Zarathustra

 Was hat Friedrich Nietzsche mit seinem vor allem etwas „Göttlich-Unwiderrufliches“ darstellen und für alle Menschen gültig sein sollenden


Zarathustra


zu  verwirklichen versucht?



Die Beantwortung dieser Frage führt in ein Nietzsche nach vielen Seiten hin weitgehend unbewusst gebliebenes Labyrinth, in welchem er, vor allem in den 4 Jahren von 1881 bis 1884, als er, aus dem Professorenamt ausgeschieden, 37 bis 40 Jahre alt war und den „Zarathustra erlebte, plante, „erdichtete“, schrieb und sich immer wieder bis zur Selbstaufgabe und zur Identifikation mit und in diesem verlor und verirrte.

Dabei ist sein ihm eigenes „Denkgefüge“, sein umwertungs- und widerspruchs-süchtiger und sich selber immer wieder als unvergleichliche Besonderheit beweisen-wollender „Geist“ einer „Vision“ gefolgt, die ihn im August des Jahres 1881 auf den alpinen Höhen des Engadin, in Sils-Maria, verbunden mit schwersten gefühlsmäßig-seelischen Erschütterungen aus heiterem Himmel heraus überfallen und aus der Bahn eines „normalen“ Erderlebens geworfen hatte.

Von dort oben, in der berauschten und ihn noch Jahre später immer wieder berauschenden  Stimmung 6000 Fuss über dem Meere und [vor allem] viel höher [noch] über allen menschlichen [immer wieder als verächtlich erachteten und entfernt noch nicht übermenschichen] Dingen 9.494  und mindestens ebensoweit entfernt auch von den Realitäten dieser Welt, hatte er über die ihn dort unversehens betroffen und einfach nur überwältigt habenden irrealen und unter schon schwer angeschlagenen gesundheitlichen Umstände am 14. August 1881 geschrieben:

Die Augustsonne ist über uns, das Jahr läuft davon, es wird stiller und friedlicher auf Bergen und in den Wäldern [und dann gestand er mit eindeutig schlicht und einfach wirkenden Worten sein ihn dort oben doch ungemein aufgeregt und umgeworfen habendes und in höchstem Maße auch exaltiert-fragwürdiges vom Stand seiner Denk- und Urteilsfähigkeit viel verratendes Erlebnis. Da heißt es von ihm:]

An meinem Horizonte sind Gedanken aufgestiegen [die aber keine waren.  Es waren hektisch erregte Stimmungen, die ihm zusagten, gefielen und ihn - unkritisch vor sich selber! - in bestem Licht erscheinen ließen - mehr nicht! - Und dass diese für ihn, wie er gestehen musste, seinem Krankheitsstand gemäß, in jeder Hinsicht neu und neuester waren als alles zuvor erlebte, - und fernab jeder realistischen Wahrnehmung fuhr er fort, sehr sachlich von den tatsächlich bei und in ihm ablaufenden Umständen zu berichten:] dergleichen ich noch nicht gesehn habe [aber lange schon gesucht und sich ersehnt hatte] - davon will ich [für die Öffentlichkeit jedenfalls!] nichts [Näheres, keine Details und keine Realitätsbezogenheiten Verratendes] verlauten lassen, und mich selber in einer unerschütterlichen [nämlich für ihn nicht leicht zu bewahrenden] Ruhe erhalten.  [Denn er wollte mit seinem „Zarathustra“-Gefühl, das daraus und dabei entstanden war, einen höheren, dem ordinär-gewöhnlichen und deshalb verabscheuenswürdigen Leben, in welchem er, Nietzsche, nicht mehr - nicht viel mehr! - als „die Anderen“ galt, einen höheren, und damit auch sich und sein Leben verklärenden „Sinn“ in die Welt setzen und hat im Eifer, der Herr dieses einfältig-selbstsüchtigen „Gedankens“ zu sein, nicht erkannt, wie hohl, wie leer sein dahingeopferter „Lebenssinn“ in der Wirklichkeit seiner Unfähigkeit, das Ganze von vorn bis hinten und bis ans logisch korrekte Ende sauber und unbestechlich analytisch durchdenken zu können, tatsächlich gewesen ist.


Sich selber „in einer unerschütterlichen Ruhe“ zu erhalten, das war eigentlich Nietzsches Plan, aber, wie bei so vielen Plänen, hat er sich nicht daran halten können, denn er hatte - wie schon zuvor immer wieder und fast immer nur! - von dem geredet, was ihm selber als das Aller-Wichtigste auf dieser Erde erschien. - Völlig ungeachtet all dessen dabei, was für „die Anderen“ wichtig gewesen wäre!

Deshalb soll hier nun - mit einer Reihe anzuführender Aussagen von Nietzsche selber! - vorgeführt und nachgewiesen werden, was da im Zusammenhang mit seinem „Zarathustra“, für Nietzsche selber nennens- und mitteilenswert gewesen ist und ihn auch bewegt hat, Spuren davon zu hinterlassen, aus denen in diesem Zusammenhang seine Hintergründe erkennbar werden:

Ich werde wohl [wie er in seinem Brief an seinen ihn übermäßig bewundernden „Freund“ des weiteren schrieb und gestand] einige Jahre noch leben müssen! [Um aus dem, was ihm da

a) in den Sinn und

b) an den Rand seines „Horizontes“ und

c) bis ins Mark seiner Knochen geraten war,

eine für ihn unüberbietbar rühmliche - und „natürlich“ für alle, für die gesamte Menschheit! - wie schon 1872 erwartet und angesagt! - also für kommende Jahrtausende! - zu gelten haben sollende Zukunftsvision zu machen.

Dazu verriet er noch:

Die Intensitäten meines Gefühls [hinter denen - damit zugegeben! - garantiert und betont kein von vorne bis hinten weiträumig nüchternes „klares Durchdenken der mit all den zwangsläufig verbundenen Zusammenhängen“ stand und möglich war! - Denn diese]

machen mich schaudern und lachen - schon ein paarmal konnte ich das Zimmer nicht verlassen, aus dem lächerlichen Grunde, dass meine Augen entzündet [d.h. nicht medizinisch entzündet, sondern nur erheblich gerötet und verquollen!] waren - wodurch?  Ich hatte jedesmal, den Tag vorher [der psychisch höchst bedenklich-labile Zustand zog sich also recht gleichbleibend über mehrere Tage hin!] auf meinen Wanderungen [über öffentlich zugängliche Wege an den Silser Seen entlang] zuviel geweint, und [das sollte kein Normalsterblicher mitbekommen!] zwar nicht sentimentale [schließlich von jedermann leichtens zu erbringende ordinäre allerwelts-]Thränen, sondern Thränen des Jauchzens [also höchtpersönlich-superiore „Tränen“ der glücksgefühls-trächtigsten und -gesättigsten, also weit mehr als nur aus haushoch überlegener Höhe getröpfelte Glücks-Verräter!];  wobei ich sang und Unsinn redete, erfüllt [bis stramm unter die Schädelplatte, ohne von der ihn umgebenden Realität noch Vieles wahrnehmen zu können!] von einem neuen Blick, den ich [Er, er, er! - davon seelisch in höchste Höhen erhoben, ja geradezu entmächtigt und geschleudert, katapultiert sogar, ohne eigentlich eigenen Willen! - so hatte er das erlebt und dass er das] vor allen [vor den von ihm so gründlichst verachteten und mit Wonne unterschätzten anderen] Menschen [seiner Zeit] voraus habe. 14.8.81

Was immerhin ja erstaunlich extrem ausgefallene „seelische“ Zustände, Ausrutscher, Entgleisungen, aber für ihn immerhin doch faktisch tragbare und somit auch auch zur Beurteiling seines „Zustandes“ verwertbare Geständnisse waren!

In basser, vom Gefühlsmäßigen dabei nicht betroffener Tatsächlichkeit allerdings hat all das nur geheißen, dass Er sich in jener Zeit schon in wirklichkeitsfernen Maßen über alle Welt erhaben fühlte, was eigentlich jedoch - im Zusammenhang zu seiner Zeitgenossenschaft betrachtet! - nur ein individuell von ihm zwar intensivst erlebter aber in diesem Ausmaß auch ein durchaus pathologisch abseitiger Ausnahmezustand war! - Der hatte dazu geführt, dass Nietzsches jeweils nach 4 dazugehörigen Anfalls-Schüben schließlich zustande gebrachter 4-teiliger und stets „also sprechender Zarathustra“ zu einem sich über die Jahre 1881 bis 1885 hinziehenden und ihn/sich selber idealisierenden Selbstdarstellungs-Versuch im Stil eines „fünften Evangeliums oder irgend Etwas, für das es noch keinen Namen gibt 13.2.83 geriet. - Mit der in der Original-Vorrede enthaltenen Erklärung:

Den Schaffenden, den Erntenden, den Feiernden will ich mich zugesellen: den Regenbogen will ich ihnen zeigen und alle die Treppen des [ins Göttliche hinein aufsteigenden] Übermenschen.  Den Einsiedlern werde ich mein Lied singen und den Zweisiedlern;  und wer noch Ohren hat für [bislang absolut noch] Unerhörtes [und eigentlich, auf den ersten Lauscher hin Unglaubliches], dem will ich sein Herz schwer machen mit meinem [ja, eben nur seinem weit abseits liegenden und auch nur ihm gelten sollenden!] Glücke.
 
Zu meinem Ziele will ich, ich gehe meinen [durch nichts und niemanden und durch keinerlei anderen Gedanken oder gar Selbstkritik aufzuhaltenden, ausschließlich auf ihn selber bezogenen!] Gang;  über die Zögernden und Saumseligen werde ich [gnaden- und rücksichtslos und aller Logik hohnlachend und spottend!] hinwegspringen.  Also sei mein [über alles gepriesener und zu preisender!] Gang ihr Untergang! 3.26f  Auf den er geradezu versessen war, um den Unterschied zwischen ihm und „den Anderen“ so erkennbar wie nur irgend möglich auszugestalten und vorzutragen!

Diese ihn immer wieder anfallenden mega-egozentristischen Gefühlstaumel von mein“ und „ich“ wollte Nietzsche, weil sie ihm tränenreich jauchzend so viel bedeuteten, unter dem Namen des ihm in dessen historischer Wirklichkeit weitgehend unbekannt gebliebenen, aber als angeblichem philosophie-historischen Erfinder von Gut und Böse“ - und deshalb seiner Meinung nach grundsätzlich „Schuldigen an den bestehenden morgenrötlich moralischen Vorurteilen“, von denen Nietzsche nichts mehr wissen wollte! - Deshalb war der sagenhaft altpersische Priester, „Philosoph und Prophet“ Zoroaster umzuwerten!  In einer für modern zu haltenden und ewiglich gültig bleiben sollenden „Dichtung“, d.h. in unmittelbarsten, quasi göttlich gebotenen Aussagen, Behauptungen und aufgrund von Feststellungen, mit denen die derzeit gültige, Nietzsche persönlich zutiefst missfallende Moral „überwunden“ und zugleich klargelegt werden sollte, was Er, Nietzsche, nun - allzu direkt, fanatisiert und logikfrei! - einfach und gewissermaßen 1 zu 1, ohne noch einen Unterschied zwischen sich und seinen sehnlichsten Zukunftswünschen erkennen zu können und erkennen zu lassen! - der Menschheit als seine neueste „Erkenntnis und Aufklärung“ aufzuschwatzen sich angeschickt hatte:

Seine unter Tränen des Jauchzens herzlich unlogisch zustande gebrachte „neue Moral 9.105 als dem von ihm an nun gültig sein sollenden „Sinn der Erde“. 4.14 - Und dies alles an aller Realität und an aller gelebten Gegenwart vorbei! - weil ihm - ohne den geringsten Bezug auf etwas, das auch außerhalb seiner eigenen Existenz gültig gewesen wäre! - im leidenschaftlichen Gegensatz zu dem zu Nietzsches Lebenszeit noch viel intensiver als heute geltenden christlichen Erbarmungs-, Gnaden-, Vergebungs- und Unterordnungsideal diesseits von Gut und Böse, ein sehr eigenes und vor allem andersartig wertendes jenseits 5.18  davon liegendes, ihm aber weit mehr zusagendes und von ihm - aus gewohnheitsmäßiger Religions-Erfahrung heraus! - auch für zukunftsträchtiger gehaltenes Ideal deutlich und auch hinreichend durchsetzungsfähig erschienen war.


Für ihn war, nach seinen eigenen Aussagen, die auf der damaligen Gottheit „Ahura Mazda“ beruhende, monotheistische Religion des alt-iranischen „Zoroaster“ ein Vollstrecker seines moralischen Willens, [wie auch] ein Jesus, ein Epiktet [ein von 50-138 n. C. lebender einflussreicher Vertreter der griechischen Stoa, d.h. einem der wirkungsmächtigsten philosophischen Lehrgebäude der abendländischen Geschichte und somit auch], ein Zarathustra [dessen Namen Nietzsche zur Durchsetzung seiner Absichten als besonders gut passend doch beibehielt, statt, wie er vorübergehend erwog, den sich um nichts weiter scheren wollenden erzromantisch entworfenen „Manfred“ seines dauerhaft verehrten Dichters Lord Byron zu einem Vorbild zu nehmen, wie ebenso], ein Buddha [ein Erleuchteter wie Siddhartha Gautama, der um 500 v. C. in Indien aus eigener Kraft die bis heute anbetungswürdige „Vollkommenheit seines Geistes“ erreichte], auch ein Solcher hat ebenso nur vermöge der tiefsten und gründlichsten „Unmoralität“ gelebt [d.h. - wie Nietzsche selber nun „unmoralisch in seiner Zeit“ dazu entschlossen war! - sich in allem, was nicht seinen Maßen entsprach, also um die zu seiner Zeit eigentlich und im größten Maßstab unter „den Anderen befindlich“ - und zu gleichen Bedingungen wie alle Anderen ins Leben gelangt und somit umgeben war von den für alle auf gleiche Weise gelten müssenden Wertungen! - sich durchaus nicht zu scheren!] und fortgelebt, so wenig ihm dieselbe ins Bewußtsein getreten ist 9.636


Wenige Seiten weiter notierte sich Nietzsche, sein Recht auf maximale „Umwertungsbefugnis“ damit festigen wollend in seinen Notizen jener Zeit:

In dem, was Zarathustra, Moses, Muhamed [,] Jesus [die östlichen Religionsstifter also! - und] Plato Brutus Spinoza Mirabeau [alles ohne trennende Kommata - das waren für ihn lauter berühmte, fast vollständig in richtiger chronologischer Folge genannte „in großem Stil Widersprechende“! - ohne allerdings Luther zu nennen der durchaus in diese Reihe hätte gehören können und müssen, - was diese also] bewegte, lebe ich [als ihr „Letztgeborener“ gleichsam?] auch schon, und [noch in diesem Stil!] in manchen Dingen kommt in mir erst [weil Er das

a) so sehr auf sich selber bezogen allzu-persönlich eben und

b) nur in seinem „Jetzt“, in seiner Gegenwart und zu dieser passend erlebte!] reif [würde und deshalb durch ihn erst vollkommen geworden?] an’s Tageslicht [d.h. in seine und überhaupt in die stets und immer von allen als einzigartig zu empfindende Gegenwart!], was embryonisch [abgeleitet aus „Keim“ und „ungeborene Leibesfrucht“, - ein Wort für „unentwickelt, unreif“, hier im Sinne von „Keimbahn“ verwendet? - die als solche] ein paar Jahrtausende brauchte [das würde und sollte in Nietzsches ausgeprägt messianischem Bewusstsein und ungeachtet der langen, evolutionär dafür tatsächlich anzusetzenden Entwicklungszeit, von ihm, seinem Willen“ und seiner ihm gar nicht verfügbaren „Macht“ unterstellt, nun von ihm erfüllet“ werden!  Deshalb die sofort aus dem Nichts gegriffene aber eigentlich nur selbstgefällige Behauptung:]

Wir sind die ersten Aristokraten [adlige Männer mit blutseigen-vornehmer Gesinnung?!] in der Geschichte des Geistes [welche - nach uralt-überkommenen Adels-Ansichten! - von Geburt aus etwas Besseres als „die Anderen“ sein würden und auch sein wollten und sollten?] - der [echt-evolutionäre?] historische Sinn beginnt [ausgerechnet von Nietzsches defektbeladener Erkenntniskraft angetrieben?!] erst jetzt“. 9.642 -

Dann aber sollte das, 2 Jahre darauf, in Aussprüche münden, wie beispielsweise:

Nicht den Menschen wohlzutun - das Dasein selber zu vollenden, mich als Vollender [dieser Entwicklung?] zu schauen 10.487  Das und mehr sollte sein Ziel, seine Großartigkeit und seine Bedeutung hinieden unterstreichen.

