f  Überlegenheit über „die Anderen“, die er nun - außerhalb seiner selbst! - bei Emerson mit zuvor nur vermuteter aber auch dringlichst erwarteter „Realität“ unterfüttert fand.
 
Emersons 20 „
Essays“, das früheste darin, Natur betitelt, aus der Zeit vor 1836 und sein in diesen gefundenes Vorbild nahmen Nietzsche jegliche Selbst-Zweifel von der Seele und versprachen ihm Maßlosigkeit, Genialität und Sonderrechte, wobei Nietzsche das eine mit dem anderen und allesamt voreilig und sich dabei allzu sehr begünstigend, miteinander verwechselte.
In Emersons „Weisheiten“, die nüchtern betrachtet keine waren, fand der junge, unerfahrene und
auf dieser Ebene von niemandem beratene und nicht „besorgt an die Hand genommene“ naiv-jugendliche Provinzling Nietzsche lauter zwar sehr gewagte, aber seinen angeborenen Überzeugungen widerspruchslos entgegen kommende, gewaltige „Argumente“ zu seinem zuvor gar nicht überschaubaren „Recht“ - vor und über allen anderen! - sein „Herrscheramt“, wie schon auf den Zinnen der Schönburg gefühlt und empfunden, nun als sogar als realistisch vorhanden und ihm anheimgegeben zu erachten, während tief unter ihm, im Untergrund-Gewölbe des Turmes, auf dem Er sich besuchsweise befand, die dummen unwürdig gröhlenden „zeitgenössischen Zecher“ in voll-gegenwärtiger Gewöhnlichkeit lachten und sangen - und! - verglichen mit ihm und seinem ins Höchste strebenden Empfinden! - einfach nichts weiter zu bedeuten haben konnten!
 
Der - nachgewiesenermaßen nach dem 21. August 1861! - niedergeschriebene, bei und für Nietzsche so einzigartige Liebesschrei galt nicht Nürnberg selbst, als Stadt!  Der Name kam später außer als dem Ort des Wagner-Operngeschehens der „
Meistersinger“ bei Nietzsche ansonsten in keiner wesentlichen Bedeutung je wieder vor.
In diesem Sinn galt seine wahre Liebe nach Analyse dessen, was er sich zur Zeit des Geschehens 1861 spärlichst notierte, Nürnberg in Dankbarkeit des dort gefundenen, ihn beglückend hervorhebenden und
auszeichnenden, ihn zu etwas Besonderem unter all „den Anderen“ erklärenden, verführenden und veredelnden Ralph Waldo Emerson, als dem sattsamen Deuter, Bestätiger und Führer zu seinen höchst eigenen und durch ihn nun erst als solche erkannten eigentlichen und verfügbaren „Werten“!
 
Die unmittelbar danach notierten 4 von Nietzsche geschriebenen Worte „
Über Fatum und Geschichte belegen mit aller nur wünschenswerten aber doch gut verborgenen und von anderen schwerlich zu entschlüsselnden Eindeutigkeit, dass er - von nun an! - also Emerson gründlicher gelesen habend, gut kannte und, aufgrund der Zusammenstellung dieser 4 wortwörtlich von Emerson stammenden Worte, diesen auch ziemlich umfassend und recht genau schon kennen musste!
In Nürnberg selbst ist Nietzsche sicherlich nicht dazu gekommen,
viel von dem zu lesen, d.h. nach Emersons Sprachgebrauch sich das „einzuverleiben“, was ihn schon beim flüchtigen Anblättern und Überfliegen aufgewühlt und zutiefst angerührt haben wird:
Oder war es anlässlich von vielleicht immerhin insgesamt doch 5 erfolgten Buchhandlungsbesuchen von Anfang an weit mehr?  Dass sofort und auf der Stelle seine Wirkung tat, was er bei Emerson las und ihn so beeindruckte, wie nichts je zuvor und danach in seinem Leben?  So dass es „anhielt“, ihn prägte, fesselte und ihn in unsichtbare Ketten und Banden schlug, - ihn geradezu imprägnierte und wetterfest, einfach „immun“ machte, gegen alle äußeren Einflüsse, die noch auf ihn zukommen sollten, - bis hinein in seine letzten bewusst verbrachten und mehr als ein Jahrzehnt lang dauernden dunkel und blöde verdämmerten Tage?
 