Mit und seit ihm! - Aufgrund seiner vor-descartischen Art des Philosophierens mit längst überholten Grund- und Denkansätzen der Ausstülpung seines Ich über die Anderen hinweg, infolge seiner undurchdachten, rein individuell absolut an nichts als an ihm selbst überprüften und von allein daher als für wahrhaftig genommenen, außerhalb allen Zweifels stehenden „Bauch-Gefühlen“, welche ihm eingaben, dass es - für alle gültig! - nur genau so und nicht anders sei und so zu sein habe wie er sich das, ohne reflektierend darüber nachdenken zu können, halt vorstellen wollte!

Im gleichen Sinn und Zusammenhang, allerdings etwas mehr als ein Jahr später, notierte Nietzsche sich, Ende 1882 bis Anfang 1884 irgendwann:

Ich ging in die Einsamkeit, weil ich den Menschen [so, wie er nun einmal ist? - im statistischen Mittel zwischen gut und böse!] lieben wollte, aber [diesen, da Nietzsche unter ihnen dazumal und noch lange nicht unbedingt als der alle überragende Erste anerkannt wurde!] immer hassen mußte [warum sonst?].   Endlich liebte ich [deshalb als seinen vorurteilsbehafteten „moralischen Trost“ und Ersatz hinieden!] den [superlativierten!] Übermenschen - seitdem ertrage ich die [aus Rache so gerne verachteten und vor allem kurzentschlossen zu überwindenden bloßen!] Menschen [auf die Er jedoch - bis es den so sehr erwünschten „Übermenschen“ endlich wirklich geben würde! - zumindest als Kulisse für seine eigene Herrlichkeit! - angewiesen war!]. Ich will ihnen eine neue [zur Stütze seiner Macht nämlich seine!] Hoffnung bringen!  Und [mit seiner neuen Moral 9.105 auch] eine neue Furcht - sagte Zarathustra. 10.147

Weil die Furcht der Untergeordneten zum Erhalt von machtbewusster Zucht und Ordnung nun mal - unverzichtbar? - dazugehört?


Überdies „dichtete“ Nietzsche zu den Absichten, die er in jener Zeit hegte und ausprägte über das, was sich in ihm abspielte, über seine gerade aktuellen Gefühlszustände, ihn umgäbe oder er wäre erfüllt von seinem Sein:

Ganz Meer, ganz Mittag, ganz [willenlose!] Zeit ohne Ziel [um ihn her]. Ein Kind, ein Spielzeug [Er in unbelasteter Unschuld mit nur seinen Hoffnungen?] Und plötzlich werden [wurden?] Eins zu Zwei [Er neben, in, mit einem, den er, seine eigenen „höheren Ziele“ - mit einem historisch-prophetischen „Background“ versehen! - um so beeindruckender verkünden konnte?!] Und Zarathustra gieng an mir vorbei. 10.157

Denn dieser sollte die Themen, die Nietzsche ganz unmittelbar und unphilosophisch beschäftigten, bedrängten und verwirklichen wollte, da er sich damit identifizierte! - eben ganz unmittelbar zur Sprache und damit ins Bewusstsein seiner Gegenwart bringen!


Das war immerhin großartig formuliert und so geschah es nach dem Sommer 1881 in Sils-Maria, bei dem dort heute am Seeufer noch - zwar schon seit ewigen Zeiten unschuldigst aus ganz anderen Gründen an der Stelle vorhanden gewesenen großen pyramidal aufragenden Felsstein, welcher sich nun aber, mit dem irrlichternden Hintergrund einer irren Chimäre, mittels einer von Willkürs-Hand beschriebenen bronzenen Tafel - aber aufgrund welchen höheren Rechtes und Zusammenhangs? - umgewidmet fand zu einem Nietzsche-Monument und dabei - törichter- und auf vorübergehende Weise? - nun zu einem so genannten „Zarathustra-Stein“, mit dem dieser Stein an sich und realiter, über weitreichendere Epochen betrachtet, nicht das Geringste zu schaffen hatte!


Kurz darauf notierte sich Nietzsche aus den Tiefen seiner aufgewühlten und aufwühlenden Gefühle heraus, nun generelle Umwertungen bevorzugend (die bis ins Musikalische gingen und forderten,  dass es sogar besser wäre: Der eigentliche Text müsste erst gedichtet werde, nachdem die Musik fertig ist 10.1.83, fertig wäre!) sowie in Erinnerung daran, was einstmals für ihn, zu den Zeiten, als er noch an Schopenhauer glaubte und er sich in diesem entfalten und deshalb allein dessen „Weisheiten“ gelten lassen wollte:

Wille zum Leben?   Ich fand [genauer und vor allem von sich persönlich ausgehend!] an seiner Stelle [das hieß „jetzt“, wo ganz Nietzsche-typisch Anderes gelten sollte als je zuvor!] immer nur Wille zur Macht. 10.187

Was mit dem ominösen „immer nur“ glattweg gelogen war, weil Nietzsche sich, zeitlich festgelegt, hier auf Ende 1882 bis Februar 1883, in erstmaliger Erwähnung seines letztlich sehr privaten, aber just erst erwachten „Machtwillens“, von nun an erst vor allem von seinem früher, knapp 6 Jahre lang - vom Herbst 1869 bis 1875! - hoch, wild und alternativlos gefeierten, von Schopenhauer als blind erachteten „Willen zum Leben“, offiziell, grundlegend und endgültig absetzen und befreien wollte!


Wenige Seiten darauf - und einige Schritte weiter auf den Pfaden seiner „geistigen Enthemmung"! - notierte Nietzsche, was er sich selber fragte und, weil sicher allzu leichtfertig hingeschrieben, nicht selber zu veröffentlichen, d.h. zu einem Aphorismus zurechtzuschmieden gewagt hatte:

Was muß ich thun, damit ich selig [gesprochen werde? - also in den Rang eines beispielgebenden und damit allgemein bevorrechtigten „Heiligen“ aufrücken] werde?“ [denn dahin, auf etwas Derartiges zielten seine sehnlichsten Wünsche durchaus!]  Das weiß ich nicht [wollte und sollte ihm also als eher egal erscheinen und für ihn keine Rolle spielen!], aber ich sage dir:  sei selig [einfach so, aus eigener, nur auf sich selber bezogener „Machtvollkommenheit“ an der niemand zu beteiligen war und aus seiner eigenen, sich immer selber begünstigenden Wertung“ heraus, die beide wie Lord Byrons „Manfred“ auf niemanden angewiesen sein wollten: „Sei selig“, denn das war er ständig] und tue dann [sei es auch das unseligste Zeug!], wozu du [gerade mal?] Lust hast. 10.195

Damit waren also seine - auch moralischen! - Grundsätze unmittelbar - und nur! - auf subjektivistischen Sand, auf seine nur ihm eigene Lust gebaut und das sollte ihm schließlich zur - allgemein gültigen? - Begründung genügen!


Zum Kreis dieser selbstgenügsam autistischen Art Aussagen und Sprüche gehört auch:

Ich konnte nichts entbehren als ich den [es müsste aber in Hinsicht auf die tatsächlich erbrachten Leistungen heißen „die Idee“ eines] Übermenschen schuf [als er diesen im Rahmen der ihm schon früh bekannt gewordenen Evolutionslehre von Charles Robert Darwin (1809-1882) von Ralph Waldo Emersons (1803-1882) „Weisheiten“ ausgehend, sich unbedingt als „Ideal-Ziel der Menschheitsentwicklung“ ausgedacht und zurechtgebastelt hatte, denn dieser - zu? - ideal Gedachte hatte, jeweils und auch immer wieder noch weiter ins Höhere hinein Denkbare, nach „Strich und Faden“ mit der Wirklichkeit dieser Welt nicht das Geringste zu schaffen!].  In seinem Samen ist noch alles euer Böses und Falsches, eure Lüge und eure Unwissenheit. 10.202  Umgedeutet zu neuen „übermenschlich zu erstrebenden“ Werten und also noch vollkommen unbekannten Eigenheiten!

Der „Übermensch“, den Nietzsche meinte „geschaffen“ zu haben, ihn aber entfernt nicht geschaffen hat! - Was war er tatsächlich?

Eine hyper-ästhetizistische Idealisierung von etwas, das Er seinerzeit für „nicht gut genug“, d.h. für „Verbesserungbedürftig am landläufig daherkommenden Menschen“ halten wollte! - Tatsächlich aber ein Popanz, eine nicht ernst zu nehmende Schreckgestalt, nach subjektiv nur Nietzsches Maßen, Vorstellungen, aber auch Fähigkeiten, zu denen schließlich auch eine Reihe von nicht nur ihm noch gar nicht bewusst gewordenen Defekten gehörte!?


Zu etwa der Zeit, im November 1882, notierte Nietzsche sich, wie schon oft, die Frage mit der Antwort an sich selber:

Liebe ich die Vergangenheit?   Ich vernichtete sie [d.h. ihre bisherigen Gültigkeiten - ausgedrückt als einen bereits verwegen vollzogenen Fakt! - durch seinen sich heillos überschätzenden machtvollen und an alles gelegten Willen zur „Umwertung“!] um [mit sich selbst im Reinen!] zu leben.

Liebe ich die Gegenwärtigen? [nein, auch wenn das ungesagt blieb, denn was folgte, war eindeutig genug:] Ich sehe von ihnen [angeekelt?] weg, um [ohne sie - neben sich selbst und schon gar nicht als gleichwertig! - beachten oder berücksichtigen zu müssen! - um also von ihrer Gegenwart ungestört mit seinen für absolut berechtigt gehaltenen Maßlosigkeiten gut!] leben zu können. 10.209  So, wie er es - nach ausschließlich seinem eigenen Dafürhalten lt. vielen anderen Äußerungen zu urteilen! - vollkommen und zweifellos allgemein geltend für richtig hielt!


Ebenso aussagefähig über ihn selber sind in diesem Zusammenhang seine beiden wiederum kurz darauf gemachten, weil für gehaltvoll gehaltenen, sorgsam aufbewahrten und deshalb auch überlieferten Notizen, die ihm viel bedeuteten:

Ich fürchtete mich unter Menschen:  es verlangte mich unter Menschen [zu weilen und natürlich bei ihnen auch etwas zu gelten?] und [aber?] nichts stillte mich.  Da ging ich in die Einsamkeit [in die alpinen Höhen um Sils-Maria, seit 1879, 8 Sommer lang, mit Ausnahme der Jahre 1880 und 1882, bis zuletzt im Jahr 1888] und schuf [erträumte, erschlich, erfälschte und „erfakte“ sich!] den Übermenschen [als pseudo-philosophisches Vehikel zu seiner einsam an allen ihm gleichgültig Bleibenden vorbei sich rächenden Selbsterhöhung:]. Und als ich ihn geschaffen [das aber hieß nur ausgedacht“ hatte, mehr nicht!], ordnete ich ihm den großen Schleier des Werdens [zu] und ließ [wie Gott am 7. Tag?] den Mittag [das Symbol für die immer und ewig inskünftig allein zählen sollende Gegenwart!?] um ihn leuchten. 10.210


Verbunden damit wurde ihm die selig erhöhende Einsicht und lebhafte Erinnerung zuteil:

Unsterblich ist der Augenblick, wo ich [ich, ich, ich! - Gott gleich dabei?] die Wiederkunft zeugte [d.h. nur erfand, sich einfallen ließ oder diese doch einfach nur aus verschiedensten Traditionen übernommen hatte?! - und wie er diese Idee im 341. Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“ eindringlichst beschrieben hatte, - weil diese - so von ihm superlativiert! - ewig wiederkehrenden Ewigkeiten als Furchtfaktor ein extrem wichtiges Zubehör zu seiner „neuen Moral 9.105 darstellen sollten!]  Um dieses Augenblicks willen [nämlich überhaupt auf die hirnrissige, jeder Art von Evolution himmelschreiend widersprechende, aber uralt tradierte Idee mit den sich ewig wiederholenden Ewigkeiten gekommen zu sein!] ertrage ich die [doch von ihm selber unbedacht erst und frei nur erfundene unmögliche Tatsächlichkeit dieser] Wiederkunft 10.210  [deren eingebildetem Gesetz er sich unterstellte und von der er meinte, sie müsste, wie im 341. Aphorismus der „fröhlichen Wissenschaft“ in wahrhaft absolut dichterisch-unphilosophischer Meisterschaft beschrieben, „den Anderen“ unerträglich sein!  Er aber glaubte an sie und wollte an sie glauben, denn Er war - deshalb ihre selbstmörderische Bejahung! - auf sie angewiesen sein, weil Er nur durch sie zu etwas mit Göttlichem vergleichbares also zu einem unvergleichbaren Schöpfer einer neuen und wiederum Jahrtausende gelten sollenden, - aber irren, weil in sich nicht stimmigen! - Weltordnung aufsteigen wollte; - einfach weil er sich als einen solchen superlativ wirken könnenden „Messias“ und Weltverbesserer verstand und darin sich, sein Wesen, sein Wollen und so auch sich für ewig gerechtfertigt sah!]


Die Unlogik und die vielen inneren Widersprüchlichkeiten dieses Vorgangs waren Nietzsche nicht vollends verborgen geblieben!  Auch ihm war es bei dem Ganzen im Grunde - wie in allen Religionen! - „nicht ganz geheuer“!  Über die Pfade der Logik aber hat es da für ihn keinen Ausweg gegeben und so ließ er die Ungereimtheiten für den realitätsbezogenen „Verstand“ so auf sich beruhen, wie diese halt bei allen Religionen und einseitigen Verabsolutierungen auf standesbewussten Hilflosigkeiten bestehen bleiben.

Wenige Seiten weiter heißt es in seinen von ihm selbst und von vielen, denen er den Kopf verdreht hatte, für ach so wichtig und auch für tiefsinnig gehaltenen Notizen:

Was der Affe für uns ist, ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham:  das soll der Mensch für den [als quasi-göttlich zu erachtenden?] Übermenschen sein. 10.217

Da hatte Nietzsche allerdings auf die lächerlichst-anmaßende Weise die über jederlei Einzelleben weit hinausgehenden Zeitspannen der Evolution und damit den Bezug zur Realität, vollkommen außer Acht gelassen, - des Glaubens dabei, dass seine Geisteskraft ausreichen würde und müsste, um diese Zeitspannen leichthin auch überspringen zu können?