Darüber, dass Nietzsche sich den Emerson-Band, oder gar 2, auch den mit dem Titel „
Führung des Lebens“ nämlich, in Nürnberg gekauft hätte, gibt es keine echten stichfest schriftlichen „Beweise“, wie, nach heutigen Verfahren, beispielsweise einem zufälliger Weise erhalten gebliebenen Kassenbeleg.
Dafür allerdings, dass sich die Bekanntschaft zwischen Nietzsche und Emerson in Nürnberg ereignet haben
muss, gibt es eine Reihe indirekt Beweis-fähiger Einträge in seine derzeit gemachten und erhalten gebliebenen Notizen, die ohne dieses Faktum einfach nicht so hätten zustande kommen können, wie sie nun einmal zustande gekommen sind!
 
Sobald Nietzsche, nach Ferienende, wieder in seinem Naumburg nahe gelegenen Schulpforta angekommen war und Zeit hatte, hat er Emerson - auch in den folgenden Jahren immer und immer wieder! - lesend „verschlungen“ und auf sich wirken lassen.
Die von Emerson vorgegebenen Superlative und Maßlosigkeiten kamen Nietzsche als
erleichternde Offenbarungen für sein „Denken“ und „Urteilen“ mit fliegenden Fahnen entgegen, weil über die „Superlativität“ der ihm von Emerson gebotenen Grenzwerte, über die bei ihm hinaus schwerlich etwas als tatsächlich Vorhandenes und entsprechend zu Berücksichtigendes vorstellbar war und nichts über diese hinausging, und darüber also nicht weiter nachgedacht zu werden brauchte, was er ja auch ernsthaft nicht versuchte und nicht tat, hätten sich ohne diese Begegnung nicht ereignen können und sind schlussendlich durch Nietzsches belegten zweimaligen Besitz von Emersons 20 Essays ausreichend bewiesen!
Innerhalb von Emersons Vorgaben konnte Nietzsche sich sicher fühlen in einem „
zu Hause“, 9.588 wie es für ihn sonst kein passenderes geben konnte und gab!
Nichts sonst hat, so wie Emerson, bei Nietzsche
Wirkung getan, ihn von heut auf morgen umgekrempelt, erfasst bis in die geheimsten Fasern seiner Existenz hinein, „erreicht“, angestachelt und ihm gleichsam sein Innerstes in verständlichsten und vor allem vorteilhaftesten, in jeder Beziehung mit positiv besetzen Worten und Bildern offengelegt und gedeutet! -
 
Nach fast auf den Monat genau zwanzig Jahren noch, im Herbst 1881, sollte Nietzsche, der bis dahin außer Emerson restlos alles in seinem Leben abgestreift widerrufen und für ungültig erklärt sehen wollte, was einmal im höchsten Sinn beschworene Gültigkeit für ihn besessen hatte, wie beispielsweise vor allem Schopenhauer und Wagner - da
sollte er, in einer der so unsagbar seltenen Erwähnungen des ihm einzig unverändert „heilig“ gebliebenen Namens schreiben:

 „Emerson Ich habe mich nie in einem Buch [und bei diesem kann es sich nur um dessen 20 „Essays“ gehandelt haben!] so zu Hause und in meinem Hause gefühlt als - [und selbst da noch - als Siebenunddreißigjährigem inzwischen! - erschrak sich sein Herz und stockte in einem unüberwindbar heiligen Schauder davor zurück, dem ihm Allerheiligsten zu nahe zu kommen und ihm auf die Füße zu treten, deshalb flüchtete er vor dem Unbenennbaren, das er berief, lieber in eine Floskel und schrieb eigenhändig, gestört und überwältigt von seinen Gefühlen:] „ich darf es [ihn, Emerson und die Wirkung, die durch diesen in ihm entfacht worden war!] nicht loben, es [er!] steht mir [emotional näherungsweise bis fast zum Herzstillstand und zur Flucht in eben diese Floskel!] zu nahe.“ 9.588

Verräterisch in diesem stotternden Geständnis ist eben auch, wie dringlichst auffällig und mehrfach Nietzsche im Gedanken an „ihn“, Emerson, übersprang in ein verallgemeinerndes, unpersönlicheres „es“ immer wieder.