In der geforderten „Züchtung 3.254 u. 10.507 des Übermenschen verdeutlicht sich Zarathustras gedanklich ohnmächtige Identität mit Nietzsche selber und also der „Zarathustra“ als ein Propaganda-Mittel zu eben diesem Zweck.  Gleiches ergibt sich aus der Notiz:

Meine Forderung [aber was hatte ein Nietzsche des Jahres 1883 der gesamten Menschheit gegenüber zu fordern? - Und das zudem nur auf seiner - gegenüber der Menschheit in jedem Fall doch arg schief liegenden Grundlage persönlichster, mit niemandem außer ihm selber abgestimmten Ideale! - um, nach eigener Auslegung nämlich nur]:   Wesen hervorzubringen, welche über der ganzen Gattung „Mensch“ [als was, worin und wodurch aber?] erhaben dastehen:  und diesem [bloß superlativierten?] Ziele sich und „die Nächsten“ zu opfern [haben, - für ein sich selbst gegenüber unkritisch und bedenkenlos hingebenes, für sie selber unsinniges Ziel? - Zur Erfüllung von Nietzsches allerpersönlichster Lust und seinen auf ihn selber gerichteten Überzeugungen?].  Die bisherige Moral [d.h. die Moral, welche im Zuge der Evolution - außerhalb von Nietzsches Zuständigkeit nämlich! - entstanden und nicht auf ihn, sondern auf die Anwesenheit auch „der Anderen“ ausgerichtet, bezogen und zugeschnitten war!] hatte [nach seinem Urteil!] ihre Grenze innerhalb der Gattung:  alle bisherigen [d.h. bis zu Nietzsches „Erkenntniskraft“ und seinen - gemessen am Realitätsgehalt seiner Aussagen doch in erheblich behinderter „Qualität“ vorgebrachten - gültig gewesenen] Moralen [alle, deshalb von Nietzsche in den Plural gesetzt!] waren nützlich, um der Gattung zuerst unbedingte Haltbarkeit zu geben:  wenn diese [angebliche „Haltbarkeit“] erreicht ist [wäre!], kann das [und musste das durch Nietzsches neu-moralin-haltige Sprachrohr „Zarathustra“, welcher „die Anderen“ für nichts wertete und das auf den Übermenschen hinauslaufen sollende?] Ziel höher genommen werden [sollte, also ein Wesen „höher“ gezüchtet werden als der derzeitige Mensch es gewesen ist?  Auf den mit nichts vergleichbaren „Übermenschen“!].  Die eine [gültig gewesene und von Nietzsche nun gründlichst verworfene mitleidsträchtige] Bewegung ist [bringt?] unbedingt:  die Nivelli[e]rung der Menschheit, große Ameisen-Bauten usw. ..... meine Bewegung [so, wie Nietzsche sie „Zarathustra“ - brutal mit der Tür ins Haus fallend! - predigen ließ!]:  ist umgekehrt die Verschärfung aller Gegensätze und Klüfte, Beseitigung der Gleichheit [was für Nietzsche aber vornehmlich - nachgedacht darüber! - ein Freibrief für seine dero höchst persönliche Selbstüberschätzung gewesen sein sollte, - aber  zugleich auch ein Freibrief gewesen wäre für „Gleiches für einen jeden“. - Denn wo stand geschrieben, dass ausgerechnet und allein Nietzsches Idee, als nur eine unter vielen immerhin als möglich Denkbare, die einzig richtige oder „beste aller denkbaren Zukünfte“ herbeiführen würde?], das Schaffen Über-Mächtiger [die solche aber nur nach dem von Nietzsche festgelegten Zweierleimaß, getrennt für sich und „die Anderen“ wären!].  Jene erzeugt den letzten [den in Nietzsches Augen nichtswürdigen, eben nur heutigen, gegenwärtigen, aber Nietzsche Ekel bereitenden!] Menschen.  Meine Bewegung [jedoch? erzeuge] den [in jederlei Zukunft „himmelreichsgleich“ glänzend strahlenden, niemals aber gegenwärtig sein könnenden] Übermenschen. 10.244  Der trotz allem doch bis in alle Ewigkeiten hinein immer noch denkbar verbesserbar bliebe!


Dazu passen die in der bedeutsamsten Zeit seiner sowohl illusionären als auch inflationären „Gedanken-Entwicklungen“ zur menschlichen Zukunft, die für seinen „Zarathustra“ entstandenen „Nicht-Überlegungen“, welche Nietzsche im Frühjahr/Sommer 1883 (da war der 1. Teil, ein ganz kleines Buch - hundert Druckseiten etwa.  Aber es ist mein Bestes, und ich habe einen schweren Stein mir damit von der Seele gewälzt.  Es gibt nichts Ernsteres von mir und auch nichts Heitereres 1.2.83 gerade fertig) sehr bündig und ab da 10 Seiten weiter zu Papier gebracht lautet der Eintrag:

Illusionen [d.h. - ungeachtet der mit Descartes (1596-1650) beginnenden denkerischen Aufklärung, d.h. der allgemeinen Ausrichtung des Denkens auf die sachbezogen zu ergründende Wirklichkeit! - da bot Nietzsche hier nun weiterhin bloße, aus dem Bauch herausgekommene und genommene Glaubens-Inhalte, wie schon zuvor seit Jahrtausenden üblich!  Also bloß erdachte Illusionen“.  Die, meinte Nietzsche auf naive und letztlich auch ungebildete Weise] sind [wären!] nöthig, nicht nur zum Glück, sondern zur Erhaltung und Erhöhung des Menschen:  insonderheit ist [seiner zu sehr auf sich selber bezogenen Vorstellung nach!] gar kein Handeln möglich ohne Illusion [d.h. ohne unrealistische „höhere Ziele“ oder Fakes?]. Selbst jeder Fortschritt der Erkenntnis ist durch die Illusion erst möglich [erfolgreich allerdings nur in ihrer umfänglichen Bindung an die uns umgebende und dazu auf`s Genaueste zu ergründende Realität, die das ausmacht, was - auch ohne unsere „Illusionen“ und Ansichten! - durchgängig wirksam ist, denn der durch Illusionen unberührt bleibenden Realität sind wir unweigerlich ausgeliefert!]:

folglich muß der Quell der Illusion [also der inhalts- und bedeutungslose Glaube und Kern] unterhalten [aufrechterhalten?] werden, falls wir erkennen, gut handeln und [laut der in Nietzsches „Zarathustra“ verkündeten „neuen Moral“] wachsen wollen“ - so dachte ich einst.

So hatte Er zu seinen Gunsten und dies mit Gültigkeit gefälligst für alle „gedacht“!

Gäbe es eine absolute Moral, so würde sie [die nicht nur seinen Bedürfnissen dienende wohl!] verlangen, daß unbedingt der Wahrheit gefolgt werde [aber als was und wo findet sich eine solche, abstrahiert, objektiviert und ohne eines Gottes zu bedürfen - wenn nicht bei Immanuel Kant, 1724-1804, den Nietzsche verachtete und lächerlich machte, weil er ihn in keiner Hinsicht - insbesondere nicht in seiner Objektivierung eines jeden im Bezug auf „die Anderen“! - verstanden, verinnerlicht und sich einverleibt hatte! - Denn eine „absolute Moral“ gibt es nicht und kann es nicht geben, wenn alles nur abhängen soll von so etwas wie Nietzsches oder irgendjemandes Wohlgefallen ohne „die Anderen“ als einen wesentlichen Faktor in sein Weltbild einzubeziehen!]: folglich, daß ich und die Menschen an ihr [an dem, was Nietzsche für „Wahrheit“ halten wollte!] zu Grunde gehen [das war jedoch weder Nietzsches noch Zarathustras „wahre“ Moral und Sehnsucht!]. - Dies [ist] mein Interesse an der Vernichtung der [bisherigen, ihm, seinem Naturell, so absolut zuwider gehenden] Moral.   Um leben und höher [mit seiner Idee unsterblich dem Übermenschen entgegen zu streben und also!] werden zu können [was er - noch und ewiglich! - nicht gewesen ist:  Damit, wie er es in aller nur denkbaren Maßlosigkeit auch 

brieflich nicht nur am 21. Mai 1884 sondern öfter zum Ausdruck brachte, dass künftig dann mindestens!] Ganze Jahrtausende auf meinen Namen ihre höchsten Gelübde thun, [und wenn sich diese Maßlosigkeit nicht erfüllen würde, dann, fand er im gleichen Atemzug: so habe ich in meinen Augen Nichts erreicht. 21.5.84] - um den [d.h. Nietzsches typisch höchst-eigenen!] Willen zur Macht zu befriedigen [da tauchte der Begriff zum 2. Mal, datierbar Frühjahr bis Sommer 1883, in seinem Schriftnachlass auf! - So und dafür nämlich], müßte [von ihm!] jedes absolute [und anders lautende] Gebot beseitigt werden.   Für den mächtigsten Menschen [d.h. für ungefähr so etwas wie Nietzsche selber! - seiner Vorstellung nach!  Für den] ist auch die Lüge ein erlaubtes Mittel, beim Schaffen. [So viel zu Nietzsches moralischer Zuständigkeit“ in der Gestaltung dessen, was künftig als logisch gelten sollte!]: ganz so verfährt [angeblich! - aber nach Nietzsches Meinung nur!] die Natur. 10.254

Was dazu führen würde, zum Fressen und Gefressenwerden zurückzukehren!

Die derart von Grund auf und absichtlich verfälschte Natur“, auf die sich Nietzsche in diesem Zusammenhang berief, war hier von ihm, ohne jede allgemeingültige Logik dargestellt und zudem verneint.  Zugleich verleugnete er die wahre und vorgefundene Natur, von welcher er aufgrund seiner Zeitgenossenschaft umgeben war!


60 Seiten vollgestopft mit sehr individuell orientierten Notizen weiter, zeitlich immer noch im Frühjahr/Sommer 1883 dann, in einer für Nietzsches Größenwahn-Entwicklung besonders fruchtbaren Zeit, heißt es eindeutig und ohne daran zu deuteln:

Dazu meine Gegenbewegung: - Beherrschung der Menschheit [durch ihn auf seine, wie er glaubte von ihm auch auf erlaubte Weise, für gültig erklärte, aber „zurecht-gefakte“ Wahrheit, mit seiner holprigen „Lehre der ewigen Wiederkunft“] zum Zweck ihrer Überwindung [der „Menschheit“ zur „Übermenschheit“! - Als ob Er das

a) im Alleingang zu entscheiden gehabt hätte und es

b) überhaupt möglich wäre!

Denn nüchtern betrachtet war es eben, leider nur, sein als „Philosophie“ verkleideter krankhaft persönlich-eigennütziger Größenwahn und Geltungswille sich als ein so mächtiger „Führer“ zu schauen, zu erleben, zu fühlen! - Ohne Verstand!].

Überwindung durch Lehren [die da mittels „Zarathustra“ als Nietzsches mit tausend persönlichsten Geheimnissen verdecktes Sprachrohr forderten, dass der bestehende Mensch - am Maß des von Nietzsche erdachten und ewig weiter und höher erdenkbaren Übermenschen als beschämend erwiesen! - sich aufzugeben, zu verneinen und nur dazu wert zu sein hätte, zu dienen, um in Unsicherheit verfangen den über ihn „hinausgehenden“ [aber durch nichts erwiesenen und de facto auch nicht zu erreichenden!!] Übermenschen“ zu erschaffen! -

Also durch für einzig notwendig gehaltene „Lehren“] an denen sie [die derzeit vorliegende Menschheit] zu Grunde geht, ausgenommen die, welche sie [die von Nietzsche entdeckte „neue Wahrheit“!] aushalten. 10.512 [wie das auch ein Heinrich Himmler 1943 wort-wörtlich seinen SS-Genossen vor den Leichenbergen ihrer Mordtaten - zum Erhalt der Zufriedenstellung mit sich selbst und ihrem „Gewissen“ - anempfohlen aber übersehen hatte, dass einzig das gegenwärtige Leben wirklich zählt!!]


Angesichts der ewiglich zu erwartenden
Erfüllung dieses unerreichbaren Ideals hatte ein jeder also gemäß dem 1. „fröhlich-wissenschaftlichen“ Aphorismus, dass „einer immer Keiner sei 3.370 ohne eigenen Wert zu verbleiben und ein für ihn selber sinnloses - weil weltanschaulich enteignetes! - Leben zu führen und sich allein mit seinem maximal unterwürfigen „Dienst am höheren Ziel“ zu begnügen! - So zwangsarbeiterisch sähe ein jedes von Nietzsche bestimmtes Leben „der Anderen“ aus, - nicht jedoch seines, das er doch mit seinem Vorhaben ins Unermessliche, weit über sich selbst hinaus, hatte überhöhen wollen!


Grundirrthum bisher: „alle Handlungen des Menschen sind zweckbewußt“. „der Zweck des Menschen ist die Arterhaltung [lässt sich das so, als eine unumstößlich geltende Wahrheit, sagen, da es doch - als ein schlagendes Beispiel! - für Nietzsche selber nicht gelten sollte?] und nur insofern auch die Erhaltung seiner Person“ - jetzige Theorie.  So steht es auch bei sehr individuellen Menschen, wir [denn Er gehörte zu jenen, fühlte das jedenfalls so!  Sie] sorgen für unsere zukünftigen [übermenschlichen?] Bedürfnisse! 10.315  Das hieß:  Der zarathustrischen Erzeugung des Übermenschen!  Aber auch das war nur ein „Zweck“!  Allerdings ein Zweck allein zu Nietzsches prophetisch bewerteten Gunsten!  Denn schon 2 Seiten weiter heißt es in seinen Notizen - ohne größere Zusammenhänge dabei bedenken zu müssen:

Die Voraussetzung der Gesellschaft muß sein, daß sie [wie aber?  Eine Erklärung dazu ist Nietzsche schuldig geblieben!] den höchsten Typus „Mensch“ [als den Superlativ des Superlativen! - als den allein und maximal noch Vorstellbaren!?] repräsentire und daraus [ebenso superlativ-maßlos!] ihr Recht ableitet, alles ihr Feindliche als das an sich Feindliche [radikalst?] zu bekämpfen. - Ohne diesen [zutiefst totalitären und zudem irrwitzigen, den Einzelnen nämlich als Nichts erachtenden!] Glauben an sich [selbst] ist die Gesellschaft „unmoralisch“ in jedem Sinne.  Im Glauben [an dessen totalitäre Festigkeit] aber bestimmt sie [die in solche Fesseln gelegte „Gesellschaft“ oder doch nur Nietzsche als Bildner einer idealen Gesellschaft“?] erst, was moralisch sein soll, - so hat es [das Leben eines jeden? - im Grunde aber doch nur nach Nietzsches höchst persönlichem Größenwahn, der all-so zum allgemeinen Gesetz gemacht werden sollte, einen] Sinn! 10.317

Derart schamlos irrationale Aussagen - unter vielem Anderen! - immer noch als von einem „Denker“ stammend zu erachten, zu betrachten, zu nehmen, bewirkt, dass Nietzsche in seinem prinzipiellen Rückfall in prä-descartisches Denken als eine vollkommen unzeitgemäße, aber auch zu Lasten der Nietzsche-Konsumenten zu verbuchende Katastrophe für die europäische Philosophie zu bewerten wäre.


All das war in dumm-dreist einseitiger Rücksichtslosigkeit ausschließlich von Nietzsches eigenem und so notierten, allerdings irrealen und sich dazu auch berechtigt sehen wollenden „Glauben“ getragen:

In der That, ohne die Ziele meiner Arbeit und die [dazugehörige Notwendigkeit des Superlativs, der befriedigenden fanatisch-totalitären] Unerbittlichkeit solcher Ziele lebte ich nicht mehr.  Insofern heißt mein [sein, „nur“ Nietzsches!] Lebensretter:  Zarathustra, mein Sohn Zarathustra! - 15.7.83  was an sich, bei „Gott“ und seinem „Sohn“, wieder einmal eine peinlich manische, ihm nicht unbedingt bewusst gewesen sein müssende, ihn dennoch aber wohl befriedigt habende Bibelimitation gewesen sein dürfte!