Von den vier oder gar fünf in Nietzsches Besitz befindlich gewesenen Werken von Emerson blieben nur zwei von wesentlicher Bedeutung:
Die von Nietzsche von Anbeginn an so bewunderten und heiß geliebten 20 „
Essays“ von 1858, Version 1874-89, denn die
1. Version dieser Ausgabe ging ihm - und der Nachwelt
leider! - anlässlich eines Gepäckdiebstahls im Jahr 1874 mit allen bis dahin gemachten Einträgen darin - und das dürften viele gewesen sein! - unwiederbringlich verloren! 
Emersons „
Neuen Essays“ von 1876, die in einem sehr anderen Stil geschrieben waren, wurden von Nietzsche wenig, bis sogar gering geschätzt und hinterließen bei und in ihm keine nennenswert greifbaren Spuren.
Die „
Essay-Ausgabe“ aus dem Jahr 1858, übersetzt von einem, d,h. genauer eher einer G. Fabricius, besaß Nietzsche 2 Mal.  Das erste Exemplar - mit aller-höchster bis sogar absoluter Wahrscheinlichkeit das 1861 in Nürnberg erstandene! - gehörte ihm von August 1861 bis September 1874 und war berall hin sein ständiger Begleiter, weshalb ihm eben diese Ausgabe bei einem zufälligen Gepäckdiebstahl abhanden kam, nach 13 Jahren in intensivster Vertrautheit und innigster „Partnerschaft“ gewissermaßen!
Es bildete, zusammen mit dem Emerson-Band „
Die Führung des Lebens“, die verhängnisvolle Grundlage von Nietzsches Infektion mit Emersons „Stil“ und „Weisheiten“, die Nietzsche bis in die geheimsten Tiefen seiner aller-intimsten „Persönlichkeit“ berührten und prägten.

Der Diebstahls-Verlust des „trefflichen Emerson 24.9.74 - im September 1874 auf einer Rückfahrt von Bayreuth nach Basel auf dem Bahnhof von Würzburg! - war, nach 13 Jahren in Nietzsches Besitz, sicherlich mit einer Unmasse von An- und Unterstreichungen und auch Randbemerkungen versehen worden.  Dieses Exemplar wurde von Nietzsche umgehend ersetzt, d.h. in altgewohnter Gestalt neu erworben und blieb mit allen Anstreichungen und Eintragungen, die ab da, ab 1874, von Nietzsche sicher wohl auch auf etliche Weise in veränderter Gestalt neu angebracht wurden, glücklicherweise erhalten.
Dieser genauest zugemessene „Ersatz“ nach immerhin 13 Jahren des männlichen und eigentlich auch „geistigen“ Reifens von 1861 bis 1874 weist darauf hin und verrät zugleich, wie ungeheuer und zugleich doch unverändert, d.h. statisch-unausgereift-bedeutsam Emersons „
Essays“ für Nietzsche lebenslang gewesen und das auch geblieben sind, denn er hätte, nach dem ihn unfreiwillig - allerdings aufgrund mangelnder Vorsicht! - treffenden Verlust, Emerson ja auch „vergessen“ und durch etwas inzwischen zu ihm besser Passendes ersetzen können, was er betont nicht tat, - im Gegenteil!  Im „Altbekannten“ richtete er sich neu ein und wiederholte eine ganze Reihe von gültig gebliebenen Anstreichungen und Notizen, was im Einzelnen nicht mehr exakt nachvollziehen ist.  Insofern bietet der Diebstahlsverlust eine kaum voll ausnutzbar „günstigste“ Gelegenheit, festzustellen, was genau Nietzsche eigentlich so sehr, so eng, so dauerhaft unwiderstehlich an Emerson gebunden hat, - bei aller Trauer um das, was von Nietzsche eindeutig und von Anfang an, von seinem 17. bis 30. Lebensjahr hinein, an Emerson so bewundert worden ist!  Jedenfalls hat er Vieles von dem, was ihm wichtig gewesen war, im neuen Exemplar erneut angestrichen, so dass dies in seinem damit gezeigten Umfang heute auch, seiner Bedeutung nach, noch heute nach-zuerkennen und nachzuvollziehen ist.
 