Dazu kann dem allgemeinen Wissensstand über Nietzsches „Wahrheiten“ ein auffrischender Überblick über ein paar ergänzende, zur gleichen Zeit entstandene Notizen von ihm, nicht schaden. Er schrieb damals - zeit- und zarathustra-nah! - auch:

Ich glaubte der Reichste [an Wahrheitserkenntnis! - aber wieso? - und aufgrund von was?  Seiner diffusen Hoffnungen wegen?] zu sein:  nun verschenkte ich mich selber [als märtyrernder Lehrer einer neuen Lehre?].  Ich berühre nicht einmal ihre Haut der Seele [in ihm spürbar gewordener Einflusslosigkeit?]!  Immer einsamer und verbannter:  immer heißer an Liebe und Hinwollen zu den [aber nur als Verfügungsmasse zu Gunsten der Verwirklichung seiner eigenen Größe überhaupt beachteten „anderen, zeitgleich tatsächlich vorhandenen] Menschen.  Die 7 Einsamkeiten.  Alle typischen Leiden des Reformators [für den schon der junge Nietzsche sich in Hinsicht der Erwartung von lutherischer Bedeutungsschwere gehalten hatte und dazu animiert worden war, die Leistungen Luthers haushoch und nachhaltigst übertrumpfen zu sollen und das auch zu wollen, so dass ihm dergleichen bereits „im Blute lag“!]; und seine Tröstungen.
 
1) Trost:  auf das nächste Jahrtausend lege ich [so schrieb es Nietzsche im Mai-Juni 1883 bereits nieder!] meine Hand [damit war die Gültigkeit seiner Weisheit und „Lehre“ datiert, gemeint und sehr früh schon ihrem „wahren“ Umfang gemäß festgelegt!].
2)
Ich Lebe wie in anderen Zeiten [unzeitgemäß, fürwahr!]:  Meine Höhe giebt mir Verkehr mit [den?] Einsamen und verkannten aller Zeiten [denen er, imitierend zumindest, gleichzukommen strebte!  Was zugleich in aller Deutlichkeit angab, wie sehr er in seinem Bewusstsein nicht in zukünftig Neues hinein gelebt hat!]
3)
Ich hasse nicht ich wehre mich mit der Schönheit. 10.355

Also zwangsläufig und zu empfindsamem Troste mit rein subjektiv verankerten, ästhetizistisch orientierten Argumenten!

Das alles war aus einem geschmäcklerischen Gefallen heraus formuliert und damit waren alle bei ihm aufkommen könnenden Zweifel beiseite geschoben.  Er ersetzte auf diese Weise mit einem „ästhetizitischen Argument“ seine fehlenden, sachlich bedingten, auch außerhalb von Nietzsches Existenz gegebenen und zu vertretenden Fakten! - Und er war nicht im Stande, diesen Unterschied, diesen Betrug, zu erkennen, zu berücksichtigen, zu beurteilen und in seinem philosophischen Wirken zu vermeiden!

Dazu passt nahtlos auch die zunächst vollbrachte und wiederum verschämt nicht selber veröffentlichte Aussage auf der unmittelbar folgenden Seite seiner Notizen:

Wie ertrüg ich es, wenn ich nicht [das realitätsferne Gespenst, die Chimäre, das Phantasiegespinnst welches allein auf seinem Mist gewachsen“ war] den Übermenschen mehr liebte als euch? [denen er, gemäß seiner überhobenen Selbsteinschätzung und somit den ihn zu seinem Eigenwert nicht anerkennen Wollenden in eine unbewiesene Zukunft entfloh und so die zu Verachtenden oder zumindest doch Geringgeschätzten mit Beachtens-Entzug „strafen“ konnte!]
 
Wozu gab ich euch den 100fältigen Spiegel [dessen Vervielfachungen für Nietzsche über alles gesehen doch immer wieder von letztlich unklarer, immer aber doch für ihn von beispielgebend superlativ-lastiger Bedeutung waren]?
 
Ich überwand auch die Liebe zu euch mit der Liebe zum Übermenschen [indem er den im Grunde verhassten Zeitgenossen die „Liebe“ zur Überhöhung ihrer selbst und ihnen seine derartige Verachtung als ihr neues Ideal schmackhaft zu machen versuchte!  Dass das alles sehr entlarvende Geständnisse seiner wahren Ansichten über seine „Mitmenschen“ waren hat er sicherlich nicht beachtet als er sich das notierte, denn er fühlte sich im Recht]. Und wie ich euch ertrage, [mit gleichem Ekel?] so müßt ihr euch ertragen [in Nietzsches einseitig eiserner Absicht, dass sie nichts anderes im Sinn zu haben hätten und sich - zur illusionären Erzeugung von etwas Unbewiesenem, Unbekanntem und letztlich auch Unerreichbarem (und damit irgendwie der einstigen Liebe der Deutschen dem aufkommenden Hitler gleich!) - von ihm aber zu seinem höchst-eigenen Vorteil nur ausersehen! - zu verneinen, durchzustreichen und sich in ihrem „Selbst-sein“ aufzugeben hätten, um darin sein Glück zu finden!], aus Liebe zu dem Übermenschen.  Ihr seid mir der Stein, in dem das [superlativierte, von ihm da hinein-imaginierte] erhabenste aller Bildwerke schläft.   Und wie mein [Bildhauer-]Hammer nach euch schlägt [den Übermenschen mit Gewaltanwendung aus Euch, aus dem Stein, herauszuschlagen!], so sollt ihr mir selber [wie die mittelalterlichen Flagellanten wieder einmal!] nach euch schlagen:  der Hammerruf soll das schlafende Bild aufwecken. 10.356

Und seinen Ekel am bestehenden Menschen, der ihm aus der unsäglichen Mühsal erwuchs, sich mit selbst verdienten Leistungen von diesem abzusetzen, folgte, bekräftigend, umgehend die Notiz:

Jedesmal, daß [wenn?] ich eine scharfe Brille aufsetze, [was der doch recht kurzsichtige Nietzsche dringend nötig hatte, um nur überhaupt etwas sehen und in deutlicheren Umrissen erkennen zu können!] wundere ich mich, wie häßlich die Menschen sind und wie man es unter ihnen aushält. 10.357

Zum Ausgleich schien Nietzsche ausreichend kritiklos nur mit so etwas wie sich selber, zeitlebens leidlich, zufrieden zu sein.


Ich mußte die [ohne sein Zutun - wegen „der Anderen“ nämlich entstandene!] Moral aufheben, um meinen [totalitär also nur seinen!] moralischen Willen durchzusetzen. [In dieser drastischen Deutlichkeit war das von ihm Beabsichtigte so von ihm selber unveröffentlicht geblieben! - aber immerhin doch notiert worden! - und fortgesetzt mit:]. Gesetzt, es gilt die [„alte“ von Nietzsche aufzuhebende, u.A. auch der Nachsicht, Barmherzigkeit und dem Mitleid mit „den Anderen“ verpflichtete!] Moral, so darf ich nicht den Nächsten durch mein Richterthum vergewaltigen. Dann auch nicht terrorisiren (abschrecken) Ja, er ist unschuldig. [Gelten sollte stattdessen aber nun Nietzsches] Ringen um die Macht!  Mein Ideal durchsetzen, auf die Weise, die aus meinem Ideal folgt!  Die Handlungen eines Menschen sind schlechterdings nicht aus seinen Motiven [sondern allein oder doch im Wesentlichen aus seiner Veranlagung, seiner „Gestricktheit“, seinen Zielen?] zu erklären 10.359 [und stehen - von seiner Geburt her? - deshalb über der immer nur wegen „der Anderen“ zu erschaffenden und zu lebenden „Moral“, welche doch wohl die „Motivationen“ bestimmen sollte!]

Nietzsche hütete ein sehr eigenes Bild von sich selbst:.

Ihr kennt mich nicht.  Ich gab euch [mit seinen dämonischen „Wahrheiten“ wie im 341. Aphorismus der „fröhlichen Wissenschaft“ veröffentlicht?] die schwerste Last  - daß die Schwächlinge daran zu Grunde gehen - zur Züchtung [von etwas, das noch nie existierte, nie existieren wird und in seinem konkreten Ziel völlig unbewiesen war und ewig bleiben wird!].
 
Nicht [exzessiv, maßlos, so, wie das für Nietzsche nur denkbar war] Mitleiden [und er dieses in Zeiten seiner bedingungslosen Schopenhauer-Begeisterung als Unterordnung unter diesen von 1869 bis 1875 empfohlen hatte]!  ich will mich und euch formen und verwandeln[,] wie ertrüge ich’s sonst!  als mein Ich euch [zutiefst „übermenschlich“?!] träumte 10.365f

Was eben nur selbstmittelpunktlich unrealistisch Nietzsches Träume waren! - die aber seine angeblich philosophisch gewesen sein sollenden „Formulierungen“ bestimmten!  Das verlangte er in aller nur „denkbaren“ Ernsthaftigkeit!  Und seinerzeit doch ohne den Mut, aus diesem Mist einen veröffentlichts-werten Aphorismus zu machen.


Dazu gehören auch viele Notizen aus dem Sommer des Jahres 1883, die seine derzeit gepflogene Selbsteinschätzung und Selbstüberhebung spiegeln, wie beispielsweise das Herumreiten auf dem Riesenabstand zwischen ihm und ihnen, „den Anderen“:

Zu hoch und steil wohne ich über euch:  auf dem Baume Zukunft baute ich mein Nest, mir selber mein einziger [alle anderen ausschließender und - „vernünftiger Weise“? - allein nur zählender!] Zeitgenosse. 10.419

Damit verriet Nietzsche unfreiwilligerweise wieder mal seine krankhaft übertriebene Bezogenheit ausschließlich auf sich selbst als das Maß aller für ihn denkbar gewesener „Dinge“!


Ebenso hier, in dem, was er ebenfalls nicht selber zu veröffentlichen gewagt hatte:

Bin ich nicht die Wetterscheide?  Kommen alle Winde nicht zu mir und fragen mich nach meinem Willen?  Auf alles Kommende [auf die gesamte Menschheitszukunft also?] werde ich meine [die Zukunft aller bestimmende und vergewaltigende] Hand legen. 10.426

Das erfüllte ihn.  Davon war er in einer zutiefst religiös gefärbten Selbstanbetung - zweifelsfrei jedoch von höchst pathologischem Überzeugtsein, von sich selber getragen, so dass ihm kein Zweifel blieb, letzten Endes! - Wie wären derlei, sich eigentlich verbietende, Notizen sonst zustande gekommen und sorgsam auch aufbewahrt worden?  Ebenso seine nicht zu versteckende Besonderheit:

Wie hoch [das war von ihm „geistig“, auf seine „geniale Denkfähigkeit“ gemünzt] ich wohne? Niemals noch - wenn ich stieg - zählte ich die Treppen [die realistisch wirklich aussagefähige Anzahl der Stufen doch wohl eher!] bis zu mir [herauf, bis zu seiner mehr als „6000 Fuss mindestens über den Anderen, in für diese unerreichbar bleibenden Höhen!]: - doch soviel weiß ich von meiner Höhe:  mein Dach und Fach beginnt da, wo alle Treppen [die auch von den geringgeschätzten „Anderen“ benutzbar gewesen wären!] aufhören. 10.440

Das zielte auf die ihn damals restlos erfüllende einmalige, vor „allen Anderen“ gesicherte Unerreichbarkeit seiner Existenz!   In Wirklich lag dem aber wohl einfach nur die zu veredelnde und umzuwertende unerfreulich nackte Tatsache zugrunde, dass er - zur Miete! - immer des geringeren Preises wegen! - sehr weit oben wohnen musste.  Dementsprechend folgte sehr erhaben von sich überzeugt]:

Ich erlöste sie [die Menschheit, der gegenüber er sich - zumindest mit allen zugleich auf messianischer Augenhöhe stehend - als hyperchristlich „neuer Erlöser“ und „geistiges Gegengewicht“ zu allen verstand] von ihren [seit wenigstens 2000 Jahren und wohl auch viel länger schon gewirkt habenden] Erlösern [auch aller früheren „Lehren“!]. - Aber wie könnte es der Übermensch ertragen, die [kleinliche und unbedeutende Zeitgenossenschaft der] Menschen zu verstehen!   So muß man die Menschen überreden [sich durchzustreichen und begeistert für nichts zu erachten? - um], ihn [den ach so herrlich erdachten immer aber eben nur gegenüber von etwas geringgeschätzt Vorhandenem relativ höher erdenkbaren Übermenschen!] zu schaffen und um seinetwillen zu Grunde zu gehen: daß er leben könne? 10.442

Hier nannte er selber das „Überreden“, nicht den „Willen zur Macht“, die ihm ja in keiner Weise tatsächlich zur Verfügung gestanden hat! - Das „überreden“ aber konnte nur mit unwiderlegbaren Argumenten gelingen, - die er in benötigtem Umfang nicht besaß, um zu überzeugen, zu führen, zu siegen!

Diese Kunst blieb, nach seinem geistigen Tod, als das unschlagbare Verdienst der schamlos sein „Werk“ zu eigenem Vorteil nutzenden Schwester Elisabeth vorbehalten!


Eine kleine, vielsagende und dennoch fast belanglose, ebenfalls im Jahr 1883 entstandene Notiz beantwortet eindeutig die des öfteren von Nietzsche an sich selber gerichtete Frage:

Liebe ich die Menschen?  Liebe ich mich?  Aber sie [die „Menschen“!] gehören zu meinem Vorhaben, gleich mir. 10.550

Was wäre Er schließlich ohne die gewesen, die er mit seinem bis dato vorletzten, 341. Aphorismus der „fröhlichen Wissenschaft überreden wollte, ihm und seiner Weltsicht blind zu folgen und ihn fürderhin anzubeten?  Sie galten ihm - allenfalls! - als seine Verfügungsmasse, als Claqueure, für die herrliche Darstellung seines alle überragenden Selbst!  Nur dazu brauchte er sie und war auf sie angewiesen, - unerlässlich! - Das war alles.  Er hat in deren Sinn nichts - für sie Positives! - gedacht, erfunden, geschrieben.