Übrigens blieb Nietzsche auch bei seiner „intellektuell unterentwickelten“ Hochachtung für den einmal den Jugendlichen und besonders Unerfahrenen begeistert habenden erzromantischen „
Manfred“ vor allem, gedichtet 1816/17 vom Romantiker-Papst der damaligen Zeit, Lord Byron, stehen ohne sich über ihn hinaus-zu-entwickeln und ihn „zu überwinden“. 
Das erhalten gebliebene 448-seitige Emerson-Exemplar der „
Essays“ enthält sicherlich, wie schon das Vorgänger-Exemplar, eine Fülle von Einträgen, Notizen, An- und Unterstreichungen, welche nun - und nur! - alle - und das sind kreuz-quer-ein viele! - die immer noch und weiterhin gelten sollenden Wertschätzungen - und in homöopathischen Dosen auch die Einwände - Nietzsches zu Emerson - und wurde überall hin, als ständiger Begleiter von Nietzsche mitgenommen Deshalb zeigt und verrät es uns überdeutlich Vieles nicht nur aus der Lebenszeit des inzwischen mindestens Dreißigjährigen „philosophierenden“ Nietzsche, von 1874 an bis in sein 45. Lebensjahr hinein, sondern eben auch das, was für ihn - eigentlich darüber hinausgehend! - ausdauernd wichtig, nützlich und bedeutsam war!


Nietzsche hat sich in seinen Abhängigkeiten und seiner engen Nähe zu Emerson stets sehr geheimniskrämerisch verhalten mit dem was für ihn - in dieser und jeder! - Lebensphase an Emerson - immer noch und immer wieder! - stehen geblieben letzten Endes auf der „Stufe des ersten Beeindruckt-seins“ des 17-jährigen! - ohne Kritikfähigkeit daran und also im Großen und Ganzen unbelehrbar durch selbstgemachte und höcst eigene Lebenserfahrungen! - wichtig war!  Das ist, im Nachhinein herausgeschält, hochinteressant, erstaunlich und könnte nicht so deutlich ausgefallen sein, wenn es 1874 den Verlust des Vorläufer-Exemplars nicht gegeben hätte!
 
Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei auch, dass Nietzsche - bestimmt und verständlicherweise! - nicht
alles nachgetragen haben wird, was von ihm im zuerst besessenen Band eingetragen und angestrichen worden war, aber vieles dürfte - noch einmal, darauf liegt die Betonung! - als für ihn wesentlich geblieben, abermals angestrichen und kommentiert worden sein, was die höchste Dringlichkeit unter der diese Eintragungen erfolgten, betont, weil er damit dokumentierte, was er noch immer - nach der vergangenen 13-jährigen Bewunderungsphase - von dem, was er von Anfang an von Emerson kannte, hochschätzte und „wieder einsetzen“ musste. Das erlaubt wohl auf „recht unverändert“ schließen zu dürfen! - Wieder für anstreichens - und kommentierenswert erachtet! - Und das war eine ganze Menge!
Die von Nietzsche stammenden und erhalten gebliebenen Kommentare sowie An- und Unterstreichungen sind also - abgesehen von vielen schriftlich gemachten Notizen in und zu diesem Band - deshalb so aufschlussreich, weil sie in ihrer Gesamtheit von Sommer 1861 bis Anfang 1889! - eine unmissverständliche „Spur“ seiner bei Emerson entdeckten und auch immer „
wieder-entdeckten“ Vorlagen und Vorgaben zeigen!
Diese Echos
seiner seelischen Interessen- und Befindlichkeits-lagen belegen die sehr sehr weit gehende Emerson-Hörigkeit Nietzsches, denn was auf diese Weise erhalten ist, stammt - ab 1874! - tatsächlich umfassend von dem zu der Zeit mindestens 30 Jahre alt Gewordenen und demaskieren, was diesem, als inzwischen eigentlich erwachsenem, selber denken können sollendem Mann, unverändert von und bei Emerson immer noch, seit seiner doch unreifen Jahre von 1861 an und also lebenslang unverändert bedeutsam war!  Sie weisen in konzentrierter Form auf das hin, was Nietzsche im Herbst 1881 damit bezeichnete, dass er sich bei Emerson - wie nirgends sonst! - in einem Buch so „zu Hause und in meinem Hause gefühlt 9.588 hatte.
 
Das
Gefühl - nirgends ging es um ein nüchtern distanziertes Überdenken! - das „Heimische“, das unwidersprochene Akzeptieren und „Wohlbefinden“ kommt in den An- und Unterstreichungen, sowie in dem, was Nietzsche durch Abschriften und Notizen konkret als hervorhebenswert empfand, auf überzeugende Weise zur Geltung und hilft dem nachvollziehenden Leser beim Verständnis für das, womit Nietzsche sich während der Jahre seines „Philosophierens“ - als angeblicher „Philosoph“! - besonders beschäftigt hat, „auf die Sprünge“. - Auch wenn nicht in jedem Fall erkenntlich ist, wann genau er ab Ende September 1874 seine An- und Unterstreichungen erstmals angebracht hatte und er die gelesenen Worte und Wendungen Emersons als „ihm aus der und in die Seele geschrieben empfunden und sich „einverleibt 3.370  hat.  Sie zeigen auf alle Fälle den Mittelpunkt dessen an, „worum es Nietzsche eigentlich“ - und das lebenslang! - gegangen war!  Das Emerson-Gemäße, Über-heroische, alles andere und alle Anderen überragende Bild, das er von sich selber haben zu dürfen glaubte und damit berechtigt wäre „den Anderen“ vorzuschreiben, es ihnen einzutrichtern und anzuweisen, was für sie gut und zu verwirklichen wäre!


Die gemachten Angaben zum genauesten Nachweis, woher die Emerson-Zitate stammen, haben - für einen heutigen Leser! - leider nur einen eher akademisch zu nennenden, gewissermaßen vom Wind der seither doch lange vergangenen Zeit verwehten „Wert“ und „Nutzen“, - weil es dem „normalen“ Leser oder auch Leserin schwer fallen dürfte, sich heutzutage noch die von Nietzsche benutzten Übersetzungen - mit wortlaut und identischer Seitennummerierung des Originals von 1858! - zugänglich zu machen.  Entsprechende Exemplare befinden sich heute - sicherlich bis auf allerseltenste Ausnahmen! - nicht mehr im jedermann zugänglichen antiquarischen Buchhandel, sondern sind nur noch in historischen Bibliotheken und sind dort zumeist wohl auch nur noch im Lesesaal einsehbar.  Ein Verweis darauf, wo sich das Zitierte originaliter befindet, hatte als entlastender Nachweis einfach der Vollständigkeit wegen und somit gewissermaßen „anstandshalber“ zu erfolgen! - Auch wenn es der Leserin oder dem Leser gemeinhin nicht mehr viel nutzen kann, als in allen Punkten die hier beanspruchte Glaubwürdigkeit des Verfassers und seinen verantwortungsvollen Umgang mit all dem Vorgebrachten zu betonen, wie auch die offene Bereitschaft, ernsthaft-umständliche Nachprüfungen so gut, genau und umfänglich wie irgend möglich zu erleichtern und zu unterstützen.
 