Dass Nietzsche für seinen „Zarathustra“, von dem er anfänglich allerdings auch vorgehabt hatte, ihn „als eine Art Manfred 10.588, - also im noch jungen Stil des leidenschaftlich romantisch überschäumenden Pathos des „Manfred“, der 1817 aus der Feder von Nietzsches allzeit geliebten Vorzeige-Romantikers Lord Byron (1788-1824) geflossen war - maßlos in Szene zu setzen, letztlich aber dann doch lieber dem von mehr „historischer Patina“ überzogenem Perser Zarathustra als uralt „weisem (und vor allem umwertbaren!) Propheten den Vorzug gab für seine klug gemeinten aber zukunftsträchtig nicht bis über den eigenen Tellerrand hinaus bedachten „Sprüche“, - das ergibt sich aus einer Notiz aus der Zeit Frühjahr 1884, wo Nietzsche schrieb:

Ich mußte Zarathustra, einem Perser, die Ehre geben:  Perser haben [in mystischer Vorzeit auf der Religions-Grundlage des „Avesta“, einer ehemaligen Sammlung heiligster Texte des Ahuramazda-Glaubens und damit eine der ältesten und wichtigsten Religionsurkunden der Menschheit, vom damals so gesehenen göttlichen Kampf des Guten gegen das Böse] zuerst Geschichte im Ganzen Großen gedacht.[wie auch Nietzsche selber, allerdings umwertend das nun tun wollte!  Wie sonst sollte er das schaffen? - denn auch das war]   Eine Abfolge von Entwicklungen [von Zeitaltern, Epochen, die sich aus dem jeweiligen Umdrehen der großen, metaphysisch zu denkenden, vorzustellenden, zu imaginieren und auf alle Zeiten ein Metaphysikum bleibenden Sanduhr FW.341, 9.498, 11.10 ergaben: jede präsidirt, [leitet] ein Prophet.  Jeder Prophet [und auch Nietzsche hätte damit] hat seinen hazar, sein Reich von tausend Jahren. 11.53

Das waren Zeitspannen, die auch Nietzsche für seine Existenz als das Mindeste ins Auge gefasst hatte und beanspruchen wollte, als er es Ende des Jahres 1883 für wichtig hielt, sich aus seiner Gefühlswelt heraus zu notieren:

Wollust ist es, [im nicht zu bändigenden, superlativ-gesteuerten Gefühls-Genuss seines höchst eigenen „Willens zur Macht“!] auf Jahrtausende seine Hand zu drücken wie auf Wachs. Wollust [die im Christentum als dritte, „Luxuria“, eine der 7 Todsünden, die Ausschweifung, Genusssucht, Unkeuschheit und das Begehren personifizierte], auf den Willen von Jahrtausenden [wirkend] zu schreiben wie auf Erz.  Wollust ist es, Sterne der Zukunft im Becher seines Willens zu schmelzen;  Wollust, Welten auf die Teppiche der Ewigkeit huldigend vor sich auszuschütten. 10.637

Herrje! Ist das spinnert!  Und hat Nietzsche wohl wie ein Orgasmus überfallen.  Vor sich selber auszuschütten!  Um dann in der aller-selbstverständlichsten Gelassenheit diese hochgemut glitschigen Maßlosigkeiten zu betreten und dabei letztlich nur sich selbst zu bewundern, zu feiern und anzubeten!  Das mahnte

a) einmal die Ewigkeit, das grenzenlos Größtmöglichste, an und zum anderen

b) den Beginn seiner Weltsicht hinsichtlich der von ihm neu und wie nie zuvor umzuwertende Bedeutung der einst von Zoroaster wahrgenommenen und als Grundsätzlichkeit installierten „Mächte“ der Relationen von „Gut“ und „Böse“, an denen Nietzsche so viel und gründlich umzuwerten fand und

c) ließ sich darin auskosten, wie er sich anfühlen würde „Der Maßstab, den du selbst an dein Thun und Sein legst“ [wenn du denn] „dein Werk an der concaven Sphäre des Himmel sichtbar werden lässt, wo es eins ist [sein soll!] mit dem Umlauf der Stern! EE.113

In dieser sich eigentlich schlicht gebenden Notiz wurde der mythische Perser aus eigentlich noch prähistorischer Zeit, Zoroaster, über Jahrtausende hinweg als ein welthistorisches Spektakel umgewertet in den „Zarathustra“ von Friedrich Nietzsche, - zur Verkündung dessen, was denn, von ihm an - jenseits nun endlich von „gut“ und „böse“! - moralisch genannt werden sollte!


Wenige Wochen vor seinem Einstieg in die nicht mehr nachzuvollziehende Verständlichkeit seines „göttlichen Wahnsinns“, hieß es, das war 6 Jahre später, im Oktober-November 1888, dann:

Ich habe es [in seinem durch viele Jahre hindurch gewachsenen und verfestigten Überzeugtsein vom Ausmaß seines Tuns!] in der Hand, ich habe die Hand dafür, Perspektiven umzustellen: weshalb für mich allein [als Einzigem unter all „den Anderen“, allerdings ohne die dafür notwendigen stichhaltigen Argumente!  Für den also] eine Umwerthung der Werthe überhaupt möglich war. 13.630f


Kein anderer hätte seinen persönlichen Größenwahn so frei und offen auslebend wagen und auch beschreiben dürfen!  Auch das gehörte zu all dem Wahn, der seit eh und je, d.h. von Anfang an in Nietzsche angelegt und enthalten war und sich enthemmt und entfaltet hatte!  Sein Ausbrechen ins Uferlose irgendwann war von Anfang an das zwangsläufig bedingte „Ende vom Ganzen“, so, wie die Zerstörung der Werte eines ganzen Volkes zum Ende eines von Anfang an verbrecherisch begonnenen und geführten, irrwitzig auf Vernichtung ausgerichteten, nichts und niemanden achtenden Krieges im Mai 1945 gehörte, als der umfassendste Teil Deutschlands in einem unvorstellbaren Ausmaß endlich“ und unvermeidbar in Schutt und Trümmern lag.  Verursacht von dem Glauben, mit dem eigenen Wahn eine ganze Welt gewinnen, unterjochen und zu eigenem Nutzen allein, ohne an Verluste zu denken, regieren und maßregeln zu können.


Nietzsches „Zarathustra“ war auf die Erhöhung des Typus Mensch so unbedingt angewiesen, wie er das schon auf der 3. Seite von dessen erdichtetem Sein gefordert hatte:

Ich lehre euch den Übermenschen.  Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll.  Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden?  Alle Wesen bisher schufen etwas über sich hinaus [so, wie auch Nietzsche glaubte, mit seiner „Zarathustra untergeschobenen Sehnsucht etwas „über sich hinaus“ zu erschaffen und sogar erschafft zu haben!]:

und ihr wollt die Ebbe dieser grossen Fluth sein und lieber noch zum Thiere zurückgehn, als den Menschen überwinden?   Was ist der Affe für den Menschen?  Ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham.  Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein:  ein Gelächter oder eine schmerzliche Scham.  Ihr [wer? - gab es da einen unter den Lesern, der das nachzuvollziehen tatsächlich in der Lage gewesen sein sollte oder gar wäre? - Ihr] habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und Vieles ist in euch Noch Wurm [da sind Nietzsches rudimentären Kenntnisse von Darwins Evolutionstheorie der 1860 auf deutsch erschienenen „Entstehung der Arten“ weltverbesserungswütig mit ihm durchgegangen!]. Einst [aber das war für den Einzelnen doch erinnerungsfern lange, unendlich lange her! - und lag damit weit außerhalb seiner Tätigkeitssphäre! - Da] wart ihr Affen [Er aber doch auch, weshalb eigentlich ein ehrlicheres und verbindliches „wir“ angebracht gewesen wäre!!], und auch jetzt noch ist der Mensch mehr Affe, als irgend ein Affe [sofern das überhaupt, in einem Satz allein, schon vom Grammatikalischen her, überhaupt einen beabsichtigten Sinn ergeben könnte und dieser so auch verständlich zu machen wäre!  Wer sollte denn, nach Nietzsches Gefühl bemessen, noch Affe in seinem Sinn gewesen sein und davon noch etwas in sich spürend wissen?].

Wer aber der Weiseste von euch ist [weiser als Nietzsche etwa? - Und das als Affe?!], der ist auch nur ein Zwiespalt und Zwitter von Pflanze und von Gespenst.  Aber heisse ich euch zu Gespenstern oder Pflanzen [zu?] werden?   Seht, ich lehre euch den Übermenschen!   Der Übermensch ist der Sinn der Erde. [Kann diese aber überhaupt einen solchen „Sinn“ haben? - Trotzdem bediente Nietzsche sich dieses Schlachtrufes zur Verführung der verachteten Anderen, - hin zu seinem Ziel:]  Euer [schließlich überredeter?] Wille sage:  der Übermensch sei der Sinn der Erde!  Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu [in einer für alle unbewiesenen fernen Zukunft?  Wie und in was für Behauptungen, die allesamt Fake-News waren!] und glaubt Denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht. 4.14f

Auch Nietzsche war da, seinem vorgespiegelten Willen zum Trotz, nicht bewusst, wie sehr er mit seinem unerfüllbar „überirdischen Übermenschen“ der „Giftmischer“ eines verirrten, wahnsinnig gewordenen aber dennoch gläubig „für heilig zu haltenden“ und deshalb messianisch-bekehrend unbedingt auch dringlichst an dieser Stelle „auszugießenden Geistes“ war.


Der von Nietzsche hier - 1883! - angeführte „Affe“ war übrigends noch nicht einmal der zu seiner Zeit als wissenschaftlich modern gültig gewesen sein könnender Affe aus Darwins Evolutionstheorie, sondern - tpisch für Nietzsches extreme Rückwärtsgewandtheit! - war es der damals schon etwa

2½ tausend Jahre ältere „philosophische Affe“ des griechischen Philosophen Heraklit (520-460 v. C.), der diesen dazu benutzt“ und vorgeführt hatte, seinen Zeitgenossen den Unterschied zwischen einem Gott und den Menschen auf überzeugende Weise klar und begreiflich zu machen!


In die Zeit dieser abwegigen Gedankenfluchten Nietzsches gehört zur Entstehung des „Zarathustra“ von 1883 bis 1885 übrigens eine besonders intensiv und lebhaft betriebene - und von ihm auch vielfach dokumentierte! - stets aufrechterhaltene Noch- und Wieder-Beschäftigung mit den „Essays“ des mindestens ebenso abwegigen US-Amerikaners Ralph Waldo Emerson (1813-1882] in der in Nietzsches Besitz befindlichen 448-seitigen Ausgabe aus dem Jahr 1858. - Von den darin aufgeführten „Essays“ bereits 1861 dauerhaft in seinen „geistigen“ Grundsätzen bestärkt, darin verankert und sogar festgenagelt, schrieb Nietzsche - und das nicht zum ersten Mal! - im letzten Jahr aber, das er bei leidlicher Besinnung verbracht hatte, im Frühjahr bis Sommer 1888, über seinen, ihm von Emerson unausweichlich vorgewiesenen und inzwischen auch erreichten Seelenzustand:

Ich habe den Menschen das tiefste Buch gegeben, das sie besitzen, den Zarathustra; ein Buch, das [aufgrund der in ihn eingeschweißten persönlichsten Geheimnisse] so sehr auszeichnet, daß wenn Jemand sagen kann „ich habe sechs Sätze davon verstanden, das heißt erlebt“, [und dadurch automatisch geadelt dann sofort ungeprüft befördert wäre? und damit] zu einer höheren Ordnung der Menschen gehört [zu „Nietzsches Gleichen“ gewissermaßen und nähergerückt an das ersehnte Übermenschentum!]  … Aber wie man das büßen muß!  abzahlen muß! [im Ertragen der tatsächlichen Gewöhnlichkeit gegenüber den Höhenflügen dieses Gefühls nur!] es verdirbt beinahe den Charakter ... Die Kluft [zwischen ihm im Gegensatz zu den sonst noch lebenden Menschen?] ist zu groß geworden. 13.514


Nur wenige Wochen später, im Juli/August des Jahres 1888 urteilte er unverdrossen:
Ich habe den Deutschen das tiefste Buch gegeben, das sie besitzen, meinen Zarathustra, - ich gebe ihnen hiermit das unabhängigste [sein Buch „Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum“, seinem größten Widersacher gewidmet, welcher ihm derzeit (und immer noch!) den eigentlich doch ihm zukommen müssenden Einfluss und die ihm angemessene moderner gedachte Bedeutung stahl bzw. verweigerte, sie ihm darzubieten!].

- Wie? sagt mir dazu mein schlechtes Gewissen, du willst deine [aus dem biblisch-neutestamentlichen Matthäus-Kapitel 7.6 stammenden] Perlen - vor die Deutschen [die in seinen Augen zu der Zeit verachtetsten Säue von allen] werfen?… 13.533

So sehr war Nietzsche zu dieser Zeit von der überragenden „Qualität“ aller von ihm stammenden Texte überzeugt, dass diese Textinhalte nur seinem inneren Sein 1 zu 1 entsprechen konnten und seine Aussagen deshalb für ihn selbstverständlich waren und keiner weiteren Belegung bedurften!


In den Notizen der Zeit Juli-August 1888, unter dem Titel „Der grosse Mittag“ fragte Nietzsche: „Warum „Zarathustra?“ und antwortete darauf:
 
Die große Selbstüberwindung [von Gut nach Böse!] der Moral  13.536

Und umgekehrt natürlich auch!

Für diese hirngespinnstliche Leistung, so fühlte er es, war Er von irgendeiner „Vorsehung“ geschaffen, auserwählt und ausgezeichnet worden, diese auszugestalten und Wirklichkeit werden zu lassen!


Eine weitere Dokumentation seiner beanspruchten Selbstwertschätzungen lautete kurz vor seinem endgültigen Überschnappen und „geistigem“ Untergang:

Es giebt Worte in mir, die einem Gotte [im Genuss seiner Selbstanbetung!] noch das Herz zerreißen, ich bin ein Rendez-vous [in mir versammelt sich eine Reihe] von Erfahrungen, die man nur 6000 Fuß über jedem menschlichen Dunstkreis macht [mit dem abwertenden, in die Nähe des Miefs gerückten Begriff „Dunstkreis“ für den Bereich, in dem „die Anderen“ - tief unter ihm gefühlt! - bei sich zu Hause, ausreichend bedient und zufrieden, wären!]: Grund genug, daß die Deutschen mich verstanden…“ [wie sollte das gemeint gewesen sein? - ein Widerspruch?]  Aber, antwortete ich, mein armes Buch, wie konntest du auch deine [eigentlich von ihm doch für so überaus modern, neuzeitlich und für gewagt-hochwertig gehaltenen] Perlen - vor die Deutschen werfen [was zwangsläufig geschehen ist, weil Er selber es in deutscher Sprache geschrieben hatte und er keine andere ausreichend genug beherrschte!  Das warf er „den Deutschen“ nun vor]!  Es war eine Dummheit! - Und nun erzählte mir das kleine Buch [sein „Zarathustra“ und/oder vielmehr auch sein erst 1895 veröffentlichter, viel neuerer und neuester „Fluch auf das Christentum“, „Der „Antichrist“?], was ihm [im Leben so alles an Widrigkeiten] begegnet war.
In der That, man hat sich seit 1871
[seit seinem Erstling, der an seine damalige Richard-Wagner-Begeisterung geketteten „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“?] nur zu gründlich in Deutschland über mich unterrichtet:  der Fall bewies es.  Ich wundere mich nicht, wenn man meinen Zarathustra nicht versteht:  ein Buch so fern, so schön [weil er - immer noch! - fühlte, wie sehr, wie vollkommen und vollendet er darin seine damaligen Stimmungen hatte beschreiben können!], daß man Götterblut [oder unbewusst auch nur Wagner-Siegfriedisches Drachenblut?] in den Adern haben muß, um seine Vogelstimme zu hören [denn die „Vogelstimmen“ zu hören und zu „verstehen“ war, ob Nietzsche das nun wollte und noch wusste, oder nicht, zwangsläufig ein Anklang auf den Vogelstimmen deuten könnenden „Siegfried“ im 3. Aufzug von Richard Wagners gleichnamiger Oper des „Nibelungenringes“].  Aber jenes „Jenseits“ [„von Gut und Böse“, die 1. nach dem Zarathustra herausgegebene Schrift Nietzsches] nicht zu verstehn - das bewundere ich beinahe.   Man versteht es überall, am besten in Frankreich. - Ein Referent der Nationalzeitung nahm das Buch als Zeichen der Zeit, als die echte, rechte Junker-Philosophie [weitgehend rechter, nationalistischer Stammtisch-Anschauungen!], zu der es der Kreuzzeitung [einer damals überregionalen, richtungsweisend sehr konservativen königlich-preußischen Tageszeitung von 1848-1939] nur an Muth gebreche.