Den für sein Leben und Wirken wichtigsten Schriftsteller
Emerson hüllte Nietzsche selber schon sehr bewusst in eine dichte, möglichst schwer bis gar nicht zu lüftende, systematisch geheimhaltende Wolke des Verschleierns.  Es gibt in seinem „Werk“, das heißt aus der Wirkungszeit von rund zwanzig Jahren intensivster Schreiberei unter seiner bestimmenden Einflussnahme - von 1869, dem Beginn seiner Professur in Basel, bis Ende 1888, dem Beginn seiner „endgültigen geistigen Abwesenheit“! - nur 4 von Nietzsche selber veröffentlichte und im Nachlass erhalten gebliebene Stellen wo der Name „Emerson“ offiziell und von Nietzsche beabsichtigt in Erscheinung tritt:
Zweimal handelt es sich dabei um Zitate.  Das 2. und bedeutsamste Mal auf der vorletzten Seite seiner großen vorgeblichen Schopenhauer-Verehrung in seiner 3. und vorletzten „
Unzeitgemäßen Betrachtung 1.426, unter dem noch huldigenden Titel „Schopenhauer als Erzieher“ von 1874, wo er seinen gerade noch lobenswerten Schopenhauer mit Emersons Worten in enorme Höhen jubelt. - Das andere Mal 1882, also 8 Jahre später, zur Veredelung und zur Ehre von ihm selber, als Motto zu seinem wohl nicht gelungensten, immerhin aber doch im Spannungsbogen des geplanten Werks, der „Fröhlichen Wissenschaft“ in der Erstausgabe 3.343 in betonter Weise; - nur dort gemacht! - später, in der Ausgabe 1887, hat er das Zitat durch eine eigentliche Fake-Angabe, mit Sicherheit aber nicht in Abwendung von Emersons „Wahrheiten“ ersetzt.  Ein drittes Mal handelt es sich um die bloße Erwähnung des Namens Emerson unter mehreren anderen im Aphorismus 92 der „Fröhlichen Wissenschaft“ und das vierte Mal diente Emerson in der nicht mehr von ihm selber veröffentlichten „Götzendämmerung“ (1889), dort anlässlich der „Streifzüge eines Unzeitgemäßen“, in welchen Er - gemessen am Wissensstand seiner Zeit! - dieser mit Riesenabstand hinterherhinkend deutlichst „unzeitgemäß“ gewesen ist und auch gewesen sein wollte, in einer relativierenden Gegenüberstellung, um einen Anderen herunterzuputzen zu können. Da sagte er mild und positiv, aber es war unmittelbar bevor er seinen Verstand endgültig verlor, über Emerson, er wäre:
 
Viel aufgeklärter, schweifender, vielfacher, raffinirter als Carlyle ... 13.21 
[ein im viktorianischen England sehr einflussreicher schottischer Essayist und Historiker, erzromantischer Genie- und Helden-Verehrer, - dazu der Mathematik, der deutschen Sprache und Literatur sehr zugewandt, von Emerson bewundert und mit ihm bekannt]
, vor Allem glücklicher … Ein Solcher, der sich instinktiv bloss von Ambrosia nährt [in der griechischen Mythologie eine Götterspeise, welche die von Nietzsche - für sich selber! - so sehr ersehnte Unsterblichkeit garantieren würde], der das Unverdauliche in den Dingen zurücklässt.  Gegen Carlyle gehalten ein Mann des Geschmacks. - Carlyle, der ihn sehr liebte, sagte trotzdem von ihm: „er giebt uns nicht genug zu beissen“:  was mit Recht gesagt sein mag, aber nicht zu Ungunsten Emerson’s. - Emerson hat jene gütige und geistreiche Heiterkeit [in welche sich Nietzsche problem- und mühelos hineininterpretieren konnte!], welche allen Ernst entmuthigt;  er weiss es schlechterdings nicht, wie alt er schon ist und wie jung er noch sein wird, - er könnte von sich mit einem Wort Lope de Vega’s [um 1380-1460, einem portugisischen Historiographen] sagen: „yo me sucedo a mi mismo“ [ich folge mir selbst;  und das war für den so sehr auf sich selber bezogenen Nietzsche schon so viel wie „alles und mehr als genug!“].  Sein Geist findet immer Gründe, zufrieden und selbst dankbar zu sein;  und bisweilen streift er die heitere Transscendenz [das Verhältnis von Gegenständen zu einem bestimmten Bereich möglicher Erfahrung] jenes Biedermanns, der von einem verliebten Stelldichein tamquam re bene gesta [wie nach glücklichem Kampf] zurückkam. „Ut desint vires [wenn auch die Kräfte fehlen], sprach er dankbar, tamen est laudanda voluptas“ [so ist doch der Wille zu loben]. -  6.120.
 