Nun gab es kein Halten mehr.  Nun regte Nietzsche sich über all das auf, was ihm zuletzt die öffentliche Kritik doch für Schmerzen bereitet hatte:

Ein kleines Licht der Berliner Universität erklärte, in der „Rundschau“, offenbar in Rücksicht auf seine eigne Erleuchtung, das Buch [damals und sehr rechtzeitig schon!] für psychiatrisch und citirte sogar Stellen dafür, Stellen, die das Unglück hatten, Etwas zu beweisen. - Ein Hamburger Blatt erkannte in mir den alten Hegelianer.  Das litterarische Centralblatt [1850 in Leipzig gegründet] gestand ein, „den Faden“ für mich verloren zu haben (wann hat es ihn [je?] gehabt? -) ..… - Eine theologische Unschuld gab mir zu verstehn, mir liege gar nichts an der Logik [die, ohne dass ihm das selber je zu verinnerlichtem Bewusstsein gekommen wäre, bei ihm eben so gut wie nie in durchgehenden und übergreifenden Zusammenhängen erkennbar ist!], sondern einzig an „schönem Stile“: wie könne man ernst nehmen, was ich selbst so wenig ernst nähme?  [Seinen Stil? - Da gäbe es aber eine Reihe von ihm sehr ernst gemeinter Zitate, die das Gegenteil beweisen würden, denn sein „Stil“ hatte ihm jederzeit viel bedeutet!] - Dies Alles mag noch hingehn. Aber ich habe Fälle erlebt, wo das Verständniß das Maaß des Menschlichen überschritt und an’s Thierische streifte. Ein Schweizer Redakteur, vom „Bund“ [einer Schweizer Tageszeitung aus der Stadt Bern, seit 1848] wußte dem genannten Werke nichts Anderes zu entnehmen, als daß ich mit demselben die Abschaffung aller anständigen Gefühle beantragte:  man sieht, er hatte sich bei den Worten „jenseits von Gut und Böse“ wirklich Etwas gedacht [im Gegensatz zu Nietzsche, der hiermit unversehens in eine platte Tirade der Selbstrechtfertigung und Klagen über all das abgeglitten war, was ihn dazu, aus den Zeitungen heraus, „wurmte“]…..

Aber einem solchen Falle war meine Humanität noch immer gewachsen.  Ich dankte ihm dafür, ich gab ihm selbst zu verstehn, Niemand habe mich besser verstanden, - er hat’s geglaubt ... Ein Jahr darauf behandelte dasselbe Blatt meinen Zarathustra, das tiefste Buch der Menschheit, als höhere Stilübung, mit geistreichen Winken über die Unvollkommenheit meines [da (zu?) sehr an die Bibel angelehnten] Stils … - Und ich hatte mein Vergnügen an dem Allen [denn all das focht Nietzsche, aus der Realität „der Anderen“ kommend, und damit für nichts geltend, nicht an! - Um sein sich „opferndes“ Vergnügen maximaler Bedeutsamkeit und Rechthaberei gegen alle und jeden war es schließlich von Anfang an immer gegangen!]:  was sollte ich’s verschweigen?   Man ist nicht umsonst Einsiedler.  Das Gebirge ist ein stummer Nachbar, es vergehen Jahre, ohne daß Einen ein Laut erreichte.  Aber der Anblick des Lebenden erquickt:  man läßt endlich alle „Kindlein“ zu sich kommen [als Anlehnung an christliche Parallelen, wie in Matth.19.4], man streichelt jede Art Gethier noch, selbst wenn es [in Bezug auf Ochsen und Kühe, als Schimpfworte verstanden,] Hörner hat. Nur der Einsiedler kennt die große Toleranz. Die Liebe zu den Thieren - zu allen Zeiten hat man die Einsiedler daran erkannt … 13.543f

Als ein solcher, zu erkennender Einsiedler, wollte Nietzsche in seinem Bedürfnis nach Besonderheit immer schon anerkannt werden.


Nietzsches Selbsteinschätzung des 1. und eigentlich einzigartig sein sollenden „Zarathustra“ bezeugen seine Aussagen, mit denen er das 1. Buch im Umfang von etwas weniger als 100 Seiten, im Februar 1883, gleich nach Entwurf und Manuskript-Fertigstellung seinem Verleger ankündigte. Es wäre:

Ein Buch für Alle und Keinen.  Es ist eine „Dichtung“, oder ein [zur Anbetung veranlassendes?] fünftes „Evangelium“ oder irgend Etwas, für das es [seiner neuartigen Heiligkeit wegen?] noch keinen Namen giebt:  bei weitem das Ernsteste und auch Heiterste meiner Erzeugnisse, und Jedermann zugänglich [obgleich es ein enormes Kunststück wäre, davon mehr als 6 oder, an anderer Stelle 12 Sätze, „zu verstehen“? 18.7.88, 14.9.84]. So glaube ich denn, daß es [darauf hatte Nietzsche jedes mal bei all seinen Büchern gehofft, war aber diesmal mehr als je überzeugt im Maß seines enthemmteren Gefühls von seinen Wahrheiten und Meinungen, dass es] eine „sofortige Wirkung“ thun wird - zumal jetzt, nach verschiedenen Anzeichen zu schließen, die langsame und widerstrebende Art, sich mit mir zu beschäftigen, jetzt an einen gewissen Punkt gelangt ist - Zufällig erfahre ich sowohl aus Wien wie aus Berlin, daß unter „intelligenten Männern“ viel von mir geredet wird. 13.2.83


Es waren aber noch viele Jahre, deutlich über sein geistiges „Ableben“ hinaus, nötig, bis es der Propaganda seiner Schwester und dem Mythos des Wahnsinns, dem er bis dahin restlos verfallen sein sollte, in großem Maßstab und in Aufsehen erregender Anteilnahme gelang, weitumgreifendes Interesse an seinen „Geheimnissen“ zu wecken. Noch in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts hat der französische Philosoph Jacques Derrida (1930-2004), ein Hauptvertreter der sogenannten „Dekonstruktion“, das Bemühen ältere Zusammenhänge in neuere umzudeuten, besonders in der Frage nach der eigentlichen Bedeutung eines Textes, von dem man erwarten würde, dass er „einiges drauf-hat“; - ausgerechnet dieser hatte, angeblich jahrelang, darüber nachgegrübelt, warum Nietzsche sich im Herbst 1881 wohl ich habe meinen Regenschirm vergessen 9.587 zwischen vielen seiner eigentlichen Problemstellungen notiert hatte. - Konnte Derrida, geblendet von der „großen Bedeutung“, die Nietzsche ganz pauschal und über alles hinweg zugeschrieben worden war, als ein immerhin selber doch wohl intelligenter Mann, nicht kurzentschlossen in eigener Entscheidungsmacht und auf eigenes Risiko hin, ohne endlos weiter grübeln zu müssen, darauf kommen, dass auch dieser Eintrag von Nietzsche - wie so unglaublich vieles Andere von ihm doch auch! - ganz einfach nur völlig belanglos war und es darüber gar nichts sinnvoll zu grübeln geben könnte?

 Sechs Tage nach seinem den 1. „Zarathustra“ ankündigenden Brief an seinen Verleger schrieb Nietzsche an einen ihn in äffisch-pathologischem Ausmaß bewundernden und verehrenden Schüler und „Freund“:

Die ungeheure Last, die in Folge des Wetters [welches auf vielfache Weise als Sündenbock für etliche Unpässlichkeiten von und Defizite bei Nietzsche zu dienen hatte] auf mir liegt (sogar der alte Aetna beginnt zu speien [als könnte es da tatsächlich einen Zusammenhang gegeben haben, belegt aber, wie wenig Nietzsche schon 1882 noch in der Lage war, ernsthaft selbstkritisch zwischen möglichen und unmöglichen „Dingen und Zusammenhängen“ zu unterscheiden! - das] hat sich bei mir in Gedanken und Gefühle verwandelt, deren Druck furchtbar war:  und aus dem plötzlichen Loswerden von dieser Last [einem weiteren Enthemmungsschritt in Sachen Logik, die das eine vom anderen nicht mehr sauber trennen konnte!], in Folge von 10 absolut heitern und frischen [aber auch absolut selbst-kritiklos-unlogisch zugebrachten] Januartagen, die es gab [in Rapallo, nahe Genua, wo er 1883 den Winter verbrachte], ist mein [erster] Zarathustra entstanden [der, wie sich später erst herausstellen sollte, bis 1885 dann insgesamt noch 3 Fortsetzungsteile erhalten sollte!], das losgebundenste meiner Erzeugnisse.  Teubner druckt bereits daran [doch die Fertigstellung sollte sich aus mehreren, beinahe zynisch-satyrisch wirkenden Gründen bis in den August hinein um Monate hin verzögern!]; ich selber habe die [für den Drucker notwendigerweise einigermaßen gut-leserliche, sonst zumeist jedoch von anderen ausgeführte, hier jedoch besonders zu erwähnende] Abschrift gemacht. 19.2.83

Gut 4 Wochen später schrieb Nietzsche aus Genua an seinen treuesten, zugleich aber auch mitleidig pflegerisch und seelsorgerisch nachsichtigsten Freund in Basel:

Mein lieber Freund, mir ist zu Muthe, als hättest Du mir lange nicht geschrieben.  Aber vielleicht täusche ich mich, die Tage sind so lang, ich weiß gar nicht mehr, was ich mit einem Tage anfangen soll:  es fehlen mir alle „Interessen“.  Im tiefsten Grunde eine unbewegliche schwarze Melancholie [Schwermut, Trübsinn, Traurigkeit, Weltschmerz!  Und keine aufregenden neuen „Gedanken“, die zu vertreten gewesen wären!].  Im Übrigen Müdigkeit.  Zumeist zu Bett;  auch ist es das Vernünftigste für die Gesundheit.   Ich war recht mager geworden, man wunderte sich;  jetzt habe ich eine gute trattoria [ein kleiner italienischer Gaststättentyp mit einfach-preiswerten Gerichten] und will mich schon wieder herausfüttern.  Aber das Schlimmste ist:  ich begreife gar nicht mehr, wozu ich auch nur ein halbes Jahr [noch?] leben soll [da er zu der Zeit doch, mit dem 1. Teil seines „Zarathustra“, gerade seine wesentlichst drängend-letztgültige Sehnsucht und die ihm angeblich übertragene „Aufgabe hinieden“ abschließend und mit glanzvoller Bravur erfüllt zu haben meinte!  Ihm fiel einfach nichts Wichtigeres, nichts ihn Rechtfertigendes, das unbedingt zu veröffentlichen gewesen wäre, ein!]  Alles ist langweilig schmerzhaft degoutant [ekelerregend, denn es war - für den Moment! - mit dem 1. der 4 Zarathustra-Teile alles - restlos alles! - gesagt, was ihm zur Befriedigung seines damaligen Selbsterhöhungs-Bedürfnisses hatte einfallen wollen und auf den Nägeln brannte:  Da erwischte ihn nun also so etwas wie eine „postnatale Depression“].  Ich entbehre und leide zu viel und habe einen Begriff von der Unvollkommenheit, den Fehlgriffen und den eigentlichen Unglücksfällen meiner ganzen geistigen Vergangenheit, der über alle [Ideale und] Begriffe ist.  Es ist Nichts mehr gut zu machen;  ich werde nichts Gutes mehr [nichts ihn selber noch überraschend weiter Erhöhendes!] machen.  Wozu noch etwas machen! - 22.3.83


Diese verzweifelt wirkende Aussage lässt vermuten, dass Nietzsche just mit seiner „Weisheit“ und seinen Erfindungen zur eigenen Größe und Vergrößerung derzeit „am Ende“ war!  Der Größenwahn aber zeugte, bei weiter fortschreitender Enthemmung, neue Anlässe, seinen „philosophischen Sinn“ zu aktivieren. Vorerst aber galt noch Verzagtheit:

Das erinnert mich an meine letzte Thorheit, ich meine den „Zarathustra“ (Ist es jetzt deutlich zu lesen?  Ich schreibe wie ein Schwein)  Es passirt mir alle Paar Tage, daß ich es [ihn, den „Zarathustra“ eigentlich doch seinen „Sohn und Lebensretter 15.7.83, im Taumel seiner deprimierten Gefühlsanwandlungen, wenige Tage nur nach dessen erstmaliger Verschriftlichung!?] vergesse;  ich bin neugierig, ob es [er doch wohl?] irgend einen Werth hat - ich selber bin in diesem Winter unfähig des Urtheils und könnte mich im allergröbsten Sinne über Werth und Unwerth täuschen [fürwahr, das tat er!  Denn die Basis von alledem waren seine unbeständigen, leicht verfliegenden Gefühle gewesen, keine festgestellten Fakten, auf die er mit ihm unzugänglicher Logik gewappnet und mit argumentierendem Verstand nachhaltig hätte bauen und zurückgreifen können, wenn im Zuge der fortschreitenden allgemeinen Enthemmung andere Gefühlslagen vorhergehende überschwappten]. Übrigens höre und sehe ich Nichts davon:  äußerste [und wie jedes mal ungeduldigste] Schnelligkeit war meine Bedingung des Drucks [vorher aber hatte ironischerweise eine halbe Million Gesangs-Bücher Vorrang beim Drucker und danach wurden die bereits gedruckten Exemplare des Zarathustra wegen Zahlungsschwierigkeiten von Nietzsches erz-aktiv-militant-antisemitischem Verleger vom Drucker einige Zeit lang als „Pfand“ für die bis dahin noch nicht bezahlten Druckkosten zurückgehalten!].  Nur meine allgemeine Müdigkeit hat mich Tag für Tag verhindert, den ganzen Druck abzutelegraphiren [was wiederum Nietzsches unüberlegter Mentalität des „Alles oder Nichts“ entsprochen hätte!]; ich warte mehr als 4 Wochen auf Correcturbogen, es ist unanständig, mich [den Ausnahme-Menschen und Schöpfer des endlich die Zügel von Nietzsches eigentlichen Überzeugungen fahren lassenden Zarathustra] so zu behandeln.  Aber wer ist denn [in gebührendem Anbetracht der ihn inzwischen total erfüllenden „Göttlichkeit“ seines Schaffens von neu-geordneten beziehungsweise gründlichst umgewerteten Weltordnungen!] noch anständig gegen mich [seine Majestät oder Heiligkeit?]!  So nehme ich’s denn [zutiefst deprimiert und zwangsläufig, es blieb ihm nichts Anderes übrig!] hin. - 22.3.83


Die Depression im Wechselspiel seiner exaltierten Gefühlslagen hielt nicht lange an.  Schon wenige Tage später schrieb Nietzsche recht aufgelegt und euphorisiert:

Zuletzt:  es ist möglich, daß ich mit diesem Winter in eine neue Entwicklung [einen effektiven Schritt weiter in der Enthemmung seiner Wahrnehmung und Fähigkeit zur Logik in größeren Zusammenhängen!] eingetreten bin.  Zarathustra [als 5. Evangelium und überhaupt entschieden zu ernsthaft um nur als gotteslästerlich-ironisch in einem bibelton-ähnlichen Stil angelegt zu sein!] ist etwas, das [schon wegen seiner Unvergleichlichkeit in allem!] kein lebendiger Mensch außer mir machen kann.  Vielleicht habe ich jetzt [bei galoppierend enthemmtem Fortschritt seiner in allem auf sich persönlich bezogenen Selbsteinschätzung!] erst meine beste Kraft entdeckt.  Selbst als „Philosoph“ habe ich meine wesentlichsten Gedanken (oder „Tollheiten“) noch nicht [deutlich genug?] ausgesprochen - ach, ich bin so schweigsam, so versteckt!   Aber gar als „Dichter"!   Meine Philologie [sein eigentlich geistig-studiertes „Herkommen“ und Handwerk!] habe ich vergessen;  ich hätte was Besseres in meinen 20-ger Jahren lernen können!  Ach, was ich unwissend bin! - 1.4.83


Wiederum 3 Wochen später schrieb er:
 
Heute lernte ich zufällig, was „Zarathustra“ bedeutet: nämlich „Gold-Stern“ [was nicht zu halten ist.  Der Name bedeutet vermutlich vielmehr „Besitzer wertvoller Kamele“]. Dieser Zufall machte mich [gemessen an dem, was er über den antiken Zarathustra alles nicht wusste!] glücklich.  Man könnte meinen, die ganze Conception meines Büchleins [im Umfang von gerade mal 100 Seiten, was dann auch für die Teile 2 bis 4 gelten sollte] habe in dieser [falschen!] Etymologie [Wortherkunft] ihre Wurzel:  aber ich wußte bis heute nichts davon. - 23.4.83

Somit hatte er im Bewusstsein seines Zarathustra“ alles unter falschen Voraussetzungen gefühlt, gelebt, geschaffen und beurteilt!