Daneben gibt es noch ein offizielles Zitat von drei Sätzen Länge,
ohne dazu oder darin Emersons Namen zu nennen.  Das war übrigens der 1. Anlass, dass Nietzsche überhaupt etwas von Emerson offiziell zu „zitieren“, ihn bezeichnenderweise aber nicht zu nennen wagte - sehr am Anfang seiner 1874 erschienenen dritten und vorletzten - von ursprünglich 13 geplanten „Unzeitgemäßen Betrachtungen“, - über Arthur Schopenhauer, als er die für ihn selber bei Emerson gefundenen so typischen wie auch wichtigen Sätze in seinen eigenen Text einfügte und verwob: „Es gibt in der Welt einen einzigen Weg, auf welchem niemand gehen kann, außer dir [das hatte Nietzsche fasziniert - ohne auch nur ansatzweise zu ahnen, dass dieser einzig ihm bestimmte „Weg“ ihn nach 15 Jahren unweigerlich in den Wahnsinn führen würde!]:  wohin er führt?   Frage nicht, gehe ihn. Wer war es, der den Satz aussprach: „ein Mann erhebt sich niemals höher, als wenn er nicht weiß, wohin sein Weg ihn noch führen kann?“ - 1.340
Genau das war, von Nietzsche
benutzt, nicht nur Emerson, welcher da nämlich Olliver Cromwell, 1599-1658, den Lordprotektor und Königsmörder (1649 an Karl I.) in England, zitierte. EE.237
Hinter diesem konnte Nietzsche unerkannt und ohne offensichtlichen Betrug seine eigene Emerson-Begeisterung mitsamt seiner bewundernden Abhängigkeit verbergen, worauf es ihm immer angekommen war!  In der gleichen „
Unzeitgemäßen Betrachtung“ findet sich auch die 1. mit einem Zitat verbundene Emerson-Nennung ziemlich am Ende 1.426.
 
Die sich für den 1861 pubertierenden Nietzsche ergebende Gleichzeitigkeit von „Welt“-Erlebnis in der bei aller „Coolness“ fraglos auch Nietzsche überwältigt habende Großstadt-Realität Nürnbergs, - diese zudem gepfeffert mit Emersons „geistiger“, weit über alles ihm bis dahin Bekanntgewordene hinausgehenden, ihm Vieles „erklärende“ und fassbar-machende „Welt-Sicht“ in hochtrabendsten, nie zuvor vernommenen Tönen, Sprüchen und Sphären - erwies sich für Nietzsche als ein „intellektuell“ nur mit gigantischen Risiken zu bewältigendes Gemisch aus Phantasterei, historischen Kenntnissen, Großmaulerei und unfreiwilligen Versprechungen, zu denen es für Nietzsche absolut
niemanden gab, mit dem der knapp Siebzehnjährige die dabei zutage tretenden intimen, fragwürdig doppelsinnigen, peinlichen und deshalb strengstens geheim zu haltenden, überaus ehrgeizigen und so völlig offen nur als vermessen zu empfindenden, aber eben auch ungeheuerlich verführerisch reizvoll verlockenden sowie ihn auch zutiefst erschreckenden Fragen und Weiterungen - ohne dazu aber eine besondere und dazu wichtige Distanz zu alldem gewinnen könnend! - hätte besprechen können!   Nietzsche war auch da - wie immer schon und auch dabei bleibend! - hoffnungslos allein auf sich selbst und seine sich über sich selber in ungeheurem Maße irrenden „Un-Kenntnisse“ angewiesen.
 