Nur weitere 4 Tage später hieß es dann:

Im Übrigen habe ich mir jetzt [im Bewusstsein seiner gößtmöglichen Besonderheit unter den Lebenden!] diesen Gesichtspunkt vor die Seele gestellt:  je mehr man mich vergißt, um so besser hat es mein Sohn [worin fraglos auch - mittels Gott-Vater und Sohn-Christus, dem gewaltigen Anspruch nach! - eine unter Umständen unbewusst und vielleicht sogar unbeabsichtigt gebliebene Bibelimitation entstanden war!], als welcher heißt Zarathustra [dem, obgleich er, bis 1885, trotz seiner bis dahin zusammengekommenen 4 Teile, vom Inneren - von den geplanten Details und Nietzsches eigentlichen Absichten her! - in der Ausführung inhaltlich im Wesentlichen unvollendet geblieben ist und als lückenhafter Torso auch zurückgelassen wurde.  Wieder einmal - wie bei allen Büchern! - hatte sich Nietzsche von Anfang an über den tatsächlichen Verkaufserfolg hinaus ein Höchstmaß an geistiger Wirkungs- und Durchsetzungkraft versprochen!]. Woraus sich ergiebt, daß ich ein noch verborgeneres [ein noch weniger offen zu bekennendes und in seiner eingebildeten Machtfülle nicht uneingeschränkt vorzeigbares] Leben vor mir habe als mein bisheriges war. 27.4.83

Damit hatte Nietzsche unbewusst und vielleicht auch unbeabsichtigt dargelegt, wie sehr inzwischen sein Überzeugtsein von sich selbst angewachsen war.  Aus diesem „Bewusstsein“ heraus schrieb er, 2 Monate darauf, in unveränderter Stimmung im Juni 1883 aus Sils-Maria:

Was mich betrifft, so habe ich [im Vergleich dazu, was und wie er alles ihn tief Berührende und Bewegende als Zarathustra zur Sprache bringen konnte] eine lange schwere Askese [eine streng enthaltsame Lebensweise] des Geistes [die sicherlich auch aus einem Mangel an ernsthafterem Nachdenken bestanden hat!] hinter mir, die ich freiwillig auf mich nahm und die nicht Jedermann sich hätte zumuthen dürfen [die ihm also als eine besondere Leistung vorbehalten war, oder aber, wegen seiner fehlenden Fähigkeit zur Selbstkritik, er sich auch erlauben durfte, sie einfach unbedacht durchgehen zu lassen].  Die letzten sechs Jahre [seine nach-philologische rein „philosophische Entwicklungszeit“ von 1878 bis 1883 ungefähr!] waren in diesem Betracht die Jahre meiner größten Selbstüberwindung [auf der mühsam betriebenen und schwierigst durchzuhaltenden, tastenden Suche nach wirklich eigenen und zugleich endgültigsten Wahrheiten und Moralgrundlagen!!]: wobei ich noch absehe von dem, was mich Gesundheit, Einsamkeit, Verkennung und Verketzerung [die gewaltsam-unfreiwillige Trennung von Lou und Rée sowie die Zerwürfnisse mit Mutter und Schwester!] überwinden ließ.   Genug, ich habe auch diese Stufe meines Lebens überwunden - und was jetzt noch vom Leben übrig ist (wenig, wie ich glaube!) [Gut 5 Jahre noch bis zum endgültigen und unheilbaren Ausbruch der gefühlt-geistig-diesseitigen Desorierentiertheit und dann gut 11 weitere Jahre konstant in einem Zustand, der vom „Normalen“ her, für gewöhnlich mit „im Zustand zunehmend-totaler Verblödung“ zu bezeichnen wäre.  Das] soll nun ganz und voll das zum Ausdruck bringen, um dessentwillen ich überhaupt das Leben ausgehalten habe.  Die Zeit des Schweigens ist Vorbei [und das nach der Fülle von jeweils schreierisch angelegten, fast jährlich erfolgten Veröffentlichungen, beginnend mit der „Geburt der Tragödie“ 1872, zu der Nietzsche schon, gleich nach Erscheinen erwartet hatte, dass „eine Anzahl Individuen daran zu Grunde gehen sollte 30.1.72 über die Unmasse des „Menschlich-Allzumenschlichen“ mit etlichen Wanderer-Anhängen der Jahre 1878 bis 1880, die „Morgenröte“ 1881, bis hin zur „Fröhlichen Wissenschaft“ 1882]:  mein Zarathustra [der 1. von 4 unabgeschlossenen Teilen, entstanden im Januar 1883], der Dir in diesen Wochen übersandt sein wird, möge Dir verrathen, wie hoch mein Wille [sein Wünschen, nicht sein Können!] seinen Flug genommen hat.  Laß Dich durch die legendenhafte Art dieses Büchleins nicht täuschen:  hinter all den schlichten und seltsamen [absolut und persönlichst auf Nietzsches eigene Gefühlserlebnisse bezogenen] Worten steht mein tiefster Ernst und meine ganze Philosophie [also all seine insgsamt undurchdacht gebliebenen selbstmittelpunktlichen Überzeugtheiten!]  Es ist ein Anfang, mich [in seinem brutal-totalitären „Willen zur Macht“! 9.575 zu erkennen zu geben - nicht mehr! - Ich weiß ganz gut, daß [außer ihm selber, so weit war die Enthemmung fortschreitend inzwischen gediehen!] Niemand lebt, der so Etwas [Verrücktes, etwas so realitätsfern Unzeitgemäßes mit dermaßen überzogenen Ansprüchen an die Gesamtheit all „der Anderen“! - aber doch gewagt, gemacht und tatsächlich ausgeführt worden!] machen könnte, wie dieser Zarathustra ist - Lieber alter Freund, nun bin ich wieder im Ober-Engadin, zum dritten Male [zuerst 1879 in St. Moritz, nahe bei, dann 1881 und nun, 1883, wieder in Sils-Maria], und wieder fühle ich [denn „Gefühl“ war alles bei Nietzsche, ohne je die zahllos vielen sich darin tummelnden Widersprüchlichkeiten in ihrem problematischen Nicht-Zueinanderpassen überdenken und zusammen-sehen zu können!], daß hier [im zutiefst Religionsstifterlichen!!] und nirgends anderswo meine rechte Heimat und Brutstätte ist.  Ach, was liegt noch Alles verborgen in mir und will Wort und Form werden!   Es kann gar nicht still und hoch und einsam genug um mich sein [d.h. gründlichst, weit und dicht abgeschirmt von den Wirklichkeiten dieser Welt!], daß ich meine innersten [zumeist unkontrolliert zu wichtig genommenen eigenen] Stimmen vernehmen kann! 30.6.83


Vom Prinzip her soll gegen Nietzsches Veröffentlichungen nichts eingewandt werden, wenn man gewillt ist, von dem Inhalt des darin Verkündeten als philosophisch zu wertende Wahrheiten abzusehen, denn diese waren nicht als zu tolerierende poetisch dichterisch angelegte Roman-Inhalte gemeint, sondern zielten ab auf grundlegende und wirkliche Veränderungen der ihn umgebenden Welt, in der auch viele „Andere“ lebten, leben wollten und leben durften vor allem - so gut wie Er! - aber nach ihren Vorstellungen, nicht nur nach seinen - und das ohne je von ihm zur Kenntnis genommen worden zu sein!

Wie sähe die Welt aus, wenn jeder einen philosophisch unbegründbaren Anspruch darauf erheben dürfte, dass diese Welt - in ihrer Gültigkeit für alle Beteiligten! - ausschließlich nach dem Gutdünken eines Einzelnen und von diesem her dann für alle geltend - gegebenenfalls auch mit der „Peitsche“! - gewissermaßen auf derzeitigem Talibanniveau - einzurichten wäre?  Immerhin kommt dergleichen ja trotz seiner moralisch unmöglich zu tolerierenden Tatsächlichkeit im Weltgeschiebe immer wieder vor.


Gleich darauf, wiederum 2 Wochen später, schrieb Nietzsche entsprechend seiner grundlegend totalitären Natur:

Man soll [ganz subjektiv von und für sich selber!] sein [im Grunde doch nur sehr privates] Ideal vom Menschen durchsetzen [realisieren?], man soll mit seinem Ideale seine Mitmenschen wie sich selber zwingen und überwältigen: und also [unerbittlich-totalitär und gnadenlos primitiv vergewaltigend!] schöpferisch wirken! [Wenn das aber nun jeder tut? - Daran war nicht zu denken und von Nietzsche auch nicht gedacht worden, wie zerstörerisch diese Art „Schöpfertum“ wirklich ist!] Dazu aber gehört, daß man sein [von Nietzsches ehemaligem „Gott“ Schopenhauer verkündetes] Mitleiden [das ihm immer noch höllisch „zu schaffen“ machte] hübsch im Zaume hält, und daß man, was unserm Ideale zuwider geht (wie z.B. solches Gesindel wie Lou und Rée [die im Jahr zuvor noch beste und danach dann zutiefst betrauert ewig verlorene Freunde mit inzwischen entschwundenen gemeinsamen Zukunftsplänen waren! - letztlich aber Nietzsches schwächlichem Totalitarismus aufgrund der Hetze seiner Schwester geopfert worden sind, - sie also])  auch als Feinde behandelt. - Sie [der gerade Angeschriebene war gemeint] hören, wie ich mir „die [seine neue, ihm keine Probleme bereiten sollende!] Moral lese“: aber um bis zu dieser „Weisheit“ zu kommen, hat es mich fast das Leben gekostet. 15.7.83 - Was, wie so vieles bei Nietzsche, mal wieder heillos übertrieben war, denn seine Schwachheit hatte ihn, der wieder einmal zu sehr in die intrigen-süchtige Nähe seiner Schwester geraten war, völlig verblendet und ihn seine eigene Umwelt mit ihren intriganten Augen sehen und erleben lassen!


Zu gleicher Zeit schrieb er halb verzagt:.
 
Alles, was ich in dem letzten Zeitraume an Briefen „verfaßt“ habe, gehört unter die Rubrik: Krankheit und Schwermuth - und auch die Dinge, von welchen ich zu erzählen (oder eigentlich nicht einmal zu erzählen) hatte, waren aus dem Reiche des Daseins, welches man am besten verhüllt.  Es war mein schwerster und kränkster Winter [bis dahin war das eigentlich, mit Riesenabstand, krankheitshalber der Winter 1879-80 gewesen, wo er, aus dem Basler Universitätsbetrieb ausgeschieden, krank in Naumburg, bei der Mutter in Pflege, darniederlag!]; und die Erlebnisse, die ihn dazu machten, hätten Einen über Nacht zu einem „Timon von Athen“ machen können [das war im 5. Jahrhundert v. C. ein griechisch-antiker Menschenverächter und -Feind, der mit beißendem Spott die seinerzeit üblichen Sitten geißelte].  Was liegt daran, daß in ihnen allen Nichts ist, dessen ich mich [dennoch aber mit Fug und Recht eher doch?] zu schämen hätte und Manches, das eine andre Würdigung und Theilnahme hätte finden dürfen, als es sie zB. bei meinen Angehörigen gefunden hat [weil diese ihn nicht als das anerkennen wollten, was er zu sein glaubte bzw. gerne auf anerkannte Weise gewesen wäre!!]!  In dem finde und fand ich keinen Trost und keine Erleichterung.   Im Gegentheil:  wenn ich selber irgendwie mehr zu dieser Gattung von „Wirklichkeit“ gehörte, ihr gleichartiger [also „normaler“? - nicht in allem so sehr auf sich selber beschränkt und bezogen?!] wäre, so würde ich wahrscheinlich [und das sicherlich!] Alles viel leichter ertragen haben - - und tragen.  So aber fiel es [wegen des Aufsehen erregenden aber nicht mit lobend akzeptierbar vorteilhaften Worten aufklärbaren seelischen Riesen-Unterschiedes zwischen ihm und „den Anderen“] wie ein Wahnsinn über mich her;  und es [denn er musste den schwesterlichen Intrigen- und den Missverstehens-Dschungel, in den Nietzsche sich begeben hatte, sowie den Bruch mit Lou und Rée in einem schwerlich vertretbaren eigenen Unschuldsglauben aushalten und dies] ist durch Nichts wieder gut zu machen, daß meine Phantasie und mein Mitleid jetzt nun ungefähr ein Jahr [vom Spätherbst 1882 bis Juli 1883] in dem Schlamm dieser Erfahrungen hat waten müssen.  Ich glaube mehr bereits ausgestanden zu haben, fünf Mal mehr, als genügt, einen normalen Menschen zum Selbstmord zu bringen [was zu den für Nietzsche absolut typischen Übertreibungen gehörte!]: und es ist noch nicht zu Ende.  Das Unglück wollte, daß ich voriges Jahr im Grunde nur Dinge [die er aus eigener Verfassung heraus selber nicht realistisch hatte beurteilen und abschätzen können, aber von der Schwester nur in ihrer verdreht-intriganten Version] zu hören und errathen bekam, die zu diesen nächsten [ihn in den Grundfesten erschütternden] Erlebnissen den entsprechenden Rahmen bildeten; 15.7.83


Anfang September 1883 hieß es im stärksten Bewusstsein der Überhöhung:

Dieses Engadin ist die Geburtsstätte meines Zarathustra.  Ich fand eben noch die erste Skizze der in [oder mit?] ihm verbundenen Gedanken;  darunter steht „Anfang August 1881 in Sils-Maria, 6000 Fuss über dem Meere und viel höher über allen menschlichen [allen tränen-jauchzend erhobenen!] Dingen. 3.9.83

Der Staunen verratende Rückblick auf die damalige Einschätzung des eigens imaginär Geschaffenen veranlasste Nietzsche nun, in alter, un-selbstkritischer Weise darauf noch einmal betont verfestigend und seelisch er- und gefasst zurückzukommen, was man ihm, 1 zu 1, wortwörtlich so abgekauft und als heiß begeistert anbetenden Dank in die Erfindung eines Nietzsche-Zarathustra-Steins, am Silser See liegend, verwandelt hat!