Er war - bitter und vollständig alleingelassen mit Emerson! - dazu
gezwungen, seine Begeisterung für diesen, sowie die ihm von diesem angebotenen verführerischen „Erfüllungen“, vollkommen unkritisiert und unbezweifelbar als das ihm zuhöchst Begreifbare anzunehmen, ohne mit aus eigener Lebenserfahrung bereits gewonnener, logisch vorgehender Fähigkeit zu einer sich normalerweise regenden, auch selbstkritischen Kritik, entsprechende Fähigkeiten zur Argumentation zu finden, um, kritikfähig genug, sich mit ihm auseinander-setzen zu können und relativierend auch gegen ihn anzugehen und für sich selbst die Gewichtungen daraus in ein souverän überschaubares und damit letztlich auch „natürlich-normales“ Verhältnis zu bringen.

Das nur gefühlsmäßig erlebt Erfahrene, intellektuell aber nicht Verarbeitete und deshalb nur vorlaut Vertretene, blieb prägend an ihm hängen und zwang ihn dazu, dass er sich - besonders in seinem jungen Alter, ohne ein Ventil, das ihm ermöglicht hätte, aus dem hochexplosiven Themensammelsurium distanzierenden Dampf abzulassen! - dem ihm bei Emerson in scheinbar verständlichen Formulierungen Entgegen-getretenen, ohne Distanz zu sich selber und zudem bei seiner ihm ohnehin fehlenden Fähigkeit zu eigenständig-realistischen Einsichten und, wenn auch nur nach und nach, zu eigens-vertretbaren Ansichten zu kommen, um mit sowohl eigenen als auch distanzierenden Aussagen der unentrinnbar drohenden Identifizierung mit Emerson zu entkommen.  Nur auf diese Weise wäre ihm möglich gewesen, die bloße Erfüllung und Verwirklichung dessen, was jener ihm vorgeführt und unbegründet als Grundsätzlichkeiten naheglegt hatte, zu unterlassen.

Diese letztlich psychologisch wirkenden Fakten blieben zur Rettung des bestehenden, bzw. mühsam erzeugten Nietzsche-Nimbus als große menschlich-übermenschliche Erscheinung und Hoffnung bisher unberücksichtigt, - gehören heutzutage dem erreichten Wissensstand nach jedoch unweigerlich zu einem erforderlichen, glaubhaft realistisch erscheinenden Gesamtbild Nietzsches und verhindern ganz von selber, zwangsläufig, ein „Weitermachen wie bisher“ und veranlassen damit eine Korrektur an einer auf höchst fragwürdigen Grundlagen ruhenden und, überfrachteten Fehlgestalt des darüber hinaus auch viele andere Irrtümer verfestigenden 19. Jahrhunderts.



Bei den in die Texte eingefügten kleinen Zahlen handelt es sich um Herkunfts-Nachweise der Zitate:
Angegeben sind jeweils Band- und Seitennummern der letztgültig „Kritischen Studienausgabe“ (KSA) von Giorgio Colli und Mazzino Montinari und den Briefen lt. KSB per Datumsangabe, - bei einigen auch auf die Herausgabe von Friedrich Nietzsches Jugendschriften in der 5-bändigen BAW, dem Fotomechanischen Nachdruck der Ausgabe der C.H.Beckschen Verlagsbuchhandlung München 1933-1940, Deutscher Taschenbuch Verlag. Zitat-Nachweise zu den Versuchen (Essays) von Ralph Waldo Emerson erfolgten in der Übersetzung von G. Fabricius Hannover 1858.

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