Anfang November, zurück aus der Höhe von Sils-Maria, wieder im winterlichen Genua, seinem fremdländischen Anonymitäts-Refugium auf ziemlich genau Meereshöhe, in welchem niemand ihn, für die Wintermonate, kannte, da schrieb er, verbohrt in die Ernsthaftigkeit des ihn Beschäftigenden:

Von der Schwere der Aufgabe, die auf mir liegt, [ihm aber niemand auferlegt hatte, denn er ging mit und in dieser nur seinen Lüsten und Wollüsten 10.637 der Selbsterhöhung nach!] hat Niemand eine Vorstellung; und wenn Jemand sich dieselbe etwa unter der Form einer litterarischen Arbeit, z. B. dem Fertigmachen meines Zarathustra denkt [wozu es in der Realität nie kommen sollte, hiermit aber von Nietzsche selber die ewige Unfertigkeit des Zarathustra dokumentiert und zugegeben war!], so macht mir das [der offenbaren Belanglosigkeit und Nichtgroßartigkeit wegen!] beinahe Übelkeit und Lach- oder Brechreiz - so „zwider“ [eine typisch Leipziger Ausdrucksform für zuwider] ist mir alle [bloße, schließlich allen zugängliche] Litteratur-Macherei [wollte Er doch, wie Moses, Jesus und Mohamed, neue, nur superlativ ewige oder doch zumindest etliche Jahrtausende lang gelten sollende und von niemandem zu widersprechende Gesetzestafeln aufstellt haben!];  und der Gedanke, zuletzt gar [mit einer Vielzahl Anderer und Besserer gar!] unter die Schriftsteller gerechnet zu werden! gehört zu den Dingen bei denen es mich schüttelt. Lies, meine liebe Schwester [denn er hatte sich mit ihr wieder einmal für kurze Zeit versöhnt], recht viel in „Morgenröthe“ und „fröhlicher Wissenschaft“, den inhalts- und zukunftsreichsten Büchern, die es giebt [weil diese aus nichts anderem bestanden, als aus den tränenjauchzenden Gefühlswallungen in denen er sich noch immer bewegte, zu Hause war und wiedererkennen konnte!] - in Deinen letzten Briefen war Mancherlei [enthalten] über „egoistisch“ und „unegoistisch“, was nicht mehr von meiner Schwester [als der unmittelbar blutsverwandtesten des derzeit größten „Denkers“!] geschrieben sein sollte. [Denn] Ich unterscheide [„beispielgebend“ aufgrund seines Beliebens!] vor Allem starke und schwache Menschen - solche, die zum Herrschen und solche, die zum Dienen und Gehorchen, zur „Hingebung“ [zur „Überwindung“, ohne eigentlich eigenes Lebensrecht?] berufen sind [aber vor und von welcher Instanz sollte diese Doppelmoral ihren Segen erhalten?]. Was mich an dieser Zeit anekelt, ist die unsägliche Schwächlichkeit Unmännlichkeit Unpersönlichkeit Veränderlichkeit Gutmüthigkeit, kurz die Schwäche der „Selbst“-sucht, die sich gar noch als „Tugend“ drapiren möchte [welcher Nietzsche selber aber frönte wie kaum ein anderer!  Es waren die Anfechtungen, die jeder Art Gegenwart und nur in dieser dem menschlichen Leben eigen sind!]. Was mir bisher wohlgethan hat, war der Anblick von Menschen eines langen Willens - die Jahrzehnde lang schweigen können [was Nietzsche selber mit seinen immer wieder drängenden, unreifen und unfertigen Veröffentlichungen entfernt nicht fertig gebracht hat!] und sich nicht einmal deshalb mit moralischen Prunkworten aufputzen - etwa als „Helden“ oder „Edle“, sondern die ehrlich sind, an Nichts besser zu glauben als an ihr Selbst und ihren Willen, dasselbe den Menschen [als Wille zum Übermenschen!] einzudrücken für alle, alle Zeit. 1.11.83


Und das notfalls, wenn alles nichts hilft, auch mit der Peitsche und mit Gewalt! 10.486 - Aber was bleibt von diesem auf  Ewigkeiten angelegten „Sinn der Erde 4.14  wenn der aus dem Relativum zum gegenwärtigen Menschen erdachte Übermensch“ endlich zur wiederum ekelerregenden und dann wieder verbessert denkbaren massenhaft verbreiteten Norm geworden wäre?  Wer sollte - nach Nietzsche denn dereinst! - messen und urteilen, wann das einzig vorgenommene, sich in immer weiteren Superlativen verlieren könnende Ziel tatsächlich erreicht worden wäre?


Im März des Jahres 1884 schrieb Nietzsche ins ehemals heimische Basel:

Der Anfang seines Briefes [der vom schwärmerischen und ihn übermäßig bewundernden und hochschätzenden „Affen“„Peter Gast“, einem damaligen Schüler und „Freund“, beigelegt und Nietzsche just zugekommen war.  Dieser] handelt von meinem Zarathustra, in einer Manier, die Dich eher beunruhigen als befriedigen wird [denn der eigentlich von Nietzsche Angeschriebene war vielfach besorgt um Nietzsches Geist, Verhalten und Urteil über sich selbst und erhielt nun beigelegt Peter Gasts Brief, der ziemlich am Anfang an der entscheidenden Stelle lautete:].

Ja dieser Zarathustra!  Er gibt einem das Gefühl [und wieder „Gefühle“ nur, ohne in eigener Verantwortlichkeit mal über deren Anlass, Berechtigung und Folgerungen nachzudenken!], als sollte man von ihm an [als aller Weisheit endgültig letztem Schluss!] die Zeit neu datieren [was auf Nietzsche aus blauem Himmel herniedergedonnert einen besonders nachhaltigen, zur blinden Übernahme bereiten Eindruck gemacht hatte und machen musste! - Dass es fortan eine Zeit vor und nach dem umwertenden Bedeutungswechsel durch Nietzsche/Zarathustra geben würde!!].  Man wird und muss Sie [Nietzsche war damit gemeint und angesprochen!] einst höher [nicht nur einfach ebenso, wie die genannten!] verehren als die asiatischen Religionsstifter. 29.2.84

Womit denn, aufgrund einer so irrsinnig unzeitgemäßen Behauptung beispielsweise etwa die Umwidmung des pyramidalen Findlings am Silser Seeufer in einen Zarathustra-Stein gerechtfertigt wäre?

Mit den asiatischen Religionsstiftern waren Buddha, Jesus und Mohammed gemeint!  Von dieser Gleichsetzung, nein von dieser Überhöhung sogar, war Nietzsche zutiefst eindruckt, geradezu verblendet und in sie verliebt.  Nietzsche hat die an sich idiotische Veranschlagung ohne Umschweife für bare, faktische Münze genommen, und fuhr in seinem Brief, Peter Gasts Wort-Geklingel wörtlich nehmend, fort:]

Himmel! wer weiß, was auf mir liegt und was für Stärke ich brauche, um es mit mir selber [mit dieser ihm hier unterstellten und mit Begeisterung aufgenommenen Bedeutungsfracht!] auszuhalten!   Ich weiß nicht, wie ich gerade dazu komme - aber es ist möglich [dieses Gefühl erfüllte ihn ja ohnehin schon seit einigen Jahren und hatte nun eine von außen kommende gewaltig anerkennende, bestätigende Verstärkung erhalten, allerdings durch einen ansonsten als Versager Wirkenden!], daß mir zum ersten Male der [ihm von seinem „Affen“ Peter Gast gerade zugelobte und ihn bis in seine letzten Tage hinein tragen sollende] Gedanke gekommen ist, der die Geschichte der Menschheit in zwei Hälften spaltet [nämlich in die ungeheuerliche alte und mit ihm nun beginnen sollende, wenigstens ebenso ungeheuerlich werdende neue Zeitrechnung der „Übermenschwerdung“ mit ihm als deren unbestreitbaren Mittelpunkt und dessen Zentrum!]. Dieser Zarathustra ist [in all seinen Wünschen und Absichten Nietzsche ungeschminkt selber und] nichts als eine Vorrede, Vorhalle [denn er war in seinen religiösen Belangen noch auszuschmücken!] - ich habe mir selber Muth machen müssen, da mir von überall her nur die Entmuthigung kam:  Muth zum Tragen jenes [direkt und endlich unmaskiert darzustellenden und offenbar auch aufgenommenen] Gedankens!   Denn ich bin noch weit davon entfernt, ihn [ausserhalb des 341. Aphorismus der „Fröhlichen Wissenschaft“ noch einmal deutlicher und überzeugender] aussprechen und darstellen zu können [und dabei sollte es auch bleiben!].  Ist er wahr oder vielmehr: wird er als wahr geglaubt [denn allein darauf nur ist es Nietzsche zur endgültigen Installation seiner unverwüstlichen und unersättlichen Großartigkeitslust angekommen!  Daran, an diesen unausgegorenen Quark zu glauben, um ohne irgendwelche Hintergrundinformationen zu dem Thema irgend etwas genauer zu wissen!] - so ändert und dreht sich Alles, und alle bisherigen Werthe sind [damit als umwertbar diffamiert zugleich auch!] entwerthet. - 8.3.84

Was aber hieß, dass die so wichtig zu betreibende „Umwertung aller Werte 10.12.88 sich nur als eine Umstellung auf andere „Irrtümer“ und Vorurteile auch als ein Betrug erweisen würde!

Dieses „Entwertet“ sollte aber den Kern von Nietzsches anschließender „Erkenntnis“ auch seines Rechtes, umwerten, d.h. für die gesamte Menschheit neue Werte setzen zu dürfen, beinhalten, - egal aufgrund welcher, ggf. auch erlogener oder nur unbegründet vorgegebener und in jedem Fall größenwahnsinniger Rechtfertigungen das geschah!  Weitere Abgrenzungen hat es da nicht gegeben.


Der hier von Nietzsche als belanglos dargestellte Unterschied zwischen „Wahr“ und nur „geglaubt“ schützte ihn davor, dem „Warum“ nachzugehen:  Warum sollte es belanglos sein, weiter zu fragen?  Weil es an seinem „Falsch“ oder „Richtig“ nichts zu rütteln geben sollte?!  An seinem Recht“, etwas in Frage zu stellen und dies ausschließlich nach seinen Befindlichkeiten - und zu seinem persönlichen Vorteil! - endgültig entscheiden zu dürfen?

Weiter als bis dahin wollte Nietzsche sich nämlich nicht festgelegt sehen, weil ihm für einen solchen Fall, außer seine Sonderstellung anzuführen, eine vertret- und belastbare Berechtigung dafür immer noch fehlte!  Was zugenommen hatte im Laufe der Zeit war lediglich seine logisch enthemmte Unbekümmertheit, seinen ihn seit mindestens Anfang 1877 bestimmenden und total erfüllenden „Willen zur Macht 8.425 und damit zur „Größe“, diese mit irgendwie vertretbaren „Argumenten“ zu untermauern!


Es ist immer Nietzsches Ziel gewesen, auf unvergleichlich-einmalige, eben auf superlativste Weise zu wirken und zu existieren - denn er hatte kein Maß in und an irgend etwas Relativem, im „Nicht-Grenzwertigen-Irgendwo“ angesiedelt, zufrieden zu sein! - Ihm ging es immer darum, absolut maximal bewundert und in Steigerung dessen auch angebetet zu werden und ohne komplizierende Einschränkungen eben alles zu dürfen! Er hat alles für sich getan, nichts für jemanden anderen, vor allem nichts für „die Menschen“, für die er nichts ge- und erdacht hatte was nicht zugleich auch zu seinem Vorteil und Nutzen gewesen wäre!  Sein gesamter Größenwahn befand sich außerhalb irgendwelcher materieller Vorstellungen und Gegebenheiten ausschließlich „in seinem Geiste“, im Gefühlt-Erdachten, Gefühlt-Erdenkbaren und auf diese Weise auch Auskostbaren, - in seiner Phantasie, die keiner Realität bedurfte, weil sie an keiner Realtät zu messen und zu beweisen sein wollte!  Alles spielte sich, wie geölt, in und mit ihm selber als Mittelpunkt von restlos allem ab!


Die Zarathustra-Teile 2 und 3 entstanden im Sommer 1883 und im Januar 1884.

Am 22. Mai 1884 verschickte Nietzsche seinen 3. Zarathustra, von dem er annahm, dass er damit endgültig fertig wäre, mit den Begleitworten:

Mein Sohn Zarathustra mag Ihnen verrathen haben, was sich in mir bewegt;  und wenn ich Alles von mir erlange, was ich will, so werde ich mit dem Bewußtsein sterben, daß künftige Jahrtausende auf meinen Namen ihre höchsten Gelübde thun.  Verzeihung! - Es gibt so ernste Dinge, dass von ihnen zu reden man erst um Verzeihung bitten sollte.

So sehr war Nietzsche - schon 1884, wie bereits auch schon seit Anfang 1872! - von der unverbrüchlichen Richtigkeit seiner, gerade jetzt und zuletzt zarathustrisch erlassenen, Ansichten überzeugt, so dass er darüberhin den Anstand vergaß, nicht in solchen Dimensionen sich selber vor „den Anderen“ zu blähen, zu spreizen, sich in die Brust zu werfen!


Zum endgültigen Beweis seiner „Gleichsetzung mit sich selbst“, d.h. dass er in seinem Selbstbewusstsein auch tatsächlich das wäre, wofür er sich hielt, schrieb er anlässlich einer weiteren Übersendung eines 3. Zarathustra-Exemplares eigenhändig:

Was ich will, das wird Ihnen mein Sohn Zarathustra zwar nicht sagen, aber zu rathen aufgeben;  vielleicht ist es zu errathen.   Und gewiß ist Dies:  ich will die Menschheit zu Entschlüssen drängen, welche über die ganze menschliche Zukunft entscheiden, und es kann [dabei] so kommen, daß einmal ganze Jahrtausende [Plural!] auf meinen [dann endlich offiziell vergöttlichten!?] Namen ihre höchsten Gelübde thun. - 1.6.84

Darum war es ihm in allem und immer gegangen:  Um seinen Ruhm und seine absolut peinliche, gefährliche, grenzenlose Bedeutung!  Sichtbar mit dem Umlauf der Sterne an der concaven Sphäre des Himmels.

Trotz aller von Nietzsche investierter Hoffnungen ist es dazu bekanntlicher- und auch glücklicher-weise nicht gekommen!  Das sagt genug aus über das, was Nietzsches dringlichste Hoffnungen waren.


So weit dieser kurz aber intensiv gefasste Blick auf den ansonsten kaum und auch von Nietzsche selber entfernt nicht klar durchschauten Hintergrund dessen, was „Zarathustra“ seinen eigenen Aussagen nach für seinen Verfasser - und für die Welt! - in seiner Gesamterscheinung bedeuten, ausmachen und bewirken sollte - und konnte!


Da es für jedermann wesentlich leichter ist, neben Nietzsches ansonsten genannten Absichten, ihm seinen vielfach erbrachten und in allem individuellst-verquastem Wust aus Persönlichstem und Welthistorischem in seinen Wünschen und Hoffnungen einfach zu glauben, als all das in den psychologischen Details seiner Zusammenhänge kritisch auseinander zu nehmen und vor allem zeitlich sinnvoll gedeutet zu ordnen, hat man Nietzsche, der sein Werken und Wirken für hochwertigst unüberbietbar hielt, eben lieber geglaubt, - ihn, weil es bei ihm so schwierig scheint, das eine vom andren zu unterscheiden - einfachheitshalber wörtlich genommen, statt sich mit dem, wegen der vielen Gesinnungswechsel und Widersprüche darin, in seiner gesamten Grundstruktur unverständlich Scheinenden zeitraubend detailliert auseinanderzusetzen, ihn also lieber als großen, größten und deshalb so gut wie nicht Nachvollziehbaren und auf seiner „Höhe“ für „normale“ oder gewöhnliche, „nicht-übermenschliche“ Menschen, eben ohnehin Unerreichbaren, nicht mehr zu Verstehenden, ins Höchste strebenden Denker gefeiert, als sich selber, im Gestrüpp des nicht ohne weiteres Unterscheidbaren hilflos hängenbleibend, eine vielleicht peinliche und kritische Blöße zu geben.


Seinerzeit, im vorigen Jahrhundert, war das alles im „kollektiven Verständnis“ so sehr „eingefahren“, dass seine naive und den Verstiegenheiten ihres Bruders in keiner Weise gewachsene, dennoch aber seinen Nachlass strengstens verwaltende Schwester trotz oder gar für ihre Betrügereien, ohne die es schwerlich so weit gekommen wäre, dass sie 1921 sogar einen Ehrendoktortitel der Universität Jena erhalten hat und seiner angemaßten Chefpropagandistin neben unglaublichen finanziellen Summen, die zeitweise mehr als das Dreifache eines Professorengehalts ausgemacht haben, zur Führung ihres „Huldigungshaushalts mit geopfertem Bruder“ auch sonstige „höchste Ehren“ und zeitweilig auch eine teuer zu bezahlende livrierte Dienerschaft, in den Schoß gefallen sind.





Bei den in die Texte eingefügten kleinen Zahlen handelt es sich um Herkunfts-Nachweise der Zitate:
Angegeben sind jeweils Band- und Seitennummern der letztgültig „Kritischen Studienausgabe“ (KSA) von Giorgio Colli und Mazzino Montinari bzw. bei Briefen, deren Datum lt. der kritischen Studienausgabe seiner Briefe (KSB).

In einem Fall daraus auch für einen Brief von Peter Gast alias Heinrich Köselitz an Nietzsche. 


Zu „Der Wille zur Macht“
Share by